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Hübsch, Heinrich
Bauwerke: Text zum ersten und zweiten Heft — Karlsruhe und Baden, 1838

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https://doi.org/10.11588/diglit.3193#0020
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Die nun folgenden kleineren Kirchen veranlassen mich

EINIGE ALLGEMEINE BETRACHTUNGEN ÜBER LANDKIRCHEN

hier einzuschalten.

Diese Gebäude werden von vielen Architecten wahrhaft stiefmütterlich behandelt. Ich

— meines Theils — sehe aber den Kirchenbau so unbedingt für die höchste Aufgabe des
Architecten an, dass mir der Entwurf zu der geringsten Dorf-Kirche mehr Freude macht, als
derjenige zu dem noch so grossen Hause eines luxuriösen Privat-Mannes. Daher regt es mich
sehr schmerzlich an, dass unser Kirchenbau namentlich auf dem Lande (wo sich am Ende
noch am meisten Religion findet) in einen solchen Verfall gerathen ist. Unsere Dorf-Kirchen
gleichen wahrhaftig eher Nothbehältern als Gotteshäusern. — Unförmliche Scheunen-Dächer
auf niedrigen Mauern; unverhältnissmäsig grosse lange Treibhaus-Fenster; im Innern kahle
Wände und leere glatte Decken, welche im Verhältniss ihrer grossen Ausdehnung zu nahe
auf dem Auge liegen, und den Eindruck einer Reitschule machen! — Man trete nun gar in
evangelische Kirchen! Nachdem man unter der niedrigen Decke des Lettners (Emporbühne)
durch einen engen Gang hervorgeschlüpft ist, fühlt man sich wahrhaft beklommen, weil die
Emporen aus Platz-Geiz von allen Seiten soweit hereinreichen, dass sie kaum noch einen
freien Mittel-Raum übrig lassen. Das Ende der Decke kann der vielen Lettner wegen, die
auf dünnen hölzernen Pfosten ruhen, kaum gesehen werden. Man würde glauben in einem
Magazine sich zu befinden, wenn nicht ein Monstrum von Orgel an die Kirche erinnerte.

Die Hauptursache dieser Misstände liegt allerdings ausser dem Bereich des Architecten

— in unserer nüchternen Zeit. Während man für luxuriöse materielle Gegenstände zu viel
Geld hat, während die kirchen-bau-pflichtigen Cassen Jahrhunderte lang den Zehnten
incamerirt haben; erscheint schon eine Summe von 30,000 11. für die grösste Land-Kirche
als ein übertriebener Aufwand: denn — in camera non est Christus! Man fodert daher von
dem Architecten, dass er immer möglichst viele Leute in einen engen Raum zusammenpferche,
und diesen Raum möglichst wohlfeil herstelle. Aber trotz dieser beengenden Umstände
bleibt dem Architecten dennoch ein schöner Wirkungskreis. Er suche vor allem eine weniger
engherzige Haupt-Anordnung durchzusetzen, und beschränke sich alsdann bei deren Aus-
führung lieber auf die allereinfachste Architectur, damit er um so eher für die solide und
monumentale Herstellung der Haupt-Theile seines Gebäudes etwas erübrige. Denn nichts
entwürdigt die Religion mehr, als ephemere und provisorische noch so prunkvolle Einrich-
tungen, wie man solche für vorübergehende Zwecke zu treffen pflegt.
 
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