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Bachmann, Hermann; Galerie Henning; Galerie Henning [Contr.]
Hermann Bachmann, Halle (Saale): Ölbilder, Zeichnungen : Juni 1950 — Ausstellung zeitgenössischer Kunst, Nr. 37: Halle (Saale): Galerie Henning, 1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.72936#0010
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sieht, aber hinter allem ahnt, das von Fischen durchgeisterte,' vinetahaft
steigende Wasser in den Straßen, das Apokalyptische der dunkelnden Sonne
und der schwarzen Mondsichel, der sperrende, ohne Bauzusammenhang
klappende, helle Fensterflügel als gerüstartige Durchschneidung der Raum-
nische wirkungsvoll gegenüber dem dunklen Käfiggitter, durchstoßen vom
geschlachteten Hecht, dessen Gratenskelett als eine nicht ungefährliche Stelle
des Bildes von der Sicherheit einheitlich gespannter Form getragen wird.
Eine gedankliche Abschweifung ins Literarisch-Erzählerische findet aber nicht
mehr statt. Es ist, als wäre die horizontale Mauerschranke jenes älteren
Bildes durchbrochen, als hätte sie den dünnen; Geisterspulc des Vorder-
grundes — schräg nach vorn zerbrechend — aus dem Bilde geschoben, um
den jüngsten Tag aus der geheimnisvollen Tiefe des oberen Teiles heraus-
zulocken.
An diesem Vergleich extremer Fälle wird das Weiterschreiten des Malers in
die bewußtere Beherrschung der Formmittel und die bestimmtere Enthüllung
der eigenen Weltschau besonders deutlich. Es ist aber nicht so, daß nun
alle Bilder der neueren Zeit diese Schrillheit des Gespensterhaften suchen,
aber auch nicht so, daß eines von ihnen noch in der wehmütigen Indifferenz
der einstigen Bildwelt versponnen bleibt. Was an Themen aucli behandelt
werden mag, überall ist das vordergründig Wirkliche endgültig beiseite ge-
lassen. Die Bangigkeit des aus seinen Grenzen tretenden Menschen wird
überall fühlbar und die Maske des Dämonischen und des Magischen steht
an Stelle jener nahenden, gestaltlosen Sphäre, die eben deshalb Gegenstands-
formen und Themen nicht mehr zugänglich ist. Die Gaukler, die Zauberer,
die Maskierten und die Seiltänzer sind etwas anderes als Glieder artistischer
Verbände, sie stehen für eine Menschheit, die sich tastend in unbekanntes,
zugleich lockendes und schreckendes Neuland begibt. Die Schreiber und
ernsthaft über Büchern Sinnenden sind mehr als nur Schreibende und nur
Lesenwollende. Sie hören mit ihrem Inneren auf das Nahen des Neuen,
sie suchen seinen Sinn, sie sind Inspirierte und Propheten. Die Stilleben,
die Feld- und Strandbilder sind auf eine neue Weise mit bedeutungsvollen,
wenig trostreichen Zeichen beseht. Gegen sie gehalten, erscheinen die ent-
sprechenden Darstellungen der früheren Zeit wie leichte, nur stilisierte
Abdämpfungen des Wirklichen. Damit ist eine entschiedene Wendung zu
einer Schau gemacht, in der Sein und Wesen des Menschen in einer von
ihm selbst vorgetriebenen Welt fragwürdig geworden ist.
Diese Negation ist aber nicht Folge der furchtbaren äußeren Ereignisse, die
unser Jahrhundert erfüllen, sondern der unaufhaltsamen Entwicklung des
Geistes in außermenschliche Welten hinein, die den Sinn des Menschseins
in sich selbst aufzuheben imstande sein können, wenn nicht zur rechten
Zeit zwar keine Umkehr, aber eine Bändigung der Gefahr in neuer sinn-
voller Ordnung möglich ist. Die Ansätze dazu zeigen sich überall und nicht
zum wenigsten als feinster Reflex in der Geisterhannung der bildenden
Künstler selbst.
Wenn wir dieses Entschiedensein unseres Malers soeben fast nur aus dem
Thematischen ablasen, so ist nach so eingehender Analyse eines der bedeu-
tendsten seiner neueren Bilder zugleidi die Konsequenz der Form als
Gestaltanordnung und Farbenwahl darin eingeschlossen, die ja erst durch
ihre Festsetzung die Entfernung vom Empirisdien ermöglicht. Wenn die
 
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