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Historische Vierteljahrsschrift — 3.1900

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Nachrichten und Notizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.60745#0312
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296

Nachrichten und Notizen.

In der That sind die Momente, die auf eine Veränderung der Ortsfluren
einwirkten, so mannigfach und nachhaltig, dass eine Missachtung ihres,
kräftigen Einflusses zu Irrtum über Irrtum führt. Wenn wir z. B. erfahren,,
dass von 1832—1861 in Hannover ca. 400 744 ha Landes der Generalteilung
unterzogen wurden [d. s. 407 % qcm auf den Grundkarten], so können wir
uns annähernd eine Vorstellung vom Umfang der Grenzverschiebungen
machen.
Und dann die neuen Gemeindeordnungen! Sie haben wohl die alten
Ortsbezirke benutzt, aber eben doch in den verschiedenen Landstrichen sehr
verschieden benutzt: hier wurden mehrere Bauernschaften zusammengethan,
dort grössere ältere Verbände geteilt, hier dem Kirchspiel, dort der älteren
Dorfschaft der Vorzug gegeben, überall aber ward Eingemeindung der
noch keiner Ortschaft zugewiesenen Landstriche begehrt. Und das letztere
war sehr bedeutend. Eine Schätzung dessen, was noch am Anfang unseres
Jahrhunderts nicht eingemeindet war, würde natürlich für die verschiedenen
Territorien zu recht abweichenden Ergebnissen führen. Jedenfalls dürfen
wir annehmen, dass ein grosser Teil der Gesamtbodenfläche Deutschlands
am Anfang unseres Jahrhunderts noch nicht eingemeindet war. Und nun
stelle man sich vor, wie sehr durch Eintritt dieser weiten Gebiete in die
Gemeindegemarkungen die Grenzen der Ortsfluren verschoben werden mussten.
In der fliessenden Entwickelung der Ortsbezirke wird vom „Grund-
kartenforscher“ ein Punkt willkürlich festgehalten und dabei grundsätzlich
unbeachtet gelassen, dass vorher und nachher stete Bewegung geherrscht
habe. Hier liegt der verhängnisvolle Irrtum.
Man nehme einmal eine Grundkarte zur Hand, etwa Sekt. Chemnitz,
(obschon gerade die Verhältnisse im Königreich Sachsen sehr stabil waren)
und betrachte die zahlreichen mit grösster Sorgfalt gezogenen roten Linien
der Grundsteuerbezirke. Da findet man Gemarkungen von sehr verschiedener
Grösse: Dorffluren im Umfang von vielen Hunderten ha, daneben kleine
Marken von unter 100, ja unter 10 ha. Da sehen wir, dass die Dorffluren
nicht immer eine geschlossene Einheit bilden, dass ferner die Gebiete der
selbständigen Güter teils mit den Dorffluren in einem Grundsteuerbezirk
vereint, teils als Sondergebiet erscheinen — je nach den Verwaltungs-
bedürfnissen, die bei Ordnung dieser Verhältnisse (Gesetz von 1843) mass-
gebend waren. Da sehen wir, dass sich zwischen den Grundsteuerbezirken,
welche Dorf- und Gutsfluren umfassen, die bald grösseren, bald kleineren Ge-
markungen der Kammergüter und der Staatsforsten hinziehen, besonders
letztere reich parzelliert, mitunter im Umfang von weniger als 10 ha — offen-
bar die Ueberreste der noch am Anfang unseres Jahrhunderts grossen Staats-
wälder oder die bescheidenen Anfänge von neuen Staatsforstbezirken. Und
solche Gemarkungen, die überall die bedeutsamen Veränderungen der
letzten Jahrhunderte zeigen, sollen ohne weiteres als Gerippe historischer
Kartenbilder verwendet werden? Man vergleiche z. B. die Angaben über
den Forstbesitz des Klosters Chemnitz (Cod. dipl. Sax. II. 6 p. 464), das
Mitte des 16. Jahrhunderts an den Staat kam, man vergleiche diese An-
gaben des 16. Jahrhunderts, die mit Hilfe der Generalstabskarten und
Messtischblätter kartographisch zu fixieren sind, mit den Gemarkungslinien
 
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