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DER SCHRITT VOM KUNSTGEWERBE ZUR ARCHITEKTUR
DÄRMSTADT HERBST 1899 BIS FRÜHJAHR 1903
Tönend wird für Geittesohren
Schon der neue Tag geboren.
Fault 11.
1. DIE DARMSTÄDTER KÜNSTLERKOLONIE, ein großes Ateliergebäude für fie zu errichten,
Der in allgemeinen Zügen gefchilderten, mo- um das (ich dann, als dem intellektuellen und
dernen kunstgewerblichen und architektonischen produktiven Zentrum, die KünStler ihre eigenen
Bewegung war unter den deutlichen Fürften in Häufer, «Heimstätten für Menfchen» von mo-
dern jungen Großherzog von Helfen, Ernft dernem und fchönheitsbegeiftertem Sinne, auf-
Ludwig, ein begeifterter und verftändnisvoller zubauen und auszufchmücken hätten. Alles das
Gönner erftanden, der, fchon kurz nach feinem follte in einem der nächften Sommer der breiteften
Regierungsantritt, fieh vornahm, diefen En- Öffentlichkeit zugängig gemacht werden und als
thufiasmus in größerem Umfange zu betätigen. eigenartigeAusftellungdeskünftlerilchenSchaffens
Von England, deffen kunstgewerblicher Ruf Mitte und Strebens der Darmftädter Sieben ein «Do-
der neunziger jähre immer mehr in Deutfchland kument deutfcher Kunft» in der Gefchichte der
zunahm, angeregt, ließ er fich zuerft moderne deutfchen Stilbewegung und des modernen guten
Zimmereinrichtungen von den bekannten eng- Gewerbes darstellen.
lifchen Architekten und GewerbekünftlernR.Baillie 2. DAS DOKUMENT DEUTSCHER KUNST
Scott und C. R. Ashbee für das neue Palais in VON 1901. Die parkartige Mathildenhöhe im
Darmftadt anfertigen. Sein dortiges Arbeits- Nordosten Darmltadts war für diefe Architektur-
kabinett übertrug er aber bereits einem Führer gruppe auserfehen. Olbrich entwarf für das
des deutfchen Kunsthandwerks, Otto Eckmann, äußerft günstig, in übersichtlicher Terraffe ab-
dem Freunde von Peter Behrens. Weittragen- fallende Baugelände einen recht gefchickten
der, vor allem auch in ihrer Bedeutung für die Lageplan, indem er aufden Kamm das in gelagerter
Entwicklung der ganzen modernen Bewegung, Horizontale den Platj beherrfchende Atelier-
war die Gründung einer Künstlerkolonie in gebäude hinlegte, zu dem dann die verfchiedenen
Darmftadt, offenbar auch angeregt durch Ideen Villen, die eine freie Mitte fäumten, konvergierten,
aus dem Ruskinkreife. Ihre Aufgabe follte aus- Olbrich baute eigentlich alles, die Villen der
fchließlich in den dekorativen und angewandten einzelnen Künstler, die fie fich dann teilweife nur
Künften bestehen. Im Anfang waren es nur felbft noch dekorieren durften, die paar für die
fünf Künstler, die Maler und Zeichner Hans Ausstellung zu errichtenden Bauten, wie das Haus
Chriftianfen und Paul Bürck, die Plaltiker Rudolf für Flächenksinft, das Theater, die verfchiedenen
Boffelt und Ludwig Habich, der Innendekorateur Kioske und das Repräfentationsportal mit der
Patriz Huber, zu denen dann noch im Herbft 1899 Umzäunung, und Schmückte und ordnete felbft-
der Architekt jofef M. Olbrich, ein Wiener und herrlich alles an, was den Ausstellungsgarten
Schüler Otto Wagners, und auch Peter Behrens betraf, fodaß es wohl auffallen mußte, als
hinzutraten, alle durch den Großherzog perfönlich Behrens plö^lich mit feinem Entfchluß auftrat,
berufen. er wolle fein Haus vom Keller bis zum First Selber
Die vorläufigen Atelierräume der jungen Gruppe und allein bauen, er, der eigentlich doch immer
lagen in dem lauSchigen Prinz Georg-Palais, noch Maler, bisher nichts weiter als bestenfalls
einem entzückenden Barockpavillon des Darm- Kunltgewerbe geSchaffen hatte, während doch
Städter Herrengartens, und hier wurde auch unter Olbrich Architekt von Haufe aus war, der bereits
der Leitung Olbrichs eine gemeinfame Sonder- auch auf eine in Wien fchon recht bekannte Bau-
ausstellung der Künftlerkolonie für die Parifer tätigkeit zurückblicken konnte. Und doch bedeu-
WeltausStellung 1900 noch in Eile vorbereitet, tete dieSer EntSchluß nicht nur für Behrens' indi-
an der fich aber Behrens nicht mehr beteiligte. viduelle Entwicklung einen gewaltigen Fortlchritt,
Gleich von Anfang an hatte der Großherzog Sondern es zeigte fich für alle Ernfthafteren im
den von ihm berufenen Künstlern versprochen, Verlaufe der Ausstellung, daß diefes Behrens-
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DER SCHRITT VOM KUNSTGEWERBE ZUR ARCHITEKTUR
DÄRMSTADT HERBST 1899 BIS FRÜHJAHR 1903
Tönend wird für Geittesohren
Schon der neue Tag geboren.
