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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 33.1885

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Allustrirte Welt

199

qroßer Gewandtheit den ersten Besten in ein Gespräch zu
rerwickeln weiß, das er fast allein, aber ganz verständig
Mt wenn er auch von einem Gegenstand zum andern
stringt. Aber wie das Wort „Vermögen" gefallen ist,
mwstren sich seine Gedanken und er schwatzt so wirr, daß
-leder sich beeilt, von ihm lvszukommen.
In einem solcben Fall zuckt er verächtlich die Achseln
und sagt: „Wie wenig feine Bildung ist noch unter den
teilten, — in der That, man kann sich nur in den Hof-
kreisen wohl fühlen!"
Erkundigt sich nun Jemand, den diese Aeußerung viel-
leicht verletzt hat, nack dem Herrn, der mit solchen hoch-
müthigen Beleidigungen so freigebig ist, dann wird ihm die
Antwort: „Ach Gott, es ist ein ehemaliger Agent, bei dem
es nicht ganz richtig ist — weil ihm eine Spekulation fehl-
schlng. Er thut Keinem etwas zuleide!"
Uebrigens pflegt ihn Frau Hedwig sorglich und all-
jährlich bringen Beide den Sommer auf den Gütern des
hstrons zu, der dem unglücklichen Spekulanten das Ver-
zügen gönnt, sich ein paar Monate für den Schloßherrn
;u halten.

Aie wetteisemilen, Großväter.
«Bild S. ISS.)
Galanterie gegen das zarte Geschlecht ist im Allgemeinen nicht
die starke Seite eines alten Lsebüren. Er weiß sein kurzes Ton-
ckiilcin zu schmauchen, bedächtig seinen steifen Grog zu schlürfen,
and wenn er 'mal recht gut aufgelegt ist, irgend ein Ltücklein
seiner Seeabenteuer mit lakonischer Derbheit und Kürze vorzutragen,
kommt aber ein Weiberrock in seine Nähe, so ist er stumm wie
mi Fisch, klotzig und schwerfällig wie eine alte Schaluppe, die sich
nicht im richtigen Fahrwasser befindet und Contrewind hat. Wenn
nichtsdestoweniger die beiden alten, wettergebräunten Burschen auf
unserem Bilde mit dem jungen Dämchen fein manierlich umgehen
and ihr förmlich Ritterdienste leisten, indem der Eine ihr das
Fernrohr hält, der Andere den sixirten Punkt erklärt, so hat das
seinen ganz besonder« Grund. Die kleine, zierliche Landratte ist
Beider Enkelin, die beiden alten Seemannsherzen sind voll Liebe
sär das kleine „Flaggenkind", das der Blutter einst mitten auf
dem weiten Ozean, in der Nähe der Orkneyinseln geboren wurde,
Md dessen Vater bei einem Schiffbruch an der schottischen Küste
sein junges Leben einbllßte, und da will denn Einer der beiden
Alm den Andern in der Liebenswürdigkeit ausstechen.

