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Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

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https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0184
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— l62 —

unter dem Gebälke nicht motivirt scheinen, daher ich solche Denkmäler in dieser Hinsicht
nicht als Muster betrachte, die man nachahmen soll.

Wird das ganze Gebälke weder durch eine Säulen- noch durch eine Pilasterordnung moti-
virt, so erscheint statt dessen zur Beendigung des obern Theiles des Stockwerkes nur ein Gurt-
oder Traufgesimse: und dieses bald höher bald niedriger, bald mehr bald weniger vorspringend,
bald mehr bald weniger verziert, nachdem der Charakter des Baues und die Entfernung vom
Auge es erfordert. Diese Gesimse sind von derselben Gestaltung und Verschiedenheit, wie
die Haupt- oder Kranzgesimse an den verschiedenen Säulenordnungen. Hat das Gebäude
mehrere Stockwerke, so wird das Gurtgesimse über jedem angebracht, doch ohne Rinnlei-
sten, welcher nur dem Traufgesimse unier der Dachung zukommt. Ferner ist zu beobach-
ten, dafs das Gesimse des zweyten Stockes über, das des ersten vorspringe, und so das des
dritten Stockes über das des zweyten. Dies geschieht deswegen, damit diese Gurtgesimse
sich theils des Regens wegen einander decken, theils aus optischen Gründen, vermöge wel-
cher das, was entfernter vom Auge zu stehen kommt, immer stärker gehalten werden mufs,
Wenn es dem Auge nicht kleinlich, flach und mager erscheinen soll.

Von dem Anwürfe, der Bekleidung und der Auszierung der Wände und Mauern wer-
den wir in einem besondern Abschnitte handeln.

II

Fünfzehnter Abschnitt.

Von den Bogen und Wölbungen.

§. 1. Es giebt zwey Arten die Zwischenweiten und die innern Räume eines Baues zu
überdecken, die wagerechte, und die gebogene. Von der Construction der Ueberlagen in
Holz so wohl in der einen, als in der andern Art haben wir bereits das Wesentliche im
sechsten Abschnitte abgehandelt. Aber so wie in Holz die wagerechten Ueberlagen und Decken
die gewöhnlichen sind, und die Bogenconstruction nur in seltenen Fällen anwendbar ist und
vorkommt; so verhält es sich mit den Ueberdeckungen in Stein gerade umgekehrt. In Stein
lassen sich nur Zwischenweiten und Räume von geringer Spannung mit steinernen Balken
wagerecht überlegen. Die Kunst mufste sich also mit neuen Erfindungen bereichern, wenn
sie bey Ueberdeckungen im Steinmaterial jene bequeme und freye Räumlichkeit im Innern
bewirken sollte, welche bis dahin blofs in Holz darzustellen möglich war. Auch gelang es
dem unermüdeten Nachdenken und Versuchen die hiezu erforderlichen Entdeckungen zu
machen; aber spät. Durch die Erfindung des Steinschnittes stellte die Kunst die kühnsten
und dauerhaftesten Ueberlagen dar; und auf die erprobte Güte des Mörtels sich verlassend,
gelang es ihr aus kleinen und schwachen Bruchsteinen solche weitgespannte Bogendecken zu
bilden, wie sie der gewagteste Holzbau kaum hervorzubringen vermag.

Nach der Entdeckung der bindenden Kraft des Kalkmörtels war die des Wölbens die
wichtigste für den Steinbau, welche die Kunst machte. Nur durch diese beiden konnte sie
zu jener Vollkommenheit gelangen, welche so manchen der schönsten und erhabensten Denk-
maler lange Jahrhunderte zerstörender Barbarey hindurch Erhaltung und Bestand zusicherte.

Wann und wie die wichtige Erfindung der Bogenconstruction überhaupt, und des Stein-
schnittes ins besondere gemacht wurde, wissen wir nicht. .Wir haben indessen im sechsten
Abschnitt gezeigt, dafs wahrscheinlich der Holzbau auch in der Bogenconstruction dem Stein-
bau voranging, wie dies schon aus den Gerüstbogen hervorgeht, welche man aus Holz ver-
fertigen mufs, wenn man einen Bogen, oder ein Gewölbe in Steinmaterial aufführen will-
Auch sieht man aus Vitruv (7, 3.), und Palladius (1, 13.), dafs Holzgewölbe bey manchen
 
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