INustrirte Welt.
211
Am Jsouard Molin, ein Mensch, der es trotz der be-
deutendsten geistigen Anlagen, die ihm eine angesehene, hoch-
zeachtete Lebensstellung verbürgt hätten, vorgezogen, ge-
meiner Straßenräuber zu werden, sechs Raubmorde beging
und sich mittlerweile vermöge seiner Talente immer in den
ersten Familien des Kaiserreichs Eintritt zu verschaffen
mußte. Die Angst hatte ihn am Abend der Verhaftung
derartig übermannt, daß er bei dem sofort mit ihm vor-
genommenen Verhör und namentlich als ihm der verhängniß-
rclle Gewehrpfropsen vorgezeigt wurde, alle seine Verbrechen
bekannte. Er endete durch das Beil.
Marion de Vermont aber legte nunmehr, da ihr Ge-
lübde erfüllt war, die Trauerkleidung ab, kehrte jedoch nicht
mehr in die Gesellschaft zurück. Sie verbrachte ihre ferneren
Tage in strengster Zurückgezogenheit und in der Erinnerung
an ihr kurzes Lebens- und Liebesglück. Die Armen und
Unglücklichen in der Nachbarschaft hatten indessen alle Ver-
anlassung, sie als ihre Wohlthäterin zu verehren.
Aus dem Reiche der Erfindungen.
Von
Arthur Herson.
(Nachdruck verboten.!
I.
Es war heute nicht das erste Mal, daß man am runden Tisch
in dm „Drei Enten" zu X. über das Bier schimpfte. Der alt-
bewährte Stoff, darüber waren auch heute wieder Alle außer
Zweifel, konnte nur durch Mängel am Bierdruckapparate gelitten
haben, und wenn der dicke Wirth hinter feinem Schenkpulte hervor
auch unablässig versicherte, daß er erst am vorhergehenden Tage
alle Leitungsröhren sorgfältig mit Lauge ausgepumpt habe, so
gelang es ihm dennoch nicht, weder die dießbezüglichen Zweifel zu
untreuen, noch auch die Hochflut des Unwillens zum Weichen zu
bringen.
> „Daß man uns doch mit den verwünschten Bierdruckapparatcn
wm Leibe geblieben wäre und das Bier noch wie früher direkt
nnd frisch vom Faß verzapfte!" ließ sich der Postfekretär Müller,
eines der jüngeren Mitglieder des Stammtisches, vernehmen.
„Ich bezneisle sehr, mein Lieber," bemerkte in einem Tone,
a«s dem die Gewohnheit, Belehrung zu erthcilen, unschwer heraus-
Mhären war, sein Nachbar, der Gymnasialprofessor Schrot, „ob
ans, die wir jetzt durch die Druckapparate verwöhnt sind, das
birelt vom Faß verzapfte Bier da, wo die Leerung des Fasses
nicht ganz schnell erfolgt, noch munden würde, denn wir dürfen
nicht vergessen, daß es bei der alten Methode unmöglich ist, das
lrmwcichen der Kohlensäure, welche dem Biere den erfrischenden
Mlchmack verleiht, zu verhindern. Soll nämlich das Bier aus
dem Fasse ausflicßen, so muß die Spundössnung der Außcnlust
bk" Zutritt zum Innern des Fasses gestalten und dabei ist es
bmii unvermeidlich, daß man der in der Flüssigkeit enthaltenen
Kohlensäure den Weg sreigibt."
. „Werin der Herr gestattet, daß ich ihm widerspreche, und man
mu an der Unterhaltung theilzunehmen erlaubt, so will ich so-
bmch den Beweis liefern, daß man heutzutage auch direkt vom
tstlse irisches Bier verlangen darf, selbst da, wo der Wirth zum
-skllchenten eines Fasses zwei bis drei Tage gebraucht." Mit
sulm Worten hatte ein an einem Ncbentische sitzender ältlicher
s «ffst dessen volles, von einem graumelirtcn Vollbart umrahmtes
Msttzt einen nicht gewöhnlichen Ausdruck von Intelligenz uno
«ergix zeigte, einen kleinen, blinkenden Gegenstand aus seiner
hervorgezogcn und prästntirte ihn der Gesellschaft.