Fault 11.
1. DIE DARMSTÄDTER KÜNSTLERKOLONIE, ein großes Ateliergebäude für fie zu errichten,
Der in allgemeinen Zügen gefchilderten, mo- um das (ich dann, als dem intellektuellen und
dernen kunstgewerblichen und architektonischen produktiven Zentrum, die KünStler ihre eigenen
Bewegung war unter den deutlichen Fürften in Häufer, «Heimstätten für Menfchen» von mo-
dern jungen Großherzog von Helfen, Ernft dernem und fchönheitsbegeiftertem Sinne, auf-
Ludwig, ein begeifterter und verftändnisvoller zubauen und auszufchmücken hätten. Alles das
Gönner erftanden, der, fchon kurz nach feinem follte in einem der nächften Sommer der breiteften
Regierungsantritt, fieh vornahm, diefen En- Öffentlichkeit zugängig gemacht werden und als
thufiasmus in größerem Umfange zu betätigen. eigenartigeAusftellungdeskünftlerilchenSchaffens
Von England, deffen kunstgewerblicher Ruf Mitte und Strebens der Darmftädter Sieben ein «Do-
der neunziger jähre immer mehr in Deutfchland kument deutfcher Kunft» in der Gefchichte der
zunahm, angeregt, ließ er fich zuerft moderne deutfchen Stilbewegung und des modernen guten
Zimmereinrichtungen von den bekannten eng- Gewerbes darstellen.
lifchen Architekten und GewerbekünftlernR.Baillie 2. DAS DOKUMENT DEUTSCHER KUNST
Scott und C. R. Ashbee für das neue Palais in VON 1901. Die parkartige Mathildenhöhe im
Darmftadt anfertigen. Sein dortiges Arbeits- Nordosten Darmltadts war für diefe Architektur-
kabinett übertrug er aber bereits einem Führer gruppe auserfehen. Olbrich entwarf für das
des deutfchen Kunsthandwerks, Otto Eckmann, äußerft günstig, in übersichtlicher Terraffe ab-
dem Freunde von Peter Behrens. Weittragen- fallende Baugelände einen recht gefchickten
der, vor allem auch in ihrer Bedeutung für die Lageplan, indem er aufden Kamm das in gelagerter
Entwicklung der ganzen modernen Bewegung, Horizontale den Platj beherrfchende Atelier-
war die Gründung einer Künstlerkolonie in gebäude hinlegte, zu dem dann die verfchiedenen
Darmftadt, offenbar auch angeregt durch Ideen Villen, die eine freie Mitte fäumten, konvergierten,
aus dem Ruskinkreife. Ihre Aufgabe follte aus- Olbrich baute eigentlich alles, die Villen der
fchließlich in den dekorativen und angewandten einzelnen Künstler, die fie fich dann teilweife nur
Künften bestehen. Im Anfang waren es nur felbft noch dekorieren durften, die paar für die
fünf Künstler, die Maler und Zeichner Hans Ausstellung zu errichtenden Bauten, wie das Haus
Chriftianfen und Paul Bürck, die Plaltiker Rudolf für Flächenksinft, das Theater, die verfchiedenen
Boffelt und Ludwig Habich, der Innendekorateur Kioske und das Repräfentationsportal mit der
Patriz Huber, zu denen dann noch im Herbft 1899 Umzäunung, und Schmückte und ordnete felbft-
der Architekt jofef M. Olbrich, ein Wiener und herrlich alles an, was den Ausstellungsgarten
Schüler Otto Wagners, und auch Peter Behrens betraf, fodaß es wohl auffallen mußte, als
hinzutraten, alle durch den Großherzog perfönlich Behrens plö^lich mit feinem Entfchluß auftrat,
berufen. er wolle fein Haus vom Keller bis zum First Selber
Die vorläufigen Atelierräume der jungen Gruppe und allein bauen, er, der eigentlich doch immer
lagen in dem lauSchigen Prinz Georg-Palais, noch Maler, bisher nichts weiter als bestenfalls
einem entzückenden Barockpavillon des Darm- Kunltgewerbe geSchaffen hatte, während doch
Städter Herrengartens, und hier wurde auch unter Olbrich Architekt von Haufe aus war, der bereits
der Leitung Olbrichs eine gemeinfame Sonder- auch auf eine in Wien fchon recht bekannte Bau-
ausstellung der Künftlerkolonie für die Parifer tätigkeit zurückblicken konnte. Und doch bedeu-
WeltausStellung 1900 noch in Eile vorbereitet, tete dieSer EntSchluß nicht nur für Behrens' indi-
an der fich aber Behrens nicht mehr beteiligte. viduelle Entwicklung einen gewaltigen Fortlchritt,
Gleich von Anfang an hatte der Großherzog Sondern es zeigte fich für alle Ernfthafteren im
den von ihm berufenen Künstlern versprochen, Verlaufe der Ausstellung, daß diefes Behrens-
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