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Hugo Helbing <München> [Editor]
Kollektion Mr. Francis M. Baer, London: Harlekins, Kolombinen und Gestalten aus der italienischen Komödie in Porzellan sowie einige Tapisseriebilder ; [Auktion in München in der Galerie Helbing, Mittwoch, den 12. März 1913] — München, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.21331#0010
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Der Eigenart Joh. Friedr. Eberleins 1735—1749, die besonders an den schiefstehenden Augen zu
erkennen ist, entsprechen ein Harlekin mit Krug (Nr. 22, 23), ein lebhaft bewegter Harlekin, der sich
einen Zwicker auf die Nase setzt (Nr. 24, 25), beide in zwei verschieden bemalten Exemplaren, und zwei
Harlekine mit faunartigen Köpfen (Nr. 26, 27). Auch der sitzende Harlekin, der einer Katze einen
Vogel zeigt -—■ er ist in drei verschiedenen Dekors vorhanden (Nr. 28, 29, 30) — dürfte Eberlein zuge-
sprochen werden.

Der Modellierkunst Friedrich Elias Meyers 1748—1762, der hohe, schlanke Gestalten mit kleinen
Köpfchen liebte, verdanken eine tanzende Kolombine (Nr. 31), ein Tartaglia (Nr. 32) und eine Kolom-
bine, die Radleier spielt (Nr. 33), ihre Entstehung. Die pikanten Gesichter dieser Figuren zeigen schon
den Höhepunkt des Rokokostiles in der Porzellankunst. Zwei Harlekin]ungen (Nr. 34, 35), zwei weitere
Harlekins, die als Flakons zu benützen sind (Nr. 36, 37), sowie eine gleiche Kolombine (Nr. 38) und eine
Jägerin (Nr. 39) sind nicht so leicht einzuteilen, vielleicht sind auch sie von Kändler modelliert.

Außerhalb der Harlekinsammlung ist noch eine prächtige Verlobungszene zu nennen, deren Dame
einen umfangreichen, reich bemalten Krinolinenrock trägt (Nr. 40). Die Gruppe entspricht der besten
Zeit Händlers um 1740—1750. Derselben Zeit entstammt auch eine Uhr mit allegorischen Figuren und
bunter Höroldmalerei (Nr. 41).

Die übrigen deutschen Manufakturen sind entsprechend ihrer geringeren Produktion nicht so
umfangreich vertreten wie Meißen, jedoch zeigen verhältnismäßig zahlreiche Gestaltungen, daß auch
sie mannigfaltige und teilweise eigenartige Komödienfiguren geschaffen haben. Von der nach Meißen
ältesten Manufaktur Wien findet sich eine zierliche Gruppe: Kolombine mit Harlekinjungen (Nr. 42),
die noch, nach der eingepreßten Marke zu schließen, aus der ersten Zeit der staatlichen Periode von
1744—1749 herstammt. Eine tanzende Kolombine (Nr. 43) dürfte nur wenig später entstanden sein.
Auch eine Amorette als Kolombine (Nr. 44) wäre hier noch zu nennen. Die immer noch nicht genügend
gekannte kurmainzische Fabrik Höchst bringt drei kleine zierliche Figuren, eine Kolombine (Nr. 47),
einen tanzenden Harlekin mit Maske (Nr. 48) und einen Harlekin als Kavalier (Nr. 49), die ihrer Ge-
staltung nach in die allererste Zeit unter Löwenfink 1746—1749 zu setzen sind. Neue Aufschlüsse zu
der überaus flott modellierten Serie von Komödienfiguren bietet außer dem schon bekannten Harlekin
(Nr. 51) eine Frauengestalt, die nach dem beigegebenen Attribut, der Pritsche, als Kolombine anzu-
sprechen ist (Nr. 50), während die bisher dafür gehaltene Figur wohl nunmehr als Prigatellin bezeichnet
werden muß. Frankenthal zeigt aus seiner frühen Hanongperiode einen Harlekin von J. W. Lanz in
gleichzeitiger Ausformung (Nr. 52), Ludwigsburg eine Kolombine von Pustelli (Nr. 53), Nymphenburg
einen Harlekin mit Affenkind von Bastelli (Nr. 54), Ansbach-Bruckberg einen Pierrot von Laut (Nr. 55),
Fulda einen Harlekin (Nr. 56) in der glänzend-weißen Masse, die einen besonderen Vorzug der Fabrik
bildet. Besonders problematisch sind die Komödienfiguren der Thüringer Fabriken. Der bekannte Har-
lekin mit dem Wechselbrief am rechten Ohr findet sich in zwei verschiedenen, kaum differierenden Mo-
dellen, das eine, wohl das ursprüngliche, deckt sich mit der Ausformung von Kloster Veilsdorf (Nr. 58), es
ist unsigniert. Das zweite ist in der Modellierung etwas ungeschickter (Nr. 57); nach der Marke, die es
trägt, ist es in Volkstedt-Rudolstadt entstanden. Der Manufaktur Kloster Veilsdorf verdankt auch
eine Kolombine in weitem, faltigem Rock (Nr. 59) ihre Entstehung. Ein Harlekin, der sich eine Maske
vor das Gesicht hält (Nr. 60), ist durch die Signatur als Produkt der Fabrik Gera nachgewiesen. Nach
stilistischen Gründen dürfte der ursprüngliche Entwurf, der vielleicht gar nicht in Gera entstanden ist,
auch zu der Serie gehören, welcher der Harlekin mit Brief zuzurechnen ist. Limbacher Ursprunges
sind zwei kleine Figuren, eine tanzende Kolombine (Nr. 61) und ein Harlekin mit Maske (Nr. 62).

Auch außerdeutsche Manufakturen haben Beiträge zu dieser Kollektion geliefert. So ist Chelsea
mit zwei Pendants einer Kolombine (Nr. 63) und einem Harlekin als Nachtwächter (Nr. 64), ferner mit
einem grüßenden Harlekin (Nr. 65), einem Harlekin in beteurncler Geste (Nr. 66) und einer Harlekinfamilie
(Nr. 67) vertreten. Stratford le Bow (Nr. 68), Staffordshire (Nr. 69, 70) und Capo di Monte (Nr. 71,
72> 73) ergänzen schließlich die Umschau über die europäischen Porzellane und beweisen, daß keiner ihrer
Manufakturen der Harlekin unbekannt war.

In einem Anhang sind einige Tapisseriebilder der flämischen und französischen Schule des 17.
und 18. Jahrhunderts (Nr. 75—84), die aus demselben Besitze herrühren, zusammengefaßt.

Dr. Georg Lill.
 
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