Karl IV. m Ma.
«Bild S. IS7.)
Im September 1354 trat Karl IV. von Nürnberg Uber Regens-
birg, Salzburg und Friaul die übliche Käiserfahrt nach Rom an.
-eine Absicht dabei war, den Kaijertitel in Rom zu empfangen,
damit seine Macht und sein Ansehen wenigstens in den Alpen
sändern erhöht und befestigt würde. Die Herrschaft Deutschlands
Mer Italien bestand feit einem Jahrhundert bereits nur dem
Hainen nach; dieselbe zu erneuern und faktisch durchzusühren,
«an konnte er gar nicht denken. Teßhalb ließ er sich auch nicht
"euren durch die Stimmen Derer, die ihn als Erlöser dahin riefen.
W gab damals in Italien nicht wenige Patrioten, die, von alt-
uasltzcher Bildung begeistert, von neuer Wiederherstellung der alt-
»mischen Weltherrschaft träumten. An deren Spitze stand der
^rühmte Dichter Petrarca, der, von Karl ausgezeichnet, von dem-
' "ine hohe Meinung hegte und sich bemühte, ihn zu bewegen,
as Verk, zu welchem ihn Cola de Nienzi animirte, zu vollführen,
u äußeren und inneren Zustände Italiens von Grund aus zu re
lenmrcn und von Rom aus seine Macht über die ganze Welt
Mzubreiten. Ja, selbst Leute, die mehr praktisch waren, sogar
"vche non der Partei der Guelfen, die von der Ghibellinen'jchen
acht der Visconti in Mailand mit Vernichtung bedroht wurden,
1 ic?" um Hülfe bittend und Gehorsam gelobend. Aber
wußte wohl, daß wenn er die nominale Herrschaft in
»,E, Esche umwandeln wollte, alle Parteien, Guelfen sowie
bwen, wider ihn sich empören und Hulse finden würden nicht
4dst Les Papstes.
Korb H de*" Tode Clemens' VI., der am I. Dezember 1352 ge-
en war, bestieg den päpstlichen Stuhl Jnnocenz VI., ein
z "" twn strengen Sitten und rechtschaffenen Grundsätzen. Um
^lswri Verdacht zu beseitigen, als beabsichtige er eine
Keimung der italienischen Zustände, traf Karl IV. nur mit
8ren Litern und zahlreichen Edelleuten an der italienischen
A E und sandte den berühmten Bischof Dieterich von Minsen
^^unocenz VI. nach Avignon, um denselben von seiner Kaiser-
-I, benachrichtigen und sich Kardinälc zu erbitten, die ihn
ich krönen würden. Nicolaus, Patriarch von Aquileja, schloß
, imsch-^ Rönierzuge an und erfreute den König, indem er ihm
- gklwms re Reliquien schenkte, nämlich zwei Quaternen des Evan-
St. Marci, welcher für die eigene Handschrift des Evan-
- Salten. Ueber Padua kam Karl am IO. November in
o§ch nn, wo er längere Zeit verweilte. Von da schrieb er
!°wie es möge ihm der übliche Heereszug nachfolgen,
Böhmen, daß Soldaten und mit denen zugleich seine
zu^ihm nach Italien ziehen möchten.
2anuar 1355 hielt er seinen feierlichen Einzug in
Mtz^ er mit den größten Ehren aufgenommen wurde.
! oassrtzEN Absicht, die Lombardenkrone sich in Monza
Lrtz st ^Mfien, jetzt aber empfing er diese Krone an demselben
..Tage, wie vor vierundvierzig Jahren jein Großvater,
IStzz . E in der Mailänder St. Ambrosiuskirche am 5. Januar
»ip> ' Hegenwart dreier Patriarchen, vieler Erzbischöfe, Fürsten
vornehmen Personen.
gelangte er mit seinem Gefolge am 18. Januar,
nist die Kardinäle, die ihn krönen sollten, erwartete
Ms toskanischen Städten unterhandelte, langte das Heer
Karens -""d ""t demselben zugleich die Königin Anna an.
r j chAbst an fünftausend Fürsten, Ritter und andere
Eliten ""wesend, zu denen sich noch an zehntausend Italiener
"t den vom Papste gesandten Kardinäten verließ er Pisa