diesem kleinen Gerätb, mcme Herren," begann er erklärend,
-"blicken Sie einen sogenannten Ventilapparat mit Luftreiniger,
A- m die Spundöffnung des Fasses geschraubt, nicht nur das
- « -ch'" der Kohlensäure absolut unmöglich macht, sondern auch
m Luft, deren Eindringen in das Faß für das Ausfließen des
Dhaltes allerdings unerläßlich ist, filtrirt und sie jo von allen
ftadliE Bestanotheilen befreit. Hier, unter der obersten Ve>-
liegt ein -.chwämmchcn, das, angefeuchtet, alle jene
- .häufig genannten Mikroorganismen der Luft zurückhält,
l dieses Stück Gummischlauch mit plattgedrücktem Ende, welches
an die Verschraubung anschließt, bildet ein so empfindliches
^aßvcntil, wie es gerade für vorliegenden Zweck Erfordcriiiß
A -düte, Herr Wirth," wandte sich der Sprecher jetzt an den
-ödeten, der sich mittlerweile der Gruppe genähert hatte,
Äi^?e" einmal, so leicht cs Ihnen nur möglich ist, an diesem
i^..°b>inde versehenen Ende, das in die Spundöffnung gedreht
iool"^ kann doch unmöglich ein Ventil darin sein," entschied
der Wirth, der, seine zu derartigen Subtilitäten wenig
»'m. 8*en Lippen verzweifelnd zujpitzend, das bezeichnete Experi-
s ""^»gestellt hatte.
Sie, in dieser Leichtigkeit des Saugens," fuhr der
bche eben die Bointe des Ganzen. Versuchen Sie,
einmal ebenso leicht in die Schraubspitze hineinzu-
ffk unmöglich!" bemerkte der Wirth nach einigen ver-
si z. Versuchen. „Es muß doch Wohl jo etwas wie ein Ventil
^.inge jein, das mir jetzt zu gefallen ansängt."
können sich nach Auseinanderschrauben des Apparates
bau ^"Z?°rhandensein des Ventils überführen. Im klebrigen
Mgy, H ^>e, den Apparat in das nächste Faß, welches Sie aus-
ich schrauben, damit wir morgen einmal sehen können, nue
Bier gehalten. Für jeden Schaden an letzterem komme
'd" gern auf."
k läßt verzeihen, mein Herr!" wandte sich einer der Stanim-
dbr p" "er! Sprecher. „Sie werden gewiß ein Konkurrent von
" Uno sich hi^r etabliren wollen. Mcin Name ist Siegfried
b«rtich pjn Inhaber der Firma gleichen Namens, ich
sstr- ,wscn, der ersten am hiesigen Blatze in «reiner Branche,
Anians vuterie- und s. irre Mrtallwaareu; dieselbe wird Ihnen
"°cht unbekannt zcin."
bei meinem erst kurzen Verweilen an diesem
A fächt der Ehre der Bekanntschaft mit Ihrer geschätzten
geworden zu jein. Einen Konkurrenten haben
vn mix -u fürchten, Sie erblicken vielmehr in mir
nur einen Menschen, der eine ganz besondere Vorliebe, ja, ich darf
sagen Passion, für alle Neuheiten hat, die sich auf das Gebiet der
Hnuswirthschaftsgeräthc, Sportartikel, Bureau- und Reifeutensilien,
erstrecken. Wo ich nur von einer derartigen Novität höre oder
lese, — und wie Sie wisst», fehlt es ja in unserer Zeit dazu nicht
an Gelegenheit — lasse ich mir dieselbe kommen und reihe sie,
wenn sie gut ist, meinem in dieser Hinsicht schon sehr reichhaltigen
Inventar, ist sie wcrthlos, meiner gleichfalls schon recht umfang-
reich gewordenen Rumpelkammer ein. Wenn sich die Henen" —
der ganze Stammtisch war den Auseinanoersetzungen gefolgt —
„vielleicht für dergleichen interejsiren, fo gestatte ich mir, sie Alle
zur Besichtigung meiner permanenten Privatausstellung cinzuladen.
Mein Name ist Blessing und ich wohne auf der andern Seite des
Platzes, in dem Hause mit dem Erker, eine Treppe hoch."
Nachdem die Vorstellungen erfolgt, versprach man von allen
Seiten der freundlichen Einladung bald nachkommen zu lwollen,
und hob, da die übliche Aufbruchsstunde gekommen war, die
Sitzung auf, merkwürdigerweise ohne erheblichere Neste Les ge-
schmähten Trankes in Len Gläsern zurückzulajjen.
Akklimatisation.
Eine Skizze
von
vr. Hduard Ileich.
