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96 §5. Kontrolle d. Mutterlandes über d. Kolonien durch d. Gerichte,
mufs man sich in jene Zeit zurückversetzen (Ausgang des 18. Jahr-
hunderts), als das Mutterland in Gestalt jenes Satzes die einzige
Kontrolle hatte, dafs die Kolonien durch verfassungswidrige Ge-
setze die Interessen des Mutterlandes nicht schädigten. Diese
Kontrolle hat heutzutage nicht mehr die Bedeutung wie seiner-
zeit, da dem Mutterlande jetzt noch andere Mittel, nämlich die
der Verwaltung, zu Gebote stehen, die rascher den Willen des
Mutterlandes nach den Kolonien bringen; auch ist die Gefahr
von verfassungswidrigen Gesetzen heute geringer, da die Verkehrs-
mittel grofsartiger sind, während früher oft viele Monate ver-
gingen , ehe das Mutterland von den ein verfassungswidriges
Gesetz vorbereitenden Vorgängen in den Kolonien Kenntnis erhielt.
Ad 2. Was zunächst den Grundsatz anlangt, dafs Appellationen
in letzter Instanz von den Kolonien an den Staatsrat in London
gehen, so ist darüber folgendes zu sagen: Die Tätigkeit des
Staatsrats als richterliche Behörde war in den Zeiten der Tudors
und Stuarts eine richterliche. Es war die Zeit, in der die
„Sternkammer“ in so berüchtigter Weise als Polizeigerichtshof
fungierte. Diese Tätigkeit der Sternkammer, die nur Ausschufs
des Staatsrats war, wurde nach der Revolution vollkommen be-
seitigt, indem damals die Bill of Rights (1689) verfügte, dafs
von nun ab kein Ausschufs (Commission) des Staatsrats richter-
liche Gewalt ausüben darf. Dennoch ist die richterliche Gewalt
des Staatsrats gegenüber den Kolonien geblieben und hat
sich bis heute erhalten. Nun haben neuere Gesetze Veranlassung
genommen, die Gestalt des Committees, das über Kolonial-
appellationen judizierte, das sogenannte „Judicial Committee of
the Privy Council“, zu modernisieren, und zwar in dem Sinne, dafs
einerseits die Richter mit der nötigen Garantie der Unabhängig-
keit ausgestattet und andrerseits Vorsorge getroffen wurde, dafs
die Richter von dem ihnen unterbreiteten Rechtsfall doch etwas
verstünden. Wenn z. B. früher ein Rechtsfall aus Ceylon vorlag,
bei dem es sich um singhalesisches Recht handelte, so wufsten
vielfach die kompetenten Kreise im Mutterlande nicht, wie dieses
Recht aussah. Hat man es ja nicht einmal der Mühe wert gefunden,
die Experten dieses Rechts nur anzuhören. Daher mufsten eine
Anzahl Richter, wie später verfügt wurde, angestellt werden, die
in den Kolonien eine Zeitlang fungiert hatten.
So ist für die heutige Zusammenstellung des Privy Council
genügende Vorsorge getroffen, dafs, wenn von einer Kolonie mit
 
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