am 22. März und langte am 1. April vor Nom an. Sein Heer
lagerte vor dieser Stadt, während er selbst im Pilgerkleide mit
seinem Gefolge sich in die Stadt begab, um diese kennen zu lernen
und seine Andacht an verschiedenen heiligen Orten zu verrichten,
bis er in den Vatikan kam und daselbst Vorkehrungen traf zur
feierlichen Krönung, die am folgenden Tage stattfinden sollte.
Am Ostersonntage, 5. April 1355, begab er sich zeitlich früh
in's Lager, führte sein Heer sammt seiner Gemahlin und sämmt-
lichen Fürsten feierlich in die ewige Stadt, und nachdem er über
tausend seiner Gesährten zu Rittern geschlagen hatte, setzte er sich
im Vatikan in der Basilika St. Petri jene Krone aus's Haupt,
welche ihm den Titel eines römischen Kaisers und nach der Meinung
aller Zeitgenossen das Recht verlieh, sich als Herrn der ganzen
Welt zu betrachten. Mit der ebenfalls gekrönten Kaiserin ritt er
dann in feierlichem Zuge, die Krone auf dem Haupte, das Lzspter
und den Reichsapfel in den Händen, über die Engelsbrücke und
Las Kapitolium in den Lateran, wo das kaiserliche Gastmahl be-
reitet war. Bei demselben verrichteten die dazu berechtigten Reichs-
fürsten ihre Dienste zu Pferde, und es herrschte in Rom eine Ruhe,
Ordnung und Freude, wie nie zuvor bei solcher Gelegenheit.
Nachdem er verschiedenen Statuten und Dekreten die kaiserliche
Lanltion ertheilt hatte, ließ er einen Theil seines Heeres vor der
Stadt lagern, während er den andern gegen die Feinde des Papstes
im Kirchenstaate sandte, um, getreu dem Krönungseide, als wahrer
Sachwalter und Beschützer der römischen Kirche zu handeln Dann
besuchte er noch Tivoli, worauf er seinen Rückzug antrat und am
28. April nach Siena gelangte.
Diese großartige, so ruhig vollsührte That, die sonst Blutver-
gießen und Revolutionen im Gefolge hatte, erregte die Bewunde-
rung Aller und zugleich den Unwillen Vieler, denn es gab gar
zahlreiche Unzufriedene, die Nutzen von jedem Umschwünge erhofften
— ohne die Schwärmer im Linus Petrarca's zu erwähnen! Auch
machten die Gesandten der Ghibellinen dem Kaiser bittere Vorwürfe
Lebhalb, daß er sie, die alten Kämpfer für Kaiser und Reich, ver-
schmähte und sich wohlwollend zeigte ihren Gegnern, den Guelfen;
aber der Kaiser, dem sowohl die Ursache als auch der Zweck ihrer
scheinbaren Ergebenheit seit langer Zeit bekannt waren, sagte ihnen
offen, daß er ihre Dienste, welche sie seinem Großvater einst er-
wiesen, zu schätzen wisse, aber nicht willens sei, das Land ihrem
Rachedurste preiszugeben und als Werkzeug ihren Zwecken zu
dienen.
Karl erreichte, was er bei seiner Kaiserfahrt beabsichtigte. Da
er keine Feinde antraf, entließ er einen Theil seines Heeres und
kam, bloß von zwölfhundert Reitern begleitet, am 8. Mai wieder
nach Pisa. Hier jedoch wurde er belehrt, daß es ihm nicht
bejchieden sei, Italien ganz ohne Kampf und Blutvergießen zu
verlassen.
Wie in allen größeren italienischen Städten, waren damals
auch in Pisa zwei feindliche Parteien, die Bergolini und Raspanti;
an der Spitze der Ersteren und zugleich im Besitze der Stadt-
regierung befand sich, als Karl das erste Mal nach Pisa kam,