Klima ist die Gesammtheit der physischen und, setzen wir hinzu,
auch der moralischen Verhältnisse einer Gegend. Die Eingeborenen
eines Landes können als Produkte feines Klimas betrachtet werden;
seit Jahrzehnten, Jahrhunderten ist ihr Organismus an das be-
stimmte Klima gewöhnt. Kommt nun ein Mensch, eine ganze
Bevölkerung unter andere klimatische Verhältnisse, so muß er mit
denselben in Einklang sich setzen, er muß sich akklimatisiren, um
normal weiterleben zu können. Tic Akklimatisirung ist nicht bloß
physische, solidem auch moralische Anpassung an die neuen Lebens-
bedingungen uno geschieht bei einem Menschen, bei einem Volke
razcher, bei dem andern jedoch langsamer, bei dem dritten gar
nicht; denn es gibt Einzelwesen und Gesammtheiten, welche in
fernen Gegenden gar nicht sich akklimatisiren. Der Mensch ist
keineswegs ein Kosmopolit, wie ehedem geglaubt wurde, wenn
auch manche Rassen und Volksstämme in einer großen Zahl von
Gegenden beziehungsweise leicht den Dafeinsverhältnissen sich an-
passen; in gewissen Erdstrichen kann kein Mensch festen Fuß fassen,
ohne in die Gefahr frühzeitiger Vernichtung zu kommen. Im
Allgemeinen kann man aussprechen, es erfolge die Attlimatisirung
um so leichter, je gesunder, thatkräftigcr, elastischer, zäher, geistig
und sittlich trüftiger, vorsichtiger eine Persönlichkeit oder Bevölke-
rung ist, je mehr dieselbe die Lebensweise der Eingeborenen annimmt,
und je gewisser sie alle jene Ausschreitungen in Bezug auf Arbeit
und sinnlichen Genuß unterläßt, welche das Maß der Kräfte und
des Widerstandes herabsetzen. Mit Zunahme der Krankheitsanlagen
und Gebrechlichkeit vermindert sich die Fähigkeit der Akklimatisation,
ebenso mit Zunahme des höhern Alters. Wenn wir bedenken. Laß
in jedem Klima die Verhältnisse von Luftdruck, Wind, Feuchtig-
keit, Bodenbcschaffenheit, Trinkwasscr, Sonnenlicht, Pflanzenwuchs,
Ernährung, Beschäftigung andere sind, und daß jede Raffe, jede
Klasse der Bevölkerung mit allen diesen gewöhnlichen Bedingungen
organisch verwachsen ist, so wird es leicht verständlich, daß bei
Plötzlicher Vertauschung des heimischen Klimas mit einem fremden
der Organismus in Schwankungen seines Haushalts gerathen und
dadurch in höherem Maße zu Leiden bcanlagt sein wird. Und
Liese Schwankungen der leiblichen Oekonomie, welche mit Störungen
in Verdauung, Anähnlichung, Umsatz und Ausscheidung beginnen,
gehen mrt Abweichungen innerhalb der Seelcnvorgünge einher und
werden durch diese gesteigert. Es muß also der Mensch durch
große Vorsicht und strenge Beobachtung der Normen leiblicher
und seelischer Gesundheitspflege an die neuen Verhältnisse sich ge-
wöhnen, in das neue Klima sich hincinleben. Nach den bisher
gemachten Erfahrungen vermögen Juden und Zigeuner am leichtesten
und an den meisten Orten sich zu akklimatisiren; weiter kommt
Südfranzosen, Italienern und Spaniern in hohem Grade Liese
Eigenschaft zu. Dagegen ist zum Beispiel der Lappländer jo wenig
akklimatftationsfähig, daß er selbst in Stockholm nicht mehr gedeiht.
Während der Neger in den Sumpfgegenden der heißen Zone sich
eingewöhnen kann, sind solche Erdstriche für den weihen Menschen
lebensgefährlich; der Letztere aber vermag sich in hohen Gebirgen
der heißen Zone zu akklimatisiren, wogegen der Schwarze dort zu
Grunde geht. Treibt der Europäer Ackerbau, so kann er in vielen
Gegenden des heißen Erdgürtels niemals sich eingewöhnen; will
er daselbst sich akklimatisiren, so muß er Gebirge aufsuchen und
den Bau des Bodens Len Eingeborenen überlassen. Auf der süd-
lichen Erdhälfle gewöhnt der Europäer auch in tropischen Gegenden
sich ein, ungleich besser, als in den heißen Gebieten der nördlich.»
