Abb. 72
Abb. 53
Abb.
91—93
waren. Das ewige Schweigen des Morgenlandes iſt verbannt, ein erſtes Klingen
und Singen der Kurven hebt an von einer Apſis in die andere zwiſchen den
Säulen durch in die Umgänge und zurück in ewiger Wiederkehr. Und eben dieſe
Bewegung war in keinem Bauwerke vorher dageweſen und blieb vorerſt auch noch
zantiniſchen Einflüſſen über die Alpen kam, wurde zwar entorientaliſiert, die
lapidare Monumentalität aber zwang den Raum immer noch zur Ruhe, zu einer
unorientaliſchen, weil ungeiſtigen, nur kubiſchen Ruhe. Darin bleibt das Ok-
togon der Aachener Pfalzkapelle, bleiben die Werke von Centula, Germigny des
Pres, Werden uſw. den Vertretern des ſpäteren architektoniſchen Ruheſtils in
Périgueux, Speyer uſw. gleich.
Der kleine Bau der Paderborner Bartholomäuskapelle (1018) wahrt an ſich
noch die Raumruhe einer byzantiniſchen Kreuzkuppelkirche, dafür ſorgten die ope-
rarii graeci. Deutſche Augen aber mögen trotz der Byzantiner auch hier die Be-
wegung des Raumes um die Säulen wahrgenommen haben. Vielleicht iſt es
als eine Konzeſſion an deutſchen Geſchmack anzuſehen, daß über dem Wittel-
joch der Tambour durch eine einfache Stutzkuppel gleich den Wölbeeinheiten der
anderen Joche erſetzt wurde. Wir hätten dann einen ähnlichen Vorgang feſt-
zuſtellen, wie er ſich ſpäter wiederholt, indem deutſche Architekten des 18. Jahr-
Abb.
86 und 87
Abb.
88 —90
Abb. 98
Abb.
94 und 95
ſchema) als undeutſch grundſätzlich ablehnen, was hier wie in der Bartholomäus-
kapelle der Einheit des Raumes und damit der Wöglichkeit einer freien Be-
wegung zugute kommt.
Hinter S. Marien im Kapitol kommt lange garnichts. Ihr Meiſter ſteht mit
ſeinem Raumbarock zeitlich vereinzelt, weil verfrüht wie die wahren Protorenaiſ-
ſanciſten Niccolo Piſano und Giotto im „orientaliſchen Italien“. In Köln hebt es
erſt wieder an mit dem Kleeblattchor von S. Apoſteln, wiederum dem Reſultat
einer Auseinanderſetzung mit dem Byzantiniſchen. Jetzt ſind alle Möglichkeiten
geöffnet am Niederrhein, wo immer ſonſt noch weiträumige mehrconchige Anlagen
gebaut werden. Das Dekagon von S. Gereon, ſo ſehr es auch auf alten Fun-
damenten ruhen mag, iſt der erſte ellipſoide Raum in Deutſchland und von ent-
ſprechender Bewegtheit erfüllt, von derſelben Erregung, die in die Lineamente
der Walereien in der Taufkapelle desſelben Baues gefahren iſt.
