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Kritiken.
Altieris, der als Sekretär des englischen. Gesandten zn Venedig an
den Hof Johann Friedrichs von Sachsen und Philipps von Hessen
kam, mit Luther im Namen der „Brüder“ von Venedig, Vicenza und
Treviso eifrig korrespondierte (1542-—1544) und noch kurz vor dem
Ausbruch des schmalkaldischen Krieges mit ganzer Seele für den
vielversprechenden Gedanken eintrat, ein Bündnis zwischen Venedig
und den protestantischen Fürsten Deutschlands zu vermitteln. Die
weitaus grösste Bedeutung aber kommt dem Lebensbild Pier Paolo
Vergerios zu, des Bischofs von Capo dTstria, der sich als Gelehrter,
Diplomat und Kirchenfürst in hervorragender Weise ausgezeichnet
hat. In den Wandlungen und Kämpfen seines vielbewegten, an
Kontrasten reichen Lebens spiegelt sich die Geschichte seiner Zeit
wie in einem Mikrokosmos wieder. Die Entwickelung des merk-
würdigen Mannes gewährt einen tiefen Einblick in die eigentümlichen
Bedingungen, welche die italienische Reformbewegung gefördert und
ihr Gelingen zuletzt verhindert haben. Wenige so komplizierte und
schwer verständliche Charaktere hat die italienische Renaissance hervor-
gebracht. Aus den Reihen der überzeugten katholischen Reaktionäre
trat Vergerio allmählich in das Lager des deutschen Protestantismus
über und bekämpfte als Verbannter am Hofe Christophs von Würtem-
berg die Kurie mit der ganzen Schärfe seiner wohlgeübten Feder.
Hass gegen das Papsttum und glühender Patriotismus bildeten bis
zum Tode die Grundstimmung seiner Seele. Die volkstümliche, der
Schreibweise Pietro Aretinos entlehnte Art seiner publizistischen
Thätigkeit stempelte ihn zu einem der frühesten Vertreter des mo-
dernen Journalismus. Diesem eigenartigen Protestanten Venedigs
schliessen sich in Combas Darstellung die Biographieen Tizianos,
Francesco della Segas, Giulio Gherlandis, Antonio Rizzettos, Fedele
Vigos an, fünf Anhänger des Anabaptismus und antitrinitarischer
Lehren, welche um die Mitte des 16. Jahrhunderts im Gebiete Venedigs
Eingang fanden und eine verhängnisvolle Spaltung in der evangelischen
Bewegung erzeugten. Auch sie bieten der venetianiseben Reformations-
geschichte erwünschte Bereicherung. Dagegen wäre ein ausführliches
Lebensbild des Mattia Vlacich (Flacius) in diesem Rahmen entbehrlich
gewesen, da Flacius, Kroate von Geburt, zwar während eines Aufent-
haltes in Venedig von seinem Oheim Baldo Lupetino auf die Be-
deutung der deutschen Reformatoren hingewiesen wurde, aber die
entscheidenden Eindrücke, welche ihn später zum eifrigen Lutheraner
machten, in Basel erhielt und seitdem ausserhalb der Grenzen Italiens
lebte und wirkte.
Die Darstellung Combas beruht zum grossen Teil auf den
Prozessakten der Inquisitionstribunale, Manuskripten wie Druckwerken
Kritiken.
Altieris, der als Sekretär des englischen. Gesandten zn Venedig an
den Hof Johann Friedrichs von Sachsen und Philipps von Hessen
kam, mit Luther im Namen der „Brüder“ von Venedig, Vicenza und
Treviso eifrig korrespondierte (1542-—1544) und noch kurz vor dem
Ausbruch des schmalkaldischen Krieges mit ganzer Seele für den
vielversprechenden Gedanken eintrat, ein Bündnis zwischen Venedig
und den protestantischen Fürsten Deutschlands zu vermitteln. Die
weitaus grösste Bedeutung aber kommt dem Lebensbild Pier Paolo
Vergerios zu, des Bischofs von Capo dTstria, der sich als Gelehrter,
Diplomat und Kirchenfürst in hervorragender Weise ausgezeichnet
hat. In den Wandlungen und Kämpfen seines vielbewegten, an
Kontrasten reichen Lebens spiegelt sich die Geschichte seiner Zeit
wie in einem Mikrokosmos wieder. Die Entwickelung des merk-
würdigen Mannes gewährt einen tiefen Einblick in die eigentümlichen
Bedingungen, welche die italienische Reformbewegung gefördert und
ihr Gelingen zuletzt verhindert haben. Wenige so komplizierte und
schwer verständliche Charaktere hat die italienische Renaissance hervor-
gebracht. Aus den Reihen der überzeugten katholischen Reaktionäre
trat Vergerio allmählich in das Lager des deutschen Protestantismus
über und bekämpfte als Verbannter am Hofe Christophs von Würtem-
berg die Kurie mit der ganzen Schärfe seiner wohlgeübten Feder.
Hass gegen das Papsttum und glühender Patriotismus bildeten bis
zum Tode die Grundstimmung seiner Seele. Die volkstümliche, der
Schreibweise Pietro Aretinos entlehnte Art seiner publizistischen
Thätigkeit stempelte ihn zu einem der frühesten Vertreter des mo-
dernen Journalismus. Diesem eigenartigen Protestanten Venedigs
schliessen sich in Combas Darstellung die Biographieen Tizianos,
Francesco della Segas, Giulio Gherlandis, Antonio Rizzettos, Fedele
Vigos an, fünf Anhänger des Anabaptismus und antitrinitarischer
Lehren, welche um die Mitte des 16. Jahrhunderts im Gebiete Venedigs
Eingang fanden und eine verhängnisvolle Spaltung in der evangelischen
Bewegung erzeugten. Auch sie bieten der venetianiseben Reformations-
geschichte erwünschte Bereicherung. Dagegen wäre ein ausführliches
Lebensbild des Mattia Vlacich (Flacius) in diesem Rahmen entbehrlich
gewesen, da Flacius, Kroate von Geburt, zwar während eines Aufent-
haltes in Venedig von seinem Oheim Baldo Lupetino auf die Be-
deutung der deutschen Reformatoren hingewiesen wurde, aber die
entscheidenden Eindrücke, welche ihn später zum eifrigen Lutheraner
machten, in Basel erhielt und seitdem ausserhalb der Grenzen Italiens
lebte und wirkte.
Die Darstellung Combas beruht zum grossen Teil auf den
Prozessakten der Inquisitionstribunale, Manuskripten wie Druckwerken