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dem Geiſtigen zu fügen, wird nur von ihm aus begriffen, nein, nicht abend-
ländiſch begriffen, wird vielmehr erſchaut, offenbart, innerlich erlebt! Ser Spiri-
tualismus iſt ſo alt wie das Worgenland und von vornherein eminent moniſtiſch.
Ein Monismus, der ſchließlich auch dem geiſtigen Monotheismus des Juden-
tums und des Iſlam innewohnt, wie Ormuz und Ariman nur zwei Pole dieſes
Geiſtigen ſind, nie gleich Materie und Geiſt. Die neuplatoniſche Philoſophie,
Plotins Emanationslehre !) ſind nichts anderes als die Verſöhnung des plato-
niſchen Dualismus von Ideenwelt und Wirklichkeit durch morgenländiſche Ge-
ſinnung, Aberwindung des Dualismus durch den Monismus des Geiſtes. Der
1 5 des Evangeliums S. Johannis muß heißen: „Am Anfang war der
eiſt!“

Freilich mit dem heutigen Schlagwort Monismus hat dieſer orientaliſche
Monismus nichts zu tun.

Die Geſte des morgenländiſchen Spiritualismus iſt aber zugleich voll eines
höchſten Realismus. Das zeigen wiederum die Glaubenslehren von Moſes und
Mohammed, das zeigen alle großen Architekturſchöpfungen des Orients, vorab
die Pyramiden. Es iſt jener Realismus (und auch Objektivismus), der aller
echten Myſtik zu Grunde liegt. )

Fragen wir: Wie überwindet der orientaliſche Architekturgeiſt die Materie,
den Stein, die bare Maſſenform und klotzige Tektonik, wie kommen ſchließlich im
Raumbau letzte geiſtige Effekte zuſtande (jenes magiſche Raumgefühl, von dem
Spengler immer redet), die Pyramide gibt die erſte Antwort. Die Wittel ſind
oft wiederum höchſt realiſtiſch und im Grunde ſo frappierend einfach.

Agyptern und Babyloniern iſt es im wahrſten Sinne des Wortes gelungen,
dem „Kubiſchen das Quälende“ zu nehmen.). Das Wirkſame der ägyptiſchen
Königsgräber iſt die reine Dreiecksfläche. So faßte ſie der Agypter auf. Der
Europäer ſah immer nur die reine kubiſche Quantität. Die Waſſe iſt über-
wunden, gebändigt durch das optiſche Erlebnis jener Fläche. Nicht nur das,
auch der Stein iſt ſeiner materiellen Exiſtenz, ſeiner kriſtalliniſchen Struktur
entkleidet. Die ganze Pyramide vom Fuß bis zur Spitze erſchien in originalem,
unzerſtörtem und unverwittertem Zuſtande wie eine einzige gleißende und glit-
zernde ſpiegelglatte Fläche im vollen Licht der heißen Sonne über der Wüſte —
und zu allem Orientaliſchen gehört immer Sonne. Der ganze Effect wird erreicht
durch das einfache Wittel der Polierung der Granit⸗ und Kalkſteinplatten. Stoß-
und Lagerfugen ſind garnicht erkennbar. Es ſind alles Zeichen eines diametralen
Gegenſatzes zum Körperlich-Greifbaren: die abſolut untaktiſche Wand.

Fernſicht oder Nahſicht gelten gleichviel. Auch bei Nahſicht wurde nur das
Flächenhafte dem Auge zum Erlebnis. Darauf war die ganze Anlage zuge-
ſchnitten, wie ſie uns jetzt durch die Ausgrabungen wieder deutlich geworden iſt.

Fernſicht war gegeben für den Ankömmling, der mit der Barke auf dem Nil
herannahte und an der Kaimauer des Torbaues im Tale anlegte. Der Beſucher
(etwa die Totenprozeſſion) verſchwand im Inneren des Torbaues, ſtieg den langen
überdeckten Gang herauf, wo von der Pyramide nichts zu ſehen war. Erſt im Pfei-

Abb. 1—3

Abb. 3
 
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