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Robert, Carl
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 15): Scenen der Ilias und Aithiopis auf einer Vase der Sammlung des Grafen Michael Tyskiewicz: Festschrift zur Eröffnung des Archäologischen Museums der Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg am 9. December 1891 — Halle, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.5986#0008
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eines plastischen Vorbildes sein, bei der dann das eigentlich künstlerisch Wirksame, die Darstellung des Mo-
mentanen, das Verdienst des umbildenden Zeichners sein würde. Das Vorbild oder richtiger die Vorstufe
dieses Motivs ist uns vielmehr auf einer früheren Schale des Duris, der oben Fig. 3 abgebildeten Schlacht-
vase des Berliner Museums, in dem Gefallenen der linken Kämpfergruppe noch erhalten, bei dem allerdings die
Annahme eines plastischen Vorbildes möglich, aber keineswegs notwendig ist; etwas modificiert, namentlich
durch die Armhaltung des Gefallenen, kehrt dieselbe Gruppe auf der oben Fig. 2 abgebildeten zweiten
Scblachtschale wieder. AVenn nun aus dieser Kämpfergruppe der Berliner Schale die auch in der Figur
des Diomedes mit dem Sieger auf jener Schale genau übereinstimmende Darstellung unseres Kraters ent-
wickelt erscheint, so wächst die Wahrscheinlichkeit immer mehr, dass wir auch in dem Krater ein Originalwerk


Fig. 8.

des 1 )uris vor uns haben. Zwischen dem mit gebogenem Knie auf der Erde ruhenden Krieger der Berliner
Schale und dem rückwärts hinsinkenden Aineias des Kraters bildet wieder der in die Kniee zusammen-
brechende Hektor, wie wir ihn auf der Schale des Gregorianums (Fig. 9 u. 10) finden, das Mittelglied.
Wenn wir aber so auf uns erhaltenen Vasen die stufenweise Entwickelung dieser Figur bis zur höchsten
Vollendung, wie sie uns in dem hinsinkenden Aineias vor Augen steht, Schritt für Schritt verfolgen können,
welche Berechtigung hat dann noch das Bestreben, diesen Fortschritt sich auf einem andern Boden vollziehen
zu lassen, als auf dem des Handwerks, selbst wenn man sich den künstlerischen und gesellschaftlichen
Abstand der Vasenmaler von den Wandmalern, Frzgiessern und Bildhauern so gross denkt, wie es neuer-
dings wieder vielfach geschieht und wie es doch nach Kleins Fuphronios und dem Wiedererstehen der
Weihinschriften dieser Künstler aus dem Perserschutt billiger Weise nicht mehr geschehen sollte. Sich selbst,
nicht andere, hat Duris copirt, als er seinen hinsinkenden Aineias zu dem von Aias getroffenen Hektor um-
bildete, und er selbst ist es auch gewesen, der dieselbe Figur in einem früheren Entwickelungsstadiuin zuerst
für die Darstellung von Hektors Tod verwandte.


Fig. 9. Fig. 10.

Aber auch andere Künstler haben sich die so glänzend gelungene Gestalt des hinsinkenden Aineias
nicht entgehen lassen. Zunächst hat man sie nach Duris eigenem Vorgang für die Darstellung von Hektors
Tod verwandt. Genau copirend that das der Verfertiger des Münchner Stamnos Fig. 8 10), leicht variirend,
indem er ihr eine aufrechtere Haltung und statt des Schwertes die Lanze in die Hand gab, der Maler des
Fig. 11 u. 12 (nach Gerhard 204) abgebildeten Kraters, der auch in der Zusammenstellung der Sccne mit
der Memnonepisode seine Abhängigkeit von Duris zu erkennen giebt. Hingegen scheint der Verfertiger der
Fig. 13 (nach Gerhard 202,1) abgebildeten Hydria die Aineiasfigur mit dem Hingesunkenen auf der einen
Schlachtvase Fig. 2 combinirt zu haben. Endlich ist bei der Weiterbildung des Memnontypus, wie sie so-
wohl durch die oben S. 5 erwähnte von Millingen publicierte Vase als durch den in der Certosa bei Bologna
gefundenen Krater Fig. 14 (nach Zannoni Gli seavi della Certosa XI 4) repräsentiert wird, das Motiv des
rückwärts dem verfolgenden Achill entgegengehaltenen Schwertes augenscheinlich von dem Aineias unseres
Kraters oder von dem Hektor der Memnonschale entlehnt; unsinnig wird das Motiv freilich, wenn die Figur
 
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