Halbkugel. Plötzlicher Wechsel des Klimas wird selten ohne Nachtheil
sür die Gesundheit ertragen; man thut daher Wohl daran, zunächst
eine Gegend zu bewohnen, welche den Uebergang bildet von dec bisher
bewohnten zu der für die Zukunjt auserwählten. Ob Kreuzung
der Rassen die Akklimatisirung erleichtert, ist noch sehr fraglich;
für die Einwanderer selbst wird Vcrheirathung mit Eingeborenen
mehr mittelbar als unmittelbar die Anpassung des Organismus
an die neuen Verhältnisse begünstigen, für die Nachkommen aus
solchen Mischehen aber schon unmittelbar.
Durchlchnitlskrali der Ringarafälle.
Tie Turchschnittskrast der Niagarafälle veranschlagt Benjamin
Rhodes, ein amerikanischer Ingenieur, einschließlich der oberhalb
befindlichen Stromschnellen auf 7 Millionen Pstrdekraft. Tie
Gesammtkosten der zur Nutzbarmachung dieser Kraft erforderlichen
Vorrichtungen und Maschinen innerhalb eines Radius von 500
Meilen schätzt er auf 5000 Millionen Tollars. Tie Verwendung
dieser Kraft an Stelle von Tampf würde allein eine jährliche Er-
sparniß von 40 Dollars in der Erhaltung eines jeden elektrischen
Lichts in der Stadt Bugalo ausmachen.
Auge nm Auge.
Erzählung
von
Iriedrich Hart Petersen.
(Forlsetzung.)
In einem von einer Gasflamme erleuchteten, kleinen,
hohen Gemache im ersten Stocke, dem sich andere kleine
Eßzimmer anreihten, hatte der Traiteur der erhaltenen
Weisung gemäß den Tisch gedeckt. Und nicht lange, so
saßen die Gäste und ließen es sich munden. Raoul wurde
nicht müde im Fragen nach den Zuständen auf der Kanaken-
insel, während Moulinet ü la Brisebarre mit etlichen heiteren
und erheiternden Anekdoten sein Glück versuchte, um nur
den Freund in guter Laune zu erhalten.
„Sind diese Kanakcn denn wirklich Menschenfresser?"
fragte Raoul.
„Ich persönlich habe sie nicht am Werk gesehen," ver-
setzte Cottin. „Aber es sollen während meines Aufenthalts
in Numea wirklich in der Hinsicht ein paar Beweisfälle
vorgekommen sein."
„Dabei fällt mir ein," bemerkte Moulinet, „daß heute
Mittag bei Tische in meinem Beisein eine Geschichte von
einem Franzosen, und zwar einem Verbannten, erzählt
wurde, der von Kanälen zwischen glühend gemachten Stei-
nen buchstäblich gebacken ward. Leider war ich gerade mit
dem Jmprovisiren eines Gedichtes beschäftigt, so daß mir
der Zusammenhang entging. Ich entsinne mich nur, daß
das Schlachtopfer der Kannibalen Deinen Pseudonamen
führte, was mich nicht befremden konnte, da der Name
gerade nicht selten verkommt."
„Es war kein angenehmes Leben drüben, das versichere
ich euch," sagte Eottin erregt. „Aber ich dachte nicht viel
an die Unannehmlichkeiten, welche mir der Aufenthalt bot,
an die Kanaken; wie oft ballte ich in schlaflosen Nächten
auf dem armseligen Lager in ohnmächtiger Wuth die
Hände und stieß Todesdrohungen wider den Elenden aus,
durch den ich ..."
„Ei, ich vergaß ganz," unterbrach ihn Moulinet, „wer
war denn der kleine blonde Dickkopf, Dein Begleiter, der
sich so lustig von unserem Freunde Grosjean entführen
ließ?"
„Ein Freund. Ich lernte ihn im Exil achten und lieben.
Er erwies mir einmal einen. .. Liebesdienst, für den ich
ihm vielleicht nie Dank wissen werde. .. Und doch ...
wie sollte ich es nicht?" fügte er, dem Sohne einen leuch-
tenden Blick schenkend, hinzu. „Vielleicht," fuhr er fort,
„vielleicht hört ihr bald mehr von ihm. Mit dem genann-
ten Grosjean hat er eine kleine Angelegenheit zu ordnen.
Es wird in diesen Tagen noch mancher Andere auf ein
solches Ordnen bedacht sein. Und auch ich ..."
