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Helbig, Wolfgang
Untersuchungen über die Campanische Wandmalerei — Leipzig, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.12280#0133

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XIV. Ueber das Verhältniss der mythol. Wandgemälde etc. 1 13

in welcher Oinone den treulosen Paris an ihr glückliches gemein-
sames Leben auf dem Ida erinnert und dabei auch der auf jenem
Bilde dargestellten Handlung gedenkt.

Dasselbe Resultat ergiebt sich, wenn wir die auf den Iömythös
bezüglichen Gemälde, welche darstellen, wie sich Hermes und
Argos über die Syrinx unterhaltenl), und die Erzählung dieser
Begebenheit in Ovids Metamorphosen-) vergleichen.

Die enge Verwandtschaft, welche in der Behandlung des
Mythos von Herakles und Omphale zwischen campanischer Wand-
malerei und lateinischer Dichtung vorliegt, ist von O.Jahn3) her-
vorgehoben worden. Stark4) hat das Gleiche gethan hinsichtlich
der Behandlung des Mythos von Ariadne auf Naxos. Besonders
lehrreich ist der Vergleich der Schilderung, welche Catull5) von
Ariadne giebt, wie sie, von Theseus verlassen, erwacht, mit
Wandgemälden, welche dieselbe Scene darstellen B). Die Ueber-
einstimmung erstreckt sich hier beinah bis auf die gering-
fügigsten Einzelheiten.

Wenn man aus dieser Erscheinung den Schluss zog, dass
die Compositionen der Wandgemälde durch die lateinische Dich-
tung des goldenen Zeitalters inspirirt und somit Schöpfungen
der Kunst der ersten Kaiserzeit seien, so hat man eine hin-
länglich beglaubigte litteraturgeschichtliche Thatsache ausser
Acht gelassen. Die lateinische Dichtung der augusteischen
Epoche, insoweit sie sich mit Stoffen aus der griechischen Mytho-
logie beschäftigt, schafft nicht vollständig frei und original, sondern
hängt mehr oder minder von der griechischen Poesie der Dia-
doehenperiode ab, von jener Poesie, die wir in der Begel als die
alexandrinische bezeichnen. Dieser Sachverhalt lässt sich auch
hinsichtlich mehrerer der lateinischen Dichtungen, die wir soeben
wegen ihrer Uebereinstimmung mit den Wandgemälden erwähnt
haben, entweder nachweisen oder wahrscheinlich machen. Es
ist wohl zu beachten, dass sich die wesentlichen Züge der Schil-
derung , welche Ovid von der Entführung der Europa entwirft,
bereits in einem Idyll des Moschos7) vorfinden. Das 64. Gedicht
des Catull geht, wenn ich auch die Vermuthung von Kiese8),
welcher annimmt, dasselbe sei aus Kallimachos übersetzt, keines-
wegs als bewiesen betrachte, jedenfalls auf eine alexandrinische
Quelle zurück. Bei der trümmerhaften Ueberliefer.ung der Lit-
teratur der Diadochenperiode ist es begreiflich, dass wir nicht

1) N. 135 ff. 2) I 675 ff.

3) Berichte der säehs. Gesellschaft d. Wiss. 1S55 p. 222 ff.

4) Ber. d. sächs. Ge,s. 1860 p. 30.

5) LX1V 52 ff. 6 N. 1222 ff. ■ 7: II 125 ff.
8) Rheinisches Museum XXI (1866; p. 498 ff.

Heibig, Untersuchungen ü. d. campan. Wandmalerei. 8
 
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