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und manchmal sehr naturalistischen Biedermeierzeit immer kräftiger. Wie wenig
gekannt und erforscht gerade in dieser Zeit die Wachsbossierung ist, sieht man am
klarsten daran, daß man von den wenigsten Künstlern die Lebensdaten kennt. So geht
es mit Bückle um 1782 (Nr. 57), F. C. Wimmer in Konstanz um 178g (Nr. 58), Anton
Didich um 1795 (Nr. 61), Xav. Carriger um 1807 (Nr. 70), Benedikt Cariger um 1818 (Nr. 71),
Karl E. Lode um 1819 (Nr. 76), L. Heybolt um 1820 (Nr. 82), F. Brugger um 1830—47
(Nr. 88—92) und Sprecher um 1840—50 (Nr. 100). Die ungefähren Daten kennt man da-
gegen bei J. Hinei, Wachsbildner in Mannheim um 1800—1825 (Nr. 67—69), Jos. Christen,
Bildhauer, geb. 1769 zu Buochs, Kanton Unterwalden, seit 1791 in Basel (Nr. 75) und
Friedrich Brechter, Schüler von Hinei, Wachs- und Tonbildner in Mannheim, 1800—1890,
der bezeichnenderweise nebenbei Konditor war (Nr. 93).

Von andern Porträts seien noch das aus Alabaster von Ohmac.ht (Nr. 175) und
des Ratsherrn Pestalozzi aus Marmor von Jos. Christen (Nr. 176) genannt. Von einem
gewissen N. Schrödl sind drei Elfenbeinmedaillons von Baron M. C. Rothschild und
zweier Töchter (Nr. 195).

Zwei ganz bedeutende Arbeiten, die dem rücksichtslosesten Naturalismus huldigen,
sind die zwei Terrakottabüsten des Hieronymus Lukanus und des Max. Retius, wohl
zweier italienischer Professoren, die dem 16. Jahrhundert angehören (Nr. 4111. 42). Ihre
Naturwahrheit wird durch die prachtvolle Polychromierung künstlerisch parallelisiert.
Derselben Zeit entstammt auch eine Christusbüste (Nr. 43), die ähnliche Qualitäten zeigt.

Auch unter den andern Kunstgattungen, die die Sammlung umfaßt, sind hervor-
ragende Stücke enthalten. Das Porzellan verschiedener deutscher Manufakturen ist
meistens figürlicher Art, darunter einige interessante Porträtmedaillons (Nr. 5, 6, 18, 24,
27—3°) 35» 36)- Besonders dürfen genannt werden die zierlichen, frühen Höchster
Gruppen: Schmiede und Schweineschlachten (Nr. 19 u. 20) sowie die Schustergruppe

(Nr. 21), dann ein seltenes Kasseler Figürchen: ein Hirtenknabe (Nr. 22), das •Limbacher
Figurenpaar: Sommer (Nr. 23) und die vier idyllischen Züricher Gruppen (Nr. 31—34).
Das beste unter den Arbeiten in Metall sind neben andern Plaketten ein schönes, alt-
vergoldetes Exemplar von Peter Flötners ,,Memento mori“ (Nr. in) und eine getriebene,
seltene Renaissancearbeit: eine Tabernakeltüre mit dem Kalvarienberg aus Geisingen
(Nr. 120). Außer den schon erwähnten Buchsschnitzereien sind aus Buchsholz noch
eine Serie entzückend feiner Messergriffe des 17. Jahrhunderts (Nr. 153—160), verschie-
dene Buchsreliefs und Figuren (Nr. 138—152) und aus asiatischer Kokosnuß geschnitzte
Nadelbüchsen (Nr. 165—167) erwähnenswert. Eine gute Arbeit des ausgehenden iö.Jahrh.
ist die Solnhofer Platte mit der Kreuzigung Christi, die trotz des feinkörnigen Materials
ehemals gefaßt war, wie die Spuren noch zeigen (Nr. 173). Die wenigen alten Gemälde
weisen auch ein sehr farbenprächtiges altniederländisches Stück auf: Beweinung Christi,

um 1510, das noch unter dem nachhaltigen Einfluß Rogier von der Weydens steht und
nach verschiedener Richtung hin ein eingehenderes Studium verdient (Nr. 184).

Die Sammlung A. Heß, wie sie jetzt in ihrer gewählten Zusammensetzung und
der gediegenen Qualität ihrer Stücke vor uns hegt, wird wohl ohne Zweifel das rege
Interesse ernsthafter Sammler guter Kunstgegenstände erwecken.

Dr. Georg Lill.

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