Rückseite von Nr. 10.
Ein Ereignis von aussergewöhnlicher Bedeutung ist eingetreten:Die älteste Sammlung
graphischer Blätter, von einem kunstliebenden Pater wahrscheinlich schon vor der
Mitte des XV. Jahrhunderts begonnen und durch fast fünfjahrhunderte
unberührt erhalten, gelangt jetzt zur Versteigerung.
Für den deutschen Kunstbesitz ist es schmerzlich, dass diese einzigartige Sammlung zumeist ober-
rheinischer Formschnitte der Frühzeit nun in alle Welt verstreut und wohl nur zum geringen
Teile in heimischen Sammlungen verbleiben wird. Handelt es sich doch mit nur wenigen Aus-
nahmen um unersetzliche Unica.
Man weiss nicht recht, ob man die Schrotblätter, die zu den Erstlingen der um die Mitte
des XV. Jahrhunderts entstandenen und schon nach wenigen Jahrzehnten abgestorbenen Metallschneide-
kunst gehören, als die grösste Kostbarkeit betrachten oder den beiden grossen Holzschnitten
von der Hand des Meisters des Christophorus mit der Jahreszahl 1423 den Vorzug
geben soll.
Die drei Schrotblätter stammen aus der ältesten Metallschnitt-Werkstatt, deren frühestes nachweis-
bares Erzeugnis ,,Der heilige Bernhardin von Siena" (Sehr. 2567) die Jahreszahl 1454 trägt. Ich möchte
den auf Tafel III abgebildeten „Heilig. Georg" als das älteste dieser Blätter betrachten, nicht nur,
weil es von derselben Bordüre wie der heilige Bernhardin umrahmt ist, sondern auch der Technik wegen,
die darin bestand, dass der schwer zu bearbeitende Hintergrund aus der Metallplatte herausgesägt wurde.
Etwas jünger dürften der „Kai varienberg" (Tafel I) und der ,,H eilige Andreas" (Tafel II)
sein, dessen reich ornamentierter Hintergrund, sowie die Behandlung des Gewandes einen erheblichen
technischen Fortschritt erkennen lassen.
Von den Holzschnitten dürfte neben den bereits erwähnten beiden Blättern des Christophorus -
Meisters (Tafel IV und V) die „Madonna mit vier weiblichen Heiligen" (Abb. dem
Titel gegenüber) das grösste Interesse erregen, denn es bot dem damaligen Direktor des Brüsseler Kupfer-
stichkabinetts, Henri Hymans, die Grundlage, in seiner 1903 erschienenen Studie „L'estampe de 1418
et la validite de sa date", die vielfach angezweifelte Echtheit der Jahreszahl des die gleiche Szene dar-
stellenden Brüsseler Blattes (Sehr. 1160) zu beweisen.
Es ist unmöglich, in dem knappen Rahmen dieses Vorworts auf die Schönheit und Kostbarkeit der
einzelnen Blätter einzugehen und ich muss mich darauf beschränken, auf die ungewöhnlich prächtige
Bemalung der „Heiligen Margarete" (Abb. auf dem Umschlag) hinzuweisen und auf die für
jene Zeit unvergleichlich schönen Darstellungen der sechs S i b y 11 e n und P r o p h e t e n (Nr. 37).
Der Streit, ob sie nach Stichen des Bandrollenmeisters kopiert sind oder ob sie ihm als Vorbilder gedient
haben, ist wohl noch nicht abgeschlossen.
W. L. Schreiber.
Ein Ereignis von aussergewöhnlicher Bedeutung ist eingetreten:Die älteste Sammlung
graphischer Blätter, von einem kunstliebenden Pater wahrscheinlich schon vor der
Mitte des XV. Jahrhunderts begonnen und durch fast fünfjahrhunderte
unberührt erhalten, gelangt jetzt zur Versteigerung.
Für den deutschen Kunstbesitz ist es schmerzlich, dass diese einzigartige Sammlung zumeist ober-
rheinischer Formschnitte der Frühzeit nun in alle Welt verstreut und wohl nur zum geringen
Teile in heimischen Sammlungen verbleiben wird. Handelt es sich doch mit nur wenigen Aus-
nahmen um unersetzliche Unica.
Man weiss nicht recht, ob man die Schrotblätter, die zu den Erstlingen der um die Mitte
des XV. Jahrhunderts entstandenen und schon nach wenigen Jahrzehnten abgestorbenen Metallschneide-
kunst gehören, als die grösste Kostbarkeit betrachten oder den beiden grossen Holzschnitten
von der Hand des Meisters des Christophorus mit der Jahreszahl 1423 den Vorzug
geben soll.
Die drei Schrotblätter stammen aus der ältesten Metallschnitt-Werkstatt, deren frühestes nachweis-
bares Erzeugnis ,,Der heilige Bernhardin von Siena" (Sehr. 2567) die Jahreszahl 1454 trägt. Ich möchte
den auf Tafel III abgebildeten „Heilig. Georg" als das älteste dieser Blätter betrachten, nicht nur,
weil es von derselben Bordüre wie der heilige Bernhardin umrahmt ist, sondern auch der Technik wegen,
die darin bestand, dass der schwer zu bearbeitende Hintergrund aus der Metallplatte herausgesägt wurde.
Etwas jünger dürften der „Kai varienberg" (Tafel I) und der ,,H eilige Andreas" (Tafel II)
sein, dessen reich ornamentierter Hintergrund, sowie die Behandlung des Gewandes einen erheblichen
technischen Fortschritt erkennen lassen.
Von den Holzschnitten dürfte neben den bereits erwähnten beiden Blättern des Christophorus -
Meisters (Tafel IV und V) die „Madonna mit vier weiblichen Heiligen" (Abb. dem
Titel gegenüber) das grösste Interesse erregen, denn es bot dem damaligen Direktor des Brüsseler Kupfer-
stichkabinetts, Henri Hymans, die Grundlage, in seiner 1903 erschienenen Studie „L'estampe de 1418
et la validite de sa date", die vielfach angezweifelte Echtheit der Jahreszahl des die gleiche Szene dar-
stellenden Brüsseler Blattes (Sehr. 1160) zu beweisen.
Es ist unmöglich, in dem knappen Rahmen dieses Vorworts auf die Schönheit und Kostbarkeit der
einzelnen Blätter einzugehen und ich muss mich darauf beschränken, auf die ungewöhnlich prächtige
Bemalung der „Heiligen Margarete" (Abb. auf dem Umschlag) hinzuweisen und auf die für
jene Zeit unvergleichlich schönen Darstellungen der sechs S i b y 11 e n und P r o p h e t e n (Nr. 37).
Der Streit, ob sie nach Stichen des Bandrollenmeisters kopiert sind oder ob sie ihm als Vorbilder gedient
haben, ist wohl noch nicht abgeschlossen.
W. L. Schreiber.