die Familie Gambacurta. Bei der öffentlichen Huldigung geriethcn
beide Parteien in heftigen Streit, uns Karl, der mit allgemeiner
Zustimmung die Stadtgewalt in seine Hand nahm, gab sich alle
Blühe, die feindlichen Parteien zu versöhnen und den Frieden zu
erhalten. Bei feiner Rückkehr aus Rom gab sein freundliches
Verhalten gegen die Florentiner, uralte Feinde Pisas, Anlaß zu
Verleumdungen, Karl wolle die Stadt Lucca, die er unlängst
den Pisanern zusagte, den Florentinern verkaufen. Francesco
Segli Jnterminetli, gewesener Signor von Lucca und Freund der
Raspanti, sah sich getäuscht in seiner Hoffnung und empörte sich
offen am 18. Mai, wobei er meuchlings ermordet wurde. Als
nun Karl dessen Raubnest Agorta von seinem Heere besetzen ließ,
wuchs der Verdacht des Volkes und beide Parteien, versöhnt und
von Gambacurta angeführt, schwuren, Luccas Preisgebung nicht
zuzulasjen. Vergeblich waren Les Kaisers Zusicherungen, er beab-
sichtige nicht im geringsten seine Zusage zu brechen. In der Nacht
vom 20. auf den 21. Mai brach im Stadthause, wo Karl mit
seiner Gemahlin wohnte, Feuer aus, das plötzlich solche Dimen-
sionen annahm, daß der Kaiser und die Kaiserin mit ihrem Gefolge
nur mit Lebensgefahr sich in's Nachbarhaus flüchten konnten; das
städtische Zeughaus mit sämmtlichen Kricgsgeräthen brannte zur
Ruine ab. Böse Leute benützten das zu Verleumdungen, Karl
hätte das Feuer anlegen lassen, um die Pisaner zu entwaffnen und
dann desto leichter an die Florentiner ausliefern zu können.
Der so angefachte Ausruhr brach am folgenden Tage (21. Mai)
offen aus; Bergolini vereinigten sich mit den Raspanti, ver-
barrikadirtcn die Gassen, sperrten und besetzten die Thore mit dein
wüsten Geschrei: „Es lebe das Volk, nieder mit dem Kaiser!"
Karl wohnte mit seiner Gemahlin beim Olmützer Bischöfe,
Johann Ocko von Vlasim, in der Nähe der Kirche, in der sein
Großvater ruhte; sein Heer war in der Stadt zerstreut, der größte
Theil war am andern Flußuser. Als nun Alle zum Schutze des
Kaisers eilten, entspann sich in der Stadt und besonders an der
Brücke ein blutiger Kamps; über hundertundfünfzig Mann fielen und
wurden in den Fluß geworfen; aber Kärl's Soldaten siegten, wo-
bei die Insurgenten schwere Verluste erlitten. Ter Kaiser mit den
Seinen wollte sich einen Weg aus der Stadt bahnen. Als die
Jnjurgentenführer Pasetta di Monte Scudajo und Ludovico della
Rocca merkten, daß ihr Anhang geschlagen sei, wandten sie schnell
den Mantel nach dem Winde, und zum Kaiser eilend ergaben sie
sich, ihm Hülse und Schutz anbieiend, um wenigstens ihre Feinde,
die Bergolini und die Familie Gambacurta zu vernichten. Nun
war der vollkommene Sieg Karl's entschieden. Die Aufrührer
wurden zerstreut, ihre Häupter gefangen und der Friede hergestellt.
Tie erschrockene Kaiserin begab sich nach Pietra L-anta, wo eine
kaiserliche Besatzung lag. Karl befahl dem Richter von Arezzo,
die Rädelsführer zu richten, von denen sieb n, darunter drei Brüder
Gambacurta (Francesco, Lotto und Bartolomeo), am 26. Mai auf
dem Stadtplatze hingerichtet wurden. Nachdem er den tapsern
Bischof von Augsburg als Statthalter in Pisa gelassen, eilte er
schnell der Kaiserin nach. Sr. P.

