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Galerie Henning; Galerie Henning [Contr.]; Fraaß, Erich [Ill.]
Erich Fraass, Dresden: Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Lithographien, Linolschnitte — Ausstellung zeitgenössischer Kunst: Halle (Saale): Galerie Henning, 1947

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https://doi.org/10.11588/diglit.72855#0007
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Seitdem in den deutschen Kunstausstellungen nicht mehr Vorschriften und
Verbote ein uniformes, „einheitliches" — und eintöniges — Bild garan-
tieren, und wieder eine natürliche Vielgestaltigkeit Einkehr gehalten hat,
beschäftigt es die Laienwelt erneut, jedes Kunstwerk auf seine Zugehörig-
keit zu einer bestimmten „Richtung" zu überprüfen. Läßt sich die Ein-
ordnung nicht eindeutig vollziehen, fühlt man sich beunruhigt und meint
wohl gar, es müsse etwas Leutes, Eigentliches fehlen. Nach der eigenen
Stellung und den persönlichen Anschauungen verwirft man zudem diese
oder jene Formmöglichkeiten, „lehnt ab", „verlangt" und „fordert —
mindestens", was einem gerade gutdünkt. Für sehr viele engt sich alles
ein auf die polaren Begriffe „gegenständlich oder abstrakt", „realistisch
oder magisch", „Abbild oder Sinnbild". Man ist dabei schon soweit ge-
diehen, daß man fast alles, was irgendwie gegenständlich ist, schlechthin
für „Realismus" oder „Naturalismus" anspricht, deswegen vielleicht
billigt und triumphierend gegen den bösen Expressionismus, Kubismus,
Futurismus usw. ausspielt.
Die Kunst von Erich Fraass etwa auf diese Weise feiern, hieße ihren Cha-
rakter völlig schief sehen und die Achtung des Künstlers vor den von der
modernen Kunst durchlaufenen Phasen verkennen. Fraass hat sich gewiß
nie in äußerlichem Sinne an irgendwelche Richtungen verloren, aber ihre
ernsthaft gestellten Fragen haben sein künstlerisches Gewissen bewegt und
zur Auseinandersetzung gezwungen. Er meint, daß die in betonter und
historisch notwendiger Sonderung angeschlagenen Probleme des Kubismus
— das Körperhaft-Räumliche —, des Expressionismus — das Innerlich-
Ausdrucksvolle —, des Impressionismus — das Lichtproblem — sich im
Kunstwerk zusammenfinden und verdichten müßten, nicht in eklektizisti-
schem Sinne, sondern in natürlicher Gleichung und gestalterischer Durch-
dringung.
„Das Feuer schuf die Welt und das Licht gab ihr Form, Farbe und Raum.
Farben sind Wirkungen des Lichts und Kräfte, die das Gemüt bewegen.
Ordnend und gestaltend gibt sie der Künstler seinem Gebilde. Die Strah-
lung eines Bildes bezeugt die Erlebniskraft seines Schöpfers."
Die Ausstellung gibt einen Einblick in die einzelnen Entwicklungsstufen
des Künstlers. Für den, der Feinheiten zu unterscheiden vermag, ist es
ebenso reizvoll, dem Wechselspiel der Problemstellungen nachzugehen, wie
auch, in der Gesamtschau, aus allem Wandel die sich im Grunde immer
getreu bleibende Persönlichkeit des Malers herauszuspüren.
Die frühen Tuschzeichnungen, wie etwa „Die kranke Kuh", erfüllt
ein malerisches, fast rembrandtsches Helldunkel, und Pinsellithos,
wie der „Tiger", reißen in barock-drängendem Schwarz-Weiß aus Licht
und Schatten die Gestalten. In den gleichfalls weiter zurückliegenden
Farbstiftblättern wird mit spürbarem Impuls dem beweglichen
 
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