In Limburg a. d. Lahn hat der Hochſchiffraum ſicherlich eine gotiſche Enge
und Steilheit, alles in allem aber bleibt zwiſchen Seitenſchiffen, Emporen, Quer-
ſchiff und Chor noch genug Platz für die Rotation. Was hier verhalten und ge-
mäßigt bleiben muß, kann ſich vollends auswirken in dem merkwürdigen Poly-
gonalraum der kleinen Matthiaskapelle zu Kobern. Wan fühlt es hier förmlich
unter dem rippenbeſetzten ſteigenden Ninggewölbe hinſchießen und zwiſchen den
Säulen durch voltigieren. Alles iſt im kurvigen Schwung. Und dann kommen
alle die Großbauten mit ihren weiten Chorapſiden, von denen beſonders zu
reden ſich erübrigt. e F
— 08 —
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waren. Das ewige Schweigen des Morgenlandes iſt verbannt, ein erſtes Klingen
und Singen der Kurven hebt an von einer Apſis in die andere zwiſchen den
Säulen durch in die Umgänge und zurück in ewiger Wiederkehr. Und eben dieſe
Bewegung war in keinem Bauwerke vorher dageweſen und blieb vorerſt auch noch
zantiniſchen Einflüſſen über die Alpen kam, wurde zwar entorientaliſiert, die
lapidare Monumentalität aber zwang den Raum immer noch zur Ruhe, zu einer
unorientaliſchen, weil ungeiſtigen, nur kubiſchen Ruhe. Darin bleibt das Ok-
togon der Aachener Pfalzkapelle, bleiben die Werke von Centula, Germigny des
Pres, Werden uſw. den Vertretern des ſpäteren architektoniſchen Ruheſtils in
Périgueux, Speyer uſw. gleich.
Der kleine Bau der Paderborner Bartholomäuskapelle (1018) wahrt an ſich
noch die Raumruhe einer byzantiniſchen Kreuzkuppelkirche, dafür ſorgten die ope-
rarii graeci. Deutſche Augen aber mögen trotz der Byzantiner auch hier die Be-
wegung des Raumes um die Säulen wahrgenommen haben. Vielleicht iſt es
als eine Konzeſſion an deutſchen Geſchmack anzuſehen, daß über dem Wittel-
joch der Tambour durch eine einfache Stutzkuppel gleich den Wölbeeinheiten der
anderen Joche erſetzt wurde. Wir hätten dann einen ähnlichen Vorgang feſt-
zuſtellen, wie er ſich ſpäter wiederholt, indem deutſche Architekten des 18. Jahr-
Abb.
86 und 87
Abb.
88 —90
Abb. 98
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94 und 95
ſchema) als undeutſch grundſätzlich ablehnen, was hier wie in der Bartholomäus-
kapelle der Einheit des Raumes und damit der Wöglichkeit einer freien Be-
wegung zugute kommt.
Hinter S. Marien im Kapitol kommt lange garnichts. Ihr Meiſter ſteht mit
ſeinem Raumbarock zeitlich vereinzelt, weil verfrüht wie die wahren Protorenaiſ-
ſanciſten Niccolo Piſano und Giotto im „orientaliſchen Italien“. In Köln hebt es
erſt wieder an mit dem Kleeblattchor von S. Apoſteln, wiederum dem Reſultat
einer Auseinanderſetzung mit dem Byzantiniſchen. Jetzt ſind alle Möglichkeiten
geöffnet am Niederrhein, wo immer ſonſt noch weiträumige mehrconchige Anlagen
gebaut werden. Das Dekagon von S. Gereon, ſo ſehr es auch auf alten Fun-
damenten ruhen mag, iſt der erſte ellipſoide Raum in Deutſchland und von ent-
ſprechender Bewegtheit erfüllt, von derſelben Erregung, die in die Lineamente
der Walereien in der Taufkapelle desſelben Baues gefahren iſt.
In Limburg a. d. Lahn hat der Hochſchiffraum ſicherlich eine gotiſche Enge
und Steilheit, alles in allem aber bleibt zwiſchen Seitenſchiffen, Emporen, Quer-
ſchiff und Chor noch genug Platz für die Rotation. Was hier verhalten und ge-
mäßigt bleiben muß, kann ſich vollends auswirken in dem merkwürdigen Poly-
gonalraum der kleinen Matthiaskapelle zu Kobern. Wan fühlt es hier förmlich
unter dem rippenbeſetzten ſteigenden Ninggewölbe hinſchießen und zwiſchen den
Säulen durch voltigieren. Alles iſt im kurvigen Schwung. Und dann kommen
alle die Großbauten mit ihren weiten Chorapſiden, von denen beſonders zu
reden ſich erübrigt. e F
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