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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 4.1856

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254

Die Jllnstrirte Welt.

„Als man ihn auf der Goölette eingeschifft, durchlief
Surcouf das Deck in allen Richtungen, wie ein Hahn,
den man aus seiner Umgehung genommen, und hüpfte
mit lautem Kikerikiki umher. Aber seine Sprünge und
sein Geschrei gcnirten nach und nach die Mannschaft in
ihren Manoeuvres, und der Capitän befahl, daß man den
Starren in den untern Schiffsraum hinabbringe. Der Hoch-
bootsmann bemerkte, daß B vielleicht nicht klug wäre, ihn
in Freiheit zu lassen und fragte: „ob man ihn nicht ein-
sperren sollte?"
„Wo Sie wollen," antwortete der Capitän und fügte
dann rasch hinzu: „by God, wir können ihn ja in den Käsig
sperren, wo die beiden andern Narren bereits sind."
„Diese beiden Narren waren gleichfalls Franzosen,
Pontonsgefangene wie Surcouf, welche in Folge ihrer
Gefangenschaft den Verstand verloren hatten, aber wilde
Narren, mit langen Haaren, grossen Blicken und schäumen-
dem Munde. Man hatte es für geeignet erachtet, damit
sie sich nicht zerreißen sollten, sie an das Gitter mit leder-
nen Riemen zu binden: so gefesselt und Gesicht gegen Ge-
sicht, immer gegen einander herüberhängend, schienen sie sich
verschlingen zu wollen. Man stieß Surcouf an den
Schultern in diesen furchtbaren Käfig. Er stürzte auf
einen der Narren, der ihn am Hals packte und ihm ins
Fleisch biß.
„Kikrikiki!" rief der Verwundete, indem er sich in
eine Ecke duckte, wo er vor den Angriffen der beiden Narren
sicher zu sein glaubte.
„Während der ganzen Ueberfahrt verhielt sich der
Corsar ruhig und beobachtete die Bewegungen der beiden
Wüthenden mit einem Blicke, den er so ängstlich zu machen
wußte, daß die Offiziere, die von Zeit zu Zeit sich an die-
sem gräßlichen Schauspiele weideten, wirklich sich von seiner
Narrheit überzeugt halten zu dürfen glaubten; die beiden
andern Narren streckten beständig Hände und Füße nach
ihm aus, und er war des schrecklichsten Todes gewiß, wenn
ihre Fesseln brachen.
„Die Reise nahm ein Endd und damit die Qual. Als
die GoÄetteLand sah, traf man Anstalten zur Ausschiffung.
Man ließ die drei Unglücklichen in ein Boot hinab. Die
Goslette neigte auf die Seite, um die Rückkehr ihrer Leute
zu erwarten und sie mit ihren vier Steinböllern zu schützen,
wenn ?s nöthig wäre. Die Engländer durften sich damals
nicht so nahe an die Küste wagen. Das Boot landete
und die Narren waren rasch auf den Felsen geworfen.
„Surcouf harte sein letztes Kikrikiki auf dem Boote
der Goölette ausgestoßcn; er fühlte kaum die französische
Erde unter sich, als er aus voller Seele und mit einem
Blick zum Himmel ausrief: „Ah, endlich!" — „Ah, end-
lich!" rief ich meinerseits und hob die Arme wie Surcouf
in die Höhe. Auch unser dritter Kamerade hob die Hände
zum Himmel und rief: „Ah, endlich, endlich!!!" Denn
wir hatten unsre Komödie als wüthcnde Narren ebenso
gut gespielt, als Surcouf seine Kikrikikis gerufen."
— „Ach meine Kinder" fuhr der Pilot fort, dessen
Stimme sich bei der Erzählung dieser Heldengeschichte im-
mer mehr gehoben, „es war ein feierlicher, erhebender
Augenblick. Ich kann nicht daran denken, ohne daß mich
ei» Schauer überläuft. ,
„Ein Blick genügte, wir hatten uns alle drei ver-
standen und fielen einander in die Arme."
Bei diesem Punkte der Geschichte des Meister Andre,
der zu gleicher Zeit der einfache und bescheidene Erzähler
und einer der Helden dieses. Dramas gewesen, kam das

