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Robert, Carl
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 23): Der müde Silen: Marmorbild aus Herculaneum — Halle a.S., 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.12728#0011
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Erst jetzt, nachdem wir den Thatbestand, soweit es der Zustand des Bildes und die älteren
Abbildungen erlauben, festgestellt haben, können wir versuchen, den dargestellten Yorgang zu verstehen
und nach Namen für die betheiligten Personen zu suchen. Die bisherigen Deutungen lasse ich dabei
vorläufig unberücksichtigt, um sie später im Zusammenhang zu betrachten.

Die Hauptperson ist ohne Zweifel der rechts auf einem niedrigen Felsstück sitzende Alte. Er
ist ein Gegenstand der Aufmerksamkeit für die eine, der Fürsorge für die andere der beiden Frauen.
Ungeachtet der weitgehenden Zerstörung, die namentlich die Profillinie und das Ohr betroffen hat,
lassen sowohl Schädelbildung und Gesichtszüge als die Attribute, das schurzartig umgelegte Pantherfell
und der von der Linken gehaltene Schlauch, vor allem aber die Handlung, in der er begriffen ist, kaum
einen Zweifel darüber, dass wir Silen vor uns haben. Wir werden also auch nicht zögern, in dem auf
der linken Seite des Bildes dargestellten Esel nicht das Pieitthier der daran gelehnten Frauengestalt,
sondern das eben dieses Silen zu erkennen. Sehr müde ist das brave Thier, wie die gesenkten Ohren
und der noch sehr wohl erkennbare Ausdruck des Auges bekunden. Und nicht minder ermattet und
durstig ist sein Herr. Die Rechte vermag das allerdings in seiner Grösse dem Durste des Besitzers
angepasste Trinkhorn nur mit Mühe zu heben und zu dirigiren; der untere Rand erreicht nicht die
Lippe, so dass ein Theil der Flüssigkeit nothwendig verschüttet werden muss. Der nur noch zur Hälfte
gefüllte Schlauch, den Silen ohne Zweifel auf seinem Esel mit sich geführt hat, zeigt uns, dass das
Horn schon wiederholt geleert worden ist. Herr und Thier haben ohne Zweifel einen weiten Weg
zurückgelegt, ehe sie in dem Temenos der Athena Rast machen konnten. Dass wir uns in einem solchen
befinden, lehrt das kleine auf säulenartiger Basis stehende Palladion im Hintergrund, das, die rechte
Hälfte der Composition links abschliessend, ein wenig rechts von der Mittellinie der Bildfläche sicht-
bar wird. Der daneben noch mehr in den Hintergrund gerückte Baum, von dem sich bei der starken
Zerstörung nur sagen lässt, dass sein Stamm eine andere Struktur zeigt, als der der Platane, unter der
Silen Platz genommen hat, nimmt genau die Mitte des Bildes ein. In diesem Heiligthum oder in seiner
unmittelbaren Nähe müssen die beiden Frauen zu Hause sein, die wir um den Alten bemüht finden.
Dass es nicht Begleiterinnen des Silen, also etwa die Ammen des Dionysos oder Mänaden sind, zeigt
ihre Erscheinung, ihre Tracht und ihr Gebahren. Der ionische Aermelchiton, der Mantel, den die
eine schleierartig über das Haupt gezogen hat, während er die andere bis auf die rechte Brust ganz
 
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