§. 54. Fon den Regierungsformen. 173
erbliche Herrscher in diesem Sinne Tyrannen heissen 4) :
Gleiches aber kann in jedei’ der drei Regierungsformen
vorkommen 5), und darnach zerfallen dieselben wieder in
zwei entgegengcsezte Richtungen, in w'dchen jeder recht-
mässigen eine Ausartung oder Zwingherrschaft ent-
spricht : der Monarchie die Tyrannis, der Aristokratie
die Oligarchie, der gesetzlichen und gemässigten Demo-
kratie6) die absolute oder Ochlokratie7), wo die ärmere
Mehrzahl ihr numerisches Uebergewicht ebenso rücksichts-
los über die Minderzahl wie in der Oligarchie Geburt oder
Reichthum ihre Superiorität über die Volksmasse geltend
macht8). Charakteristisch für eine solche Ausartung ist
dann namentlich auch die Folge, dass der herrschende
Theil in sich gleichsam den Staat concentrirt 9) und die
übrigen Bürger höchstens noch des passiven Rechtschut-
zes , ja oft nicht einmal dieses mehr theilhaftig werden
lässt, wodurch sie in das Verhältniss von Unterthanen
treten, deren Wesen nach griechischem Staatsrechte
eben darin besteht, dass sie ihr Recht nicht in sich
selbst tragen, sondern von der Gnade eines Andern em-
pfangen 30) 5 die rechtmässige Verfassung dagegen gönnt
auch dem minder begünstigten Theile Rücksichten, die
ihm sey es der Verwaltungsgewalt gegenüber in der be-
rathenden n), sey es neben dieser in der verwaltenden
Sphäre eine entschädigende Mitwirkung gewähren ]2), und
selbst eine entschiedene Demokratie, wie die athenische,
beurkundet noch ihre Gesetzlichkeit wenigstens durch die
ideelle Theilung der Gewalten, welche das richtende
Volk durch den Eid von dem beratlischlagenden trenn-
te 13), obgleich sie freilich die Verwaltungsgewalt ebenso
sehr zur gänzlichen Abhängigkeit von sich herunterwür-
digte 14), als diese anderseits in der Oligarchie oder Ty-
rannis auch die berathendc ausschliesslich für sich in
Anspruch nahm.
1) Vgl. Her. III. 80 — 82; Xenoph. Μ. Socr. IV. 6. 12; Plat.
Polit. p. 291 fgg. und Republ. VIII, p. 543 E, IX, p. 583 B; Isocr.
Panath. §. 132; Aristot. Rbet. I. 8, Polilic. III. 5 fgg., Eth. Nie.
VIII. 10, Elb. Eud. VII. 9; Polyb. VI. 3-9; Cie. Republ. I. 20 —
29, Strabo I. 1. 18, p. 20; Dio Cbrysost. III, p. 43; Plutarch. de
erbliche Herrscher in diesem Sinne Tyrannen heissen 4) :
Gleiches aber kann in jedei’ der drei Regierungsformen
vorkommen 5), und darnach zerfallen dieselben wieder in
zwei entgegengcsezte Richtungen, in w'dchen jeder recht-
mässigen eine Ausartung oder Zwingherrschaft ent-
spricht : der Monarchie die Tyrannis, der Aristokratie
die Oligarchie, der gesetzlichen und gemässigten Demo-
kratie6) die absolute oder Ochlokratie7), wo die ärmere
Mehrzahl ihr numerisches Uebergewicht ebenso rücksichts-
los über die Minderzahl wie in der Oligarchie Geburt oder
Reichthum ihre Superiorität über die Volksmasse geltend
macht8). Charakteristisch für eine solche Ausartung ist
dann namentlich auch die Folge, dass der herrschende
Theil in sich gleichsam den Staat concentrirt 9) und die
übrigen Bürger höchstens noch des passiven Rechtschut-
zes , ja oft nicht einmal dieses mehr theilhaftig werden
lässt, wodurch sie in das Verhältniss von Unterthanen
treten, deren Wesen nach griechischem Staatsrechte
eben darin besteht, dass sie ihr Recht nicht in sich
selbst tragen, sondern von der Gnade eines Andern em-
pfangen 30) 5 die rechtmässige Verfassung dagegen gönnt
auch dem minder begünstigten Theile Rücksichten, die
ihm sey es der Verwaltungsgewalt gegenüber in der be-
rathenden n), sey es neben dieser in der verwaltenden
Sphäre eine entschädigende Mitwirkung gewähren ]2), und
selbst eine entschiedene Demokratie, wie die athenische,
beurkundet noch ihre Gesetzlichkeit wenigstens durch die
ideelle Theilung der Gewalten, welche das richtende
Volk durch den Eid von dem beratlischlagenden trenn-
te 13), obgleich sie freilich die Verwaltungsgewalt ebenso
sehr zur gänzlichen Abhängigkeit von sich herunterwür-
digte 14), als diese anderseits in der Oligarchie oder Ty-
rannis auch die berathendc ausschliesslich für sich in
Anspruch nahm.
1) Vgl. Her. III. 80 — 82; Xenoph. Μ. Socr. IV. 6. 12; Plat.
Polit. p. 291 fgg. und Republ. VIII, p. 543 E, IX, p. 583 B; Isocr.
Panath. §. 132; Aristot. Rbet. I. 8, Polilic. III. 5 fgg., Eth. Nie.
VIII. 10, Elb. Eud. VII. 9; Polyb. VI. 3-9; Cie. Republ. I. 20 —
29, Strabo I. 1. 18, p. 20; Dio Cbrysost. III, p. 43; Plutarch. de