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dem Kun st äuge nur die Götter und Helden zurücke führen, die
weder von Himmel noch Hölle wissen.
In gleicher Schönheit sollen von nun an der Herr und Heiland,
die Jungfrau und Mutter, die Glaubensheroen undHeiligen noch einmal
auf Erden erscheinen; der gläubigen Menge wie ehdem verehrlich, doch
nicht als Feinde des alten Olymps, und nicht nur zu Andacht, Demuth
und Reue.
Die Hauptschritte dieser Neugeburt gebühren zunächst der einen
Nation, für welche ursprünglich das Alterthum ein Grundelement natio-
naler Entwicklung gewesen war, den Italienern.
Der Stufengang in allmäligem Läutern der Bildnisstreue, im Grad
der Verschmelzung antiken Styls mit tiefrer Charakter- und Seelen-
schildrung, in freier Durchdringung des Alterthums und der Gegenwart,
die, selber schon umgebildet, ihr volles gesichertes Recht bewahrt, —-
dieser langsame Gang bestimmt von Mantegna bis zu Coreggio und
Tizian die erste Epoche, durch deren Lichtglanz die Italiener den
übrigen Völkern zu Leitsternen werden.
Die Deutschen gehen zur gleichen Zeit einen zweiten Weg.
Sie begnügen sich nicht mit Befreiung der Kunst nur in Dichten und
Bilden. Das kirchliche Leben, die Religion wird das Hauptbereich
ihrer Freiheit. Der Glaube soll nicht mehr den Dogmenbefehl zum
Ursprung und Endziel haben, die Religion soll statt äusserer Werke
das innerlich wirksame Gotteswort sein, dem das eigene Zeugniss
lebendig beistimmt.
Schon vor dem Beginn und den Kämpfen der Reformation treibt
diese Mahnung die deutschen Meister auf andere Bahnen. Dass im
Leben der Jungfrau, Christi, der Jünger, Apostel und Heiligen auch
für sie das individuell Menschliche zum Mittelpunkt der Erhebung und
Rührung wird; dass sie zum treuen Ausdruck jeder Empfindung und
Leidenschaft, zu freier Bewegung jeder Gestalt, zu freier Gruppirtmg
und Rundung gelangen, stellt sie den Italienern noch nicht gegenüber.
Das freie Gemüth darf auch bei ihnen nicht nach Aussen gefesselt
erscheinen, und die deutsche Vertrautheit mit Gott und der heiligen
Schrift lässt die Scheidewand zwischen göttlichen Dingen und mensch-
lichen eher noch tiefer sinken. Die Gottesnähe im Menschlichen aber
betrifft für sie nur die geistige Seite. Der alles läuternde Formen-
adel des Alterthums ist ihrer Auffassung kein Bedürfniss. Wovon
nur Glauben, Vernunft und Herz im Innern der Seele Zeugniss geben,
das soll nicht ebenbürtig zugleich auch der Leib, und wäre es der
schönste, versinnlichen. Meister wie Dürer schildern das Grosse gross,
das Gewaltige mächtig, das Milde mild. In biblische und religiöse
dem Kun st äuge nur die Götter und Helden zurücke führen, die
weder von Himmel noch Hölle wissen.
In gleicher Schönheit sollen von nun an der Herr und Heiland,
die Jungfrau und Mutter, die Glaubensheroen undHeiligen noch einmal
auf Erden erscheinen; der gläubigen Menge wie ehdem verehrlich, doch
nicht als Feinde des alten Olymps, und nicht nur zu Andacht, Demuth
und Reue.
Die Hauptschritte dieser Neugeburt gebühren zunächst der einen
Nation, für welche ursprünglich das Alterthum ein Grundelement natio-
naler Entwicklung gewesen war, den Italienern.
Der Stufengang in allmäligem Läutern der Bildnisstreue, im Grad
der Verschmelzung antiken Styls mit tiefrer Charakter- und Seelen-
schildrung, in freier Durchdringung des Alterthums und der Gegenwart,
die, selber schon umgebildet, ihr volles gesichertes Recht bewahrt, —-
dieser langsame Gang bestimmt von Mantegna bis zu Coreggio und
Tizian die erste Epoche, durch deren Lichtglanz die Italiener den
übrigen Völkern zu Leitsternen werden.
Die Deutschen gehen zur gleichen Zeit einen zweiten Weg.
Sie begnügen sich nicht mit Befreiung der Kunst nur in Dichten und
Bilden. Das kirchliche Leben, die Religion wird das Hauptbereich
ihrer Freiheit. Der Glaube soll nicht mehr den Dogmenbefehl zum
Ursprung und Endziel haben, die Religion soll statt äusserer Werke
das innerlich wirksame Gotteswort sein, dem das eigene Zeugniss
lebendig beistimmt.
Schon vor dem Beginn und den Kämpfen der Reformation treibt
diese Mahnung die deutschen Meister auf andere Bahnen. Dass im
Leben der Jungfrau, Christi, der Jünger, Apostel und Heiligen auch
für sie das individuell Menschliche zum Mittelpunkt der Erhebung und
Rührung wird; dass sie zum treuen Ausdruck jeder Empfindung und
Leidenschaft, zu freier Bewegung jeder Gestalt, zu freier Gruppirtmg
und Rundung gelangen, stellt sie den Italienern noch nicht gegenüber.
Das freie Gemüth darf auch bei ihnen nicht nach Aussen gefesselt
erscheinen, und die deutsche Vertrautheit mit Gott und der heiligen
Schrift lässt die Scheidewand zwischen göttlichen Dingen und mensch-
lichen eher noch tiefer sinken. Die Gottesnähe im Menschlichen aber
betrifft für sie nur die geistige Seite. Der alles läuternde Formen-
adel des Alterthums ist ihrer Auffassung kein Bedürfniss. Wovon
nur Glauben, Vernunft und Herz im Innern der Seele Zeugniss geben,
das soll nicht ebenbürtig zugleich auch der Leib, und wäre es der
schönste, versinnlichen. Meister wie Dürer schildern das Grosse gross,
das Gewaltige mächtig, das Milde mild. In biblische und religiöse