Sinnsprüche.
Die Wage ist das Bild der Welt,
Tas Leichte steigt, Las Schwere jällt.
Denken was wahr, fühlen, was schön, und wollen, was gut
ist: Larin erkennet der Geist das Ziel Les vernünftigen Lebens.

Auge um Auge.
Erzählung
von
Iriedrich Karl Petersen.
«Fortsetzung.)
Finster starrte der Sinnende hinaus in die von der
sinkenden Sonne beschienene Landschaft. Der Augenblick,
in dem er den theuren Sohn und dessen Wohlthäter, den
Pariser Freund, wiedersehen sollte, war nahe... welch'
schmerzlicher, erinnernd niederschlagender Augenblick. . .
Plötzlich durch sonnte das finstere Gesicht ein mildes
Lächeln. Die schwarzen Augen leuchteten herrlich auf. . .
Ihr Blick war ciuem andern Blicke begegnet, der, entsendet
von zwei klaren lichtblauen Augen, wie fragend auf des
Pfannes Lippen ruhte.
Ihm gegenüber, im andern Coupewinkcl, saß der Leidens-
gefährte, der ihm in der Verbannung das Leben gerettet,
mit dem er zu Numea Freundschaft geschlossen hatte für's
Leben. Es war eine, wie er, fast ärmlich gekleidete, kurze,
stämmige, breitschulterige Gestalt mit einem offenen, ehr-
lichen, durch eine Narbe an der rechten Wange etwas ent-
stellten Plebejergesicht. Der Mann, dessen Vergangenheit
in mehr als einem Punkte der seinigen glich, den, wie ihn,
das Elend in den Kampf getrieben, schnöder Verrath auf
die Anklagebank gebracht hatte, war ihm ergeben bis in den
Tod. Es gemahnte in dessen Benehmen gegen ihn etwas
an die Anhänglichkeit und Treue des Hundes. Auf einen
Wink von ihm hätte sich der Mann in's Feuer gestürzt.
„Ich weiß, woran Du so lange dachtest, Jacques," sagte
der Freund lächelnd, indem er sich auschickte, seine Stummel-
pfeife zu stopfen.
„Dir, Joseph, schwebte bestimmt eine rothe Nase vor."
„Und Dir ein artiges Spitzbubengesicht."
„Wir haben eben Beide eine Aufgabe zu lösen."
Joseph zündete das Kraut in der gestopften Pfeife an,
blies heftig einen Zug Rauch von sich und erwiederte, in-
dem er mit der Rechten um den Hals einen Halbkreis be-
schrieb, in dumpfem Tone: „Die meinige ist bald gelöst.
Er soll mir nur erst in die Fänge gcrathen sein."
Fast Stirn an Stirn saßen die Freunde da. Nach
längerem Schweigen sagte Jacques: „Und Du hast den
Vorfall mit eigenen Augen angesehen?"
„Wir wohnten im fünften Stock. Von Versaillesern
verfolgt, bog ich um die nahe Straßenecke und flüchtete in
unsere Wohnung. Das Haus mit der 'Notarwohnung
schräg gegenüber brannte. Weib und Tochter waren um
mich uud des Feuers wegen in Todesängsten. Ich trat
mit ihnen an's Fenster und lugte hinter der Gardine nach
den Verfolgern auf der Straße unten. Gerade rannte aus
dem Thorgange des brennenden Hauses ein Feuerwehrmann
hervor. Es war der verkleidete Bonapartist. Ich erkannte
ihn auf den ersten Blick trotz der Vermummung; der
Helmschirm verhüllte das rothe Abzeichen nicht ganz. Er
und kein Anderer hatte das Haus mit der 'Notarwohnung
in Brand gesteckt. Was ihm der Streich eingetragen, das
hat er wahrscheinlich keinem Dritten vertraut. Der Schurke
sah so ruhig aus, wie nur ein Pompier an dem Morgen
aussehen konnte. Da stürmten mit dem Chassepot in der
Faust die Versailleser um die Ecke. Der Pompier deutete
nach unserem Fenster hinauf; der Wink erfolgte rasch wie
der Blitz; aber ich nahm ihn deutlich wahr. Ein paar
Schüsse krachten. Mir streifte eine Kugel die Wange.
Neben mir stürzte mein armes Weib mit einer Kugel in
der Brust, und von der tiefbetrübten, aber die Besinnung
nicht verlierenden Tochter fast gewaltsam auf den Treppen-
stur gedrängt, stieg ich zum Dachfenster hinaus und entkam
so glücklich den Verfolgern. . ."
„Und Du meinst, der Halunke übte den Verrath, weil..."
„Weil er mich aus dem Wege räumen wollte, um un-
gestört meiner Tochter nachstellen zu können. Zudem hatte
er einen Groll auf mich, weil ich dem frechen Eindringling
schon einmal mir einem Faustkomplimenr auf den Leib ge-
rückt war."
„Wunderbar ist entschieden die Art und Weise, wie Du
hinter seine Denunziantenschliche, die ja auch mich betroffen
haben, kamst."
„Ich -finde die Entdeckung ganz natürlich. Der Schand-
bube hatte an meine Tochter mehrere Briese geschrieben, die
mir von der bestochenen Concierge eingehändigt worden
waren. Ich kannte somit seine Handschrift, wußte auch,
daß er im Hotel Maurice wohnte. Mit Recht von seiner
Seite das Aergste befürchtend, wandte ich mich an einen
mit mir befreundeten Gesinnungsgenossen und Kameraden,
der in dem Hotel als Aufwärter angestellt war, und der
brachte mir schon am andern Morgen ein Häufchen be-
schriebener Papierfetzen, die er aus dem Stubenkehricht auf-
gelesen hatte und die, von mir zujammcngelegt und auf
einen Bogen Papier geklebt, mich die Bromllons zu den
anonymen Briefen erkennen ließen. Du haft die Stücke
gelesen und seine Handschrift ebenfalls erkannt. Sie stecken
noch hier, zwischen Futter und Tuch," fügte Joseph hinzu,
indem er aus den rechten Rockflügel deutete. Und in ge-
brochenen Lauten stieß er hervor: „Sie nützten mir damals
nicht; es war schon zu spät. Aber er soll sie Wiedersehen...
Mir lvdtete er Weib und Kind, raubte er wie Dir Stellung
und Freiheit. Er soll sie Wiedersehen. Und wehe ihm!..."
 
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