„Ei, ei," fiel ihm Moulinet in die Rede; „sollte Freund
Grosjean ... Ich wüßte doch nicht..."
„Und auch ich," fuhr Eottin lauter fort, „will so bald
als möglich mir Recht zu verschaffen suchen. Reden wir
ein ernstes Wort zusammen, Francois! So lange der
Punkt nicht erledigt ist, finde ich keine Ruhe. Ich beab-
sichtige gleich morgen den ersten Schritt zu thun! Glaubst
Du, daß er einlenken wird?"
„Ich wage nicht, die Frage zu bejahen."
„Du glaubst es nicht? Nun denn, so schwöre ich Dir
beim allmächtigen Gott, daß ich den elenden Schurken..."
„Godard ist kein Schurke," unterbrach ihn Moulinet
in ernstem Tone; „er ist nur verblendet. Das Glück hat
ihn stolz gemacht, und er glaubt allen Ernstes, sein gutes
Recht zu wahren, indem er das Fabrikgeschäft für sich allein
beansprucht. Dein Eingebrachtes, daran zweifle ich nicht
im Geringsten, würde er Dir bei Heller und Pfennig zu-
rückerstatten."
„Die schöne Bescherung!" brauste Cottin auf. „Auf
meine Theilhaberschaft verzichte ich nun und nimmer, und
sollte ich. . ."
„Vater, Vater!" rief Raoul in bittendem Tone. „So
mach' Dir doch keine Sorgen! Wir gründen, geht es nicht
anders, ein neues Geschäft."
„Der Gesellschaftskontrakt war so gut wie geschlossen,"
fuhr Cottin, vor sich hinredend, fort; „das Original lag
beim Notar; es verbrannte mitsammt dem Verwahrer.
Ich hatte eine beglaubigte Abschrift, nebst einem andern
schriftlichen Beweis in der Tasche; sie wurden mir ent-
wendet . . ."
„Entwendet?" stutzte Moulinet. War nicht in jener
Erzählung auch von Papieren die Rede gewesen? Doch
nein, die Voraussetzung war gar zu thöricht. „Wo und
wann denn emwendet?" fragte er.
„Nun, zu Numea, ein paar Tage vor unserer Abfahrt.
Damit hätte ich im Weigerungsfall eine Klage anhängig
machen können... Er sei ein ehrlicher Mann, sagst Du?
Das werden wir morgen sehen, denn ein ehrlicher Mann
hält sein Wort in Ehren."
„Würdest Du Dich zu einem Abkommen bereit finden
lassen?" wandte Moulinet schüchtern ein.
„Ha, ich erratle," lachte Cottin ingrimmig. „Der
Biedermann ist unser Prinzipal, wir nehmen seine Inter-
essen wahr. . ."
„IaequcS, das ist Dein Ernst nicht!" rief Moulinet,
von seinem Sitze ausspringend. Er wollte weiter reden.
211
Am Jsouard Molin, ein Mensch, der es trotz der be-
deutendsten geistigen Anlagen, die ihm eine angesehene, hoch-
zeachtete Lebensstellung verbürgt hätten, vorgezogen, ge-
meiner Straßenräuber zu werden, sechs Raubmorde beging
und sich mittlerweile vermöge seiner Talente immer in den
ersten Familien des Kaiserreichs Eintritt zu verschaffen
mußte. Die Angst hatte ihn am Abend der Verhaftung
derartig übermannt, daß er bei dem sofort mit ihm vor-
genommenen Verhör und namentlich als ihm der verhängniß-
rclle Gewehrpfropsen vorgezeigt wurde, alle seine Verbrechen
bekannte. Er endete durch das Beil.
Marion de Vermont aber legte nunmehr, da ihr Ge-
lübde erfüllt war, die Trauerkleidung ab, kehrte jedoch nicht
mehr in die Gesellschaft zurück. Sie verbrachte ihre ferneren
Tage in strengster Zurückgezogenheit und in der Erinnerung
an ihr kurzes Lebens- und Liebesglück. Die Armen und
Unglücklichen in der Nachbarschaft hatten indessen alle Ver-
anlassung, sie als ihre Wohlthäterin zu verehren.
Aus dem Reiche der Erfindungen.
Von
Arthur Herson.
(Nachdruck verboten.!
I.
