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Robert, Carl
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 16): Die Nekyia des Polygnot — Halle a. S., 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.6002#0035
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IL

Die Reeonstruetion.

Der erste der, auf die Beschreibung des Pausanias gestützt, die Gemälde der Lesche
graphisch herzustellen versuchte, war der feinsinnige und geschmackvolle Graf Caylus,1) ein Organisator
der wissenschaftlichen Arbeit, wie er sein soll, ein Mann, den sein hoher geistiger Standpunkt vor
jedem Stäubchen biireaukratischer Pedanterie bewahrte. Aber befangen in der Vorstellung, dass
das mangelhafte Kunstverständniss und die geringe Schilderungsgabe des Pausanias die Bilder
unvollkommener erscheinen liessen, als sie in Wirklichkeit gewesen wären, unfähig von den technischen
Erruagenschaften der zweitausendjährigen Zwischenzeit zu abstrahieren und sich auf die ersten
Entwicklungsstufen der Malerei oder richtiger der Zeichenkunst zurückzuversetzen, trägt er kein
Bedenken "dem Polygnot bereits Perspective, wenn auch eine ziemlich plumpe, und coloristasche
Effekte wenn auch ohne Farbenharmonie, zuzuschreiben;-) und so machen denn seine auf reichem
landschaftlichen Hintergrund entworfenen Reconstructionen, die er von le Lorrain in Kupfer stechen
liess^ durchaus den Eindruck von Gemälden des siebzehnten Jahrhunderts und haben heute lediglich
ein historisches Interesse. -

Ein halbes Jahrhundert verging, ehe die irage aufs neue in lluss kam. Winckelmann
hatte wie die Malerei überhaupt, so namentlich Polygnot nur mit wenigen Worten behandelt. Es
waren die Gebrüder Riepenhausen, die einer in Göttingen empfangenen Anregung folgend, 1803
den Versuch unternahmen, für die Weimarer Kunstausstellung eines der Gemälde in Umrisszeichnungen
zu reconstruieren Sie wählten die Iliupersis, der sich auch in der Folgezeit die Reconstructions-
versuche mit Vorliebe zugewandt haben.«) Dieser Versuch bezeichnet gegenüber dem von Caylus
einen ungeheueren Fortschritt. Mit dem landschaftlichen Hintergrund ist so gut wie völlig gebrochen;
die Figuren sind übereinander in drei allerdings nicht ganz streng innegehaltenen Reihen angeordnet;
Perspective ist zwar nicht völlig vermieden, aber doch sehr discret verwandt. Die augenfälligsten
Kehler sind einmal die Zerlegung der Composition in einzelne, in sich geschlossene, von einander
streng abgesonderte Gruppen, und dann die grossen leeren Stellen in den oberen Ecken des Bildes,

') Descri >tion de deux tableaux de Polyguote, donuee par Pausauias (Histoire de l'Academie Royale des
Inscriptions et Beiles Lettres XXVII 1757 p. 34 ff.).

') Gegen diesen Grundirrthum wandte sich bekanntlich Lessiug im 9. bis 12. seiner antiquarischen Briefe.

•) Der Entwurf erschien 1805 unter dem Titel: Gemälde des Polygnot in der Lesche zu Delphi, nach der
Beschreibung des Pausanias gezeichnet von F. u. J. Riepenhausen, mit Erläuterungen von Chr. Schlosser (wiederholt
Wien Vorlegebl 1888 Taf. XI2) und rief den Gegenentwurf der "Weimarer Kunstfreunde in der Jenaer Litter. Zeit. 1805
(wiederh. Wien. Vorlegebl. 1887 Taf. X 2) hervor.

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