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Posse, Hans
Der römische Maler Andrea Sacchi: ein Beitrag zur Geschichte der klassizistischen Bewegung im Barock — Italienische Forschungen, Neue Folge, Band 1: Leipzig, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.34605#0060
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DAS DECKENGEMÄLDE DER DIViNA SAPIENZA

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ln der Architektonik des Aufbaues und der kiaren Durchbildung der
Komposition sind die Grundsätze der Carraccischuie besonders des Domeni-
chino zu erkennen. Durch Domenichinos Allegorie der,,Fortezza" im Kuppel-
zwickel von $. Carlo ai Catinari (1628 —30) scheint auch die schöne auf dem
Löwen reitende jünglingsgestalt (L* Amore) angeregt*) (Abb. 9). Ebenso lassen
sich Beziehungen zu Lanfranco nicht übersehen. Mußte es Cortona mehr
zu der reicheren und komplizierteren Auffassung der Kuppelmalereien
dieses Meisters hinziehen, so stand Sacchi in seinem ersten größeren
Freskowerk wie schon in Castelfusano unter dem Eindrücke der als „quadri
riportati" gefaßten Deckenmalereien und ihrer lichten Farbigkeit mit den
schillernden Zwischentönen. Wie im Mittelfelde des Freskos in Villa Bor-
ghese sind die Gestalten gruppenweise auf den weiten Wolkenmassen in
gegensätzlich bewegten und belichteten Paaren angeordnet, ähnlich wie
dort stehen beschattete Figuren gegen lichte Gründe, wobei oft wie bei
Lanfranco die Wirkung des Umrisses durch eine bauschig abflatternde
Gewandung verstärkt wird. Auch in den schlanken Körperproportionen
sind sie Lanfrancos Gestalten verwandter als denen Cortonas und ihrer
wuchtigen Schwere. Selbst in dem flinken, oft nur andeutenden Strich
(z. B. in der lockeren Behandlung der Wolkenmassen) liegen Beziehungen
zu Lanfranco am Tage, der in der Freiheit der Mache unter die Ersten
seiner Zeit gehört und an dessen Malereien außer dem großen Schwung
seiner Gestalten besonders jene ,,pennellate vergini e franche" bewundert
zu werden pflegten. Daß verschiedene jüngere Maler aus Lanfrancos Schule
(Caravaggino, Greppi) nach dessen Übersiedlung nach Neapel (1632) in
Sacchis Atelier auftauchen, spricht ebenfalls für solche Beziehungen. Aber
trotzdem unterscheiden den jüngeren Maler wesentliche Züge von Lan-
francos dekorativer Großzügigkeit. Der weitläufigen Kompositionsweise des
älteren Meisters, der ähnlich wie Tintoretto die Gestalten in großen Ketten
aneinanderfügt, steht bei Sacchi eine straffe Konzentration, eine ge-
schlossene Form des Aufbaus entgegen, und an Stelle jener in großen
Kontrapoststellungen und Verkürzungen, in starken Gegensätzen von Hell
und Dunkel auf die Ferne wirksamen Gestalten Lanfrancos, deren Aus-
drucksvermögen sich fast allein auf die große Körperbewegung und die
Sprache des Umrisses beschränkt, trifft man im Barberinifresko auf eine
bedeutende und individuelle Auffassung der Einzelfigur. Um der klaren
ausdrucksvollen Wirkung der Gestalten willen hat Sacchi alle schroffen

) G. !ncisa del!a Rocchetta, L'Arte XXVM, 64.
 
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