Es war heute nicht das erste Mal, daß man am runden Tisch
in dm „Drei Enten" zu X. über das Bier schimpfte. Der alt-
bewährte Stoff, darüber waren auch heute wieder Alle außer
Zweifel, konnte nur durch Mängel am Bierdruckapparate gelitten
haben, und wenn der dicke Wirth hinter feinem Schenkpulte hervor
auch unablässig versicherte, daß er erst am vorhergehenden Tage
alle Leitungsröhren sorgfältig mit Lauge ausgepumpt habe, so
gelang es ihm dennoch nicht, weder die dießbezüglichen Zweifel zu
untreuen, noch auch die Hochflut des Unwillens zum Weichen zu
bringen.
> „Daß man uns doch mit den verwünschten Bierdruckapparatcn
wm Leibe geblieben wäre und das Bier noch wie früher direkt
nnd frisch vom Faß verzapfte!" ließ sich der Postfekretär Müller,
eines der jüngeren Mitglieder des Stammtisches, vernehmen.
„Ich bezneisle sehr, mein Lieber," bemerkte in einem Tone,
a«s dem die Gewohnheit, Belehrung zu erthcilen, unschwer heraus-
Mhären war, sein Nachbar, der Gymnasialprofessor Schrot, „ob
ans, die wir jetzt durch die Druckapparate verwöhnt sind, das
birelt vom Faß verzapfte Bier da, wo die Leerung des Fasses
nicht ganz schnell erfolgt, noch munden würde, denn wir dürfen
nicht vergessen, daß es bei der alten Methode unmöglich ist, das
lrmwcichen der Kohlensäure, welche dem Biere den erfrischenden
Mlchmack verleiht, zu verhindern. Soll nämlich das Bier aus
dem Fasse ausflicßen, so muß die Spundössnung der Außcnlust
bk" Zutritt zum Innern des Fasses gestalten und dabei ist es
bmii unvermeidlich, daß man der in der Flüssigkeit enthaltenen
Kohlensäure den Weg sreigibt."
. „Werin der Herr gestattet, daß ich ihm widerspreche, und man
mu an der Unterhaltung theilzunehmen erlaubt, so will ich so-
bmch den Beweis liefern, daß man heutzutage auch direkt vom
tstlse irisches Bier verlangen darf, selbst da, wo der Wirth zum
-skllchenten eines Fasses zwei bis drei Tage gebraucht." Mit
sulm Worten hatte ein an einem Ncbentische sitzender ältlicher
s «ffst dessen volles, von einem graumelirtcn Vollbart umrahmtes
Msttzt einen nicht gewöhnlichen Ausdruck von Intelligenz uno
«ergix zeigte, einen kleinen, blinkenden Gegenstand aus seiner
hervorgezogcn und prästntirte ihn der Gesellschaft.
diesem kleinen Gerätb, mcme Herren," begann er erklärend,
-"blicken Sie einen sogenannten Ventilapparat mit Luftreiniger,
A- m die Spundöffnung des Fasses geschraubt, nicht nur das
- « -ch'" der Kohlensäure absolut unmöglich macht, sondern auch
m Luft, deren Eindringen in das Faß für das Ausfließen des
Dhaltes allerdings unerläßlich ist, filtrirt und sie jo von allen
ftadliE Bestanotheilen befreit. Hier, unter der obersten Ve>-
liegt ein -.chwämmchcn, das, angefeuchtet, alle jene
- .häufig genannten Mikroorganismen der Luft zurückhält,
l dieses Stück Gummischlauch mit plattgedrücktem Ende, welches
an die Verschraubung anschließt, bildet ein so empfindliches
^aßvcntil, wie es gerade für vorliegenden Zweck Erfordcriiiß
A -düte, Herr Wirth," wandte sich der Sprecher jetzt an den
-ödeten, der sich mittlerweile der Gruppe genähert hatte,
Äi^?e" einmal, so leicht cs Ihnen nur möglich ist, an diesem
i^..°b>inde versehenen Ende, das in die Spundöffnung gedreht
iool"^ kann doch unmöglich ein Ventil darin sein," entschied
der Wirth, der, seine zu derartigen Subtilitäten wenig
»'m. 8*en Lippen verzweifelnd zujpitzend, das bezeichnete Experi-
s ""^»gestellt hatte.
Sie, in dieser Leichtigkeit des Saugens," fuhr der
bche eben die Bointe des Ganzen. Versuchen Sie,
einmal ebenso leicht in die Schraubspitze hineinzu-
ffk unmöglich!" bemerkte der Wirth nach einigen ver-
si z. Versuchen. „Es muß doch Wohl jo etwas wie ein Ventil
^.inge jein, das mir jetzt