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Heydemann, Heinrich
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 3): Mittheilungen aus den Antikensammlungen in Ober- und Mittelitalien — Halle/​Saale, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.5990#0030
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zeigt, dasz die Bulla ganz voll von kastanienbraunen
Haaren ist — hier also nicht wie gewöhnlich ein
Unheil abwendendes Amulet enthielt (vgl. Jahn zu
Pers. Sat. V 31), sondern in ganz modernem Sinn
gebraucht wurde als Kapsel (Medaillon), um die
Haare einer geliebten Person als Andenken zu tragen,
eine Sitte und Anschauung, die ich allerdings aus
antiken Schriftstellern nicht zu belegen weisz. Oder
sollte es etwa Haar einer überlebenden Person (Frau
oder Kind) sein, dem Todten als Zeichen der Trauer
und Hingabe mitgegeben (vgl. Horn. II. 23, 135 ff;
152)? Durch freundliche Mittheilung von Seiten
des Besitzers, der zugleich der Finder des Grabes
war, kann ich hinzufügen, dasz die Bulla auf der
Brust des Skelettes lag; neben demselben fanden
sich Reste von Schwert und Lanze — es war also
ein Mann — und ein goldener Ring 'con melograno
in pietra granata'; der Ring war so eng, dasz er
nur auf dem ersten Glied eines Fingers (vgl. Petron-
32 und zB. Münch. Glypt. 314; u. a.) oder am kleinen
Finger sitzen konnte (Petr. 1. c; Lucian Dial. me-
retr. 9, 2; u. a.). — Dort findet sich noch ein gut
erhaltener Panskopf; römische Arbeit guter Kaiserzeit.
Bärtig; zwei kleine Hörner auf der Stirn; um das
struppige Haar einen Kranz von Epheublättern und
Epheubeeren; tiefliegende Augen. Er grinst, so dasz
man die Zahnreihen sieht6S).

BRESCIA.

Vgl. Conze Arch. Anz. 1S67 S. 107 f; Wieseler (iött. gel.
Nachr. 1874 no. 23. 8. 600 ff.

Die Antiken von Brescia sind theils auf der
Biblioteca Quiriniana zu finden, theils — und das
ist der bei Weitem gröszere und bedeutendere Theil
— in den zum Museo Patrio hergerichteten drei
Cellen des Tempels aufgestellt, welchen Vespasian
(73 nach Chr. Geb.: CILat. V 1, 4312) den drei capi-
tolinischen Gottheiten wie es scheint erbaut hat.

I.

Die Antiken des Museo Patrio sind meistens
veröffentlicht von Labus im 'Museo Bresciano illu-
strato' (Vol. I 1838. 60 Taf. Fol.) und zwar in guten
Zeichnungen, die allerdings die Antiken oft zu günstig

63) [Abgeb. bei Schöne 1. c. Taf. 17, 1. p. 154 no. 654].

wiedergeben, wie schon Conze bemerkt hat. Am
meisten ist dies bei dem Hauptstück der Sammlung
der Fall, der Victoria von Brescia (Taf. 38; 39;ä40;
Clarac Mus. de Sc. 634 C, 1445 C), welche eine
grosze Verschiedenheit zwischen Idee und Ausführung
offenbart. So groszartig die Statue wirkt, so schön
und leicht ihre Bewegung und Haltung ist, so wohl
erhalten — nur der linke Rückenfiiigel ist unten un-
vollständig; der linke Arm war gebrochen; an der
Brust ein wenig beschädigt; unter dem linken Fusz
fehlt, worauf er stand — und herrlich sie vor uns
steht, die Arbeit läszt doch viel zu wünschen: das
Nackte ist trocken und steif, die Gewandung klein-
lich64) behandelt, wie auch Conze urtheilt, der sie
gewiss richtig in der zweiten Hälfte des ersten
christlichen Jahrhunderts, ungefähr gleichzeitig mit
dem Bau des Tempels, entstanden annimmt; über
den älteren für sie vom Künstler verwandten Aphro-
dite-Typus05) vgl. Jahn Ber. der Sachs. Ges. 1861
S. 122 ff; Bernoulli Aphrodite S. 168 ff. Die Basis,
auf der sie einst stand, war wol aus Marmor; unter
dem erhobenen linken Fusz lag ursprünglich etwa
ein Haufen von Waffen oder ein Helm, der aber
nicht so platt gedrückt quer zu legen ist wie er
heutiges Tags liegt, sondern aufrecht stehend an-
zunehmen ist wie zB. bei der Venus von Capua; u. a.

Zu den übrigen Publicationen des Museo Bre-
sciano möchte ich die folgenden Bemerkungen machen:

Taf. 35. Diese bronzene imago clypeata (die
i ich leider übersehen habe) scheint kein Jupiter zu
sein, sondern vielmehr ein Aesculapius6ti), in der Rechten
eine Schale haltend, in der Linken ein Bündel medi-

C1) Anders urtheilt Burckhardt Cicerone (!. Aittt.) S. 449:
'am Oberleibe mit einem (vorzüglich schön behandelten)
leichten Gewände bekleidet'.

C5) Jetzt ist die Verwendung dieses Typus, auszer zB.
für Nike und Musen, >uch für Hygieia nachgewiesen von
i Flasch (Jahrb. der Alterthumsfr. im Eheini. 62. S. 74 ff. Taf. 2)
und zwar zum ersten Mal sicher wie mir scheint nachge-
wiesen; denn die kleine Terracotta Durand aus Centuripae
! (abg. Clarao 556, 1175; vgl. Bernoulli Aphr. S. 176, 12; Flasch
a. a. 0. S. 84 f.) ist nicht 'de la conservation la plus complete',
| wie Clarac im Text Vol. IV p. 20 no. 1183 versichert, sondern
nach De Witte (Catal. Durand no. 1614) vielmehr 'i-estaiuee
; en Hygie' und daher wol auch eine Muse (Terpsichore) ge-
\ wesen, welche (statt Schlange und Schale, die ihr anrestauriert
j sind) Leier und Plektron hatte, jene auf den Pfeiler auf-
' stützend, dieses in der Rechten haltend; vgl. dazu zB. Arch.
j Ztg. 1843 Taf. 6; u. a. m.

66) Dazu paszt auch die 'corona attorcigliata', die um
I sein Haar liegt (Labus p. 126).
 
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