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Dragendorff, Hans [Hrsg.]; Hiller von Gaertringen, Friedrich [Hrsg.]
Thera: Untersuchungen, Vermessungen und Ausgrabungen in den Jahren 1895 - 1902 (Band 2): Theraeische Gräber — Berlin, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1146#0294
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28o

VI. Kapitel. Die Felsnekropolen

urnen aufnehmen; daran die Tafel, welche den Namen des Verstorbenen nennt. In Thera
der stufenförmig aufsteigende Fels mit den gleichen Einarbeitungen, neben denen die kleinen
Grabstelen standen. Ein wichtiger Unterschied aber ist vorhanden. Jene Columbarien sind
von Genossenschaften oder von Unternehmern errichtet, und ihre Benutzung haben demnach
die Mitglieder der betreffenden Genossenschaft oder solche, die das Recht käuflich erwerben.
Und die in ihnen Beigesetzten gehören den untersten Ständen an, die so einen Ersatz für
ein eigenes Begräbnis finden. Was hier, zunächst durch praktische Rücksichten hervorgerufen,
sich anbahnt, der Uebergang vom Familiengrab zum Gemeindefriedhof, ist dann durchgeführt
in den christlichen Katakomben26). Aehnliches bei den Gräbern in Thera vorauszusetzen,
scheint mir nicht statthaft. Trotz der einheitlichen Anlage, welche auf den ersten Blick die
ausgedehnten Gräberreihen der Plagades machen, tritt der altem griechischem Brauch ent-
sprechende familienhafte Charakter der Begräbnisstätten doch noch deutlich hervor. Dabei
geht man am besten von den Nischen der Echendra aus, bei denen man von vornherein
nicht bezweifeln wird, daß sie Familiengräber sind. Sie sind nicht, wie die Columbarien,
nach einem einheitlichen, von Anfang an feststehenden Plane eingerichtet, sondern allmählich,
je nachdem sich das Bedürfnis ergab, vergrößert. Ein Begüterter ließ eine solche Nische
herrichten. Seine Angehörigen wurden dann neben ihm im Innern derselben beigesetzt. Als
dort der Raum gefüllt war, senkte man in den Boden vor der Nische ebenfalls Aschengefäße
und Leichname hinein, und endlich füllte man auch die unter der Nische befindliche Stufe mit
Gräbern. Besonders deutlich sieht man das an den Gräbern Abb. 467 und 46g. Auch bei der
Doppelnische Abb. 470 wurde schon hervorgehoben, daß sie keineswegs von Anfang an in
dieser Weise geplant war, sondern daß die linke Nische an die schon bestehende rechte
angesetzt wurde. Beweist das einerseits, daß ursprüng'lich bloß eine Nische geplant war, so
spricht andererseits die enge Verbindung der beiden, ihre förmliche Verschmelzung dafür, daß
die beiden Gräber zusammengehören27).

Wie diese Grabstätten durch einen architektonischen Rahmen ihren geschlossenen
Charakter erhalten, so andere durch ihre Page. Vor allem die kleinen Gruppen, die auf dem
Grat der Seilada und am Wege nach der Zoodochos zum Teil auf vereinzelten Felsblöcken
liegen. Auch hier ist von einer planmäßigen Anlage nicht die Rede. Der eine hat sich diese,
der andere jene Stelle ausgesucht, und seine Angehörigen und Nachkommen ließen ihre Urne
daneben setzen. Aber auch die große Masse der Grabstätten in den Plagades löst sich bei
genauerem Zusehen in lauter einzelne Gruppen auf, bald kleinere, bald größere, von denen
manche auch deutliche Spuren allmählichen Wachsens tragen. Ein wirklich einheitlich durch-
geführter Plan ist auch hier nicht vorhanden.

M) Schultze Katakomben 23.

") Eine gute Parallele, auf die Hiller auch aufmerksam
macht, bieten die parischen Sarkophage, in denen
nacheinander mehrere Beisetzungen stattfanden.
Bei jeder Beisetzung wurde eine neue Inschrift
oder auch ein neues Relief zu den schon vor-
handenen hinzugefügt. Auch sie gehören übrigens

ins I. vor- bis I. nachchristliche Jahrhundert. Ver-
wandtschaftliche Beziehungen zwischen den in
einem Sarkophage Beigesetzten sind in mehreren
Fällen gesichert, und irgend welche nähere Be-
ziehungen werden wohl in jedem Falle voraus-
gesetzt werden müssen. Vergl. Löwy Arch. epigr.
Mitth. XI 176 ff.
 
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