Schiff am Landungsplätze an. Ich hatte Thränen der Be-
wunderung in den Augen und drückte erfurchtsvoll die Hand
des Piloten; seine Matrosen betrachteten ihn mit stummer
Bewunderung.
„Welch' herrliche Menschen!" rief ich unwillkürlich,
ohne ein anderes Wort zu finden, um meine Gefühle aus-
zudrücken.
Von diesem Tage an war mein Entschluß gefaßt,
Seemann zu werden, um den Engländern zu zeigen, daß
diese Race von Franzosen noch nicht ausgcstorben. Nun
bin ich aber durch des Schicksals Willen Journalist gewor-
den, was nicht ganz das Gleiche. Andere jedoch haben statt
meiner gehandelt.

Arif Sumatra.
Jagden und Thierkämpfe.
«.
Eine Elephantcnjagd.
Ich hatte in meiner Jugend häufig von Sumatra
sprechen hören und hegte schon lange den Wunsch, eine
Insel zu besuchen, Vie meiner Phantasie Berge von Wun-
dern versprach. Die Araber hatten sie unter dem Namen
Saborea gekannt; man fand dort Gold im Ueberfluß; die
Vögel und die Blumen rivalisirten an Glanz mit den Stei-
nen, und die Berge spieen Feuer und Flammen seit undenk-
lichen Zeiten. Und dann welch' großartiges Territorium!
Eine Insel von 376 Stunden Länge und 85 Breite. Und
ihre Bevölkerung ... sie glich der des Königreichs Neapel.
Sumatra endlich war die von der Natur begünstigste
malerische Insel. Es brauchte nicht so viel, um mich zu der
Reise zu reizen, mich, der nur von Elephantenjagden und
Kämpfen mit Büffeln und Tigern träumte. Mein Ent-
schluß war gefaßt; ich begab mich nach Amsterdam, wo ich
mich nach einem ziemlich traurigen und langweiligen Auf-
enthalt auf einem Niederländer Boot an den Ort meiner
Bestimmung einschiffte.
Die Ueberfahrt war lang und peinlich und von Un-
fällen begleitet, die mehr als einmal mein Leben in Gefahr
brachten. Als wir uns ausschifften, war ich so überrascht
von der Schönheit des Climas, daß ich nicht den Muth
hatte, es zu heiß zu finden. Und mein Thermometer
zeigte doch 37 Grad im Schatten. Wir befanden uns im
Juni. Das Hauptverdienst der Insel beruht nicht so sehr
in seinen Producten, die mit denen der Tropenländer riva-
listrcn, sondern meiner Ansicht nach vorzüglich in seinen
Elephanten, seinen ältesten und legitimsten Herren. Ihre
Kraft ist von Niemanden bestritten und ihre Thaten sind
in aller Leute Mund. Auch sind sie von einer Größe,
die ihren Ruf aufrecht erhalten muß: sie erreichen zwölf
bis vierzehn Fuß Höhe, was ihr Marimum ist, wenn man
sie ohne Furcht ansieht; im andern Falle können sie acht-
zehn Fuß und darüber erreichen. Um sie richtig zu beur-
theilen, muß man sie auf ihrem eigenen Terrain beobachten,
zwischen den großen Bäumen des Waldes in der freien
Entfaltung ihrer Kraft. Ich hatte bald Gelegenheit dazu
auf einer Jagd mit dem Marquis uud der Marguisin von
Fienne, welche Geschäftsangelegenheiten nach Sumatra ge-
führt. In fernen Ländern macht man rasch Bekanntschaft.
Es waren die liebenswürdigsten, gebildetsten Menschen von
der Welt. Ein Dritter, Isaac de Laurens, ein Banguier,
der mit zu der Gesellschaft gehörte, war ein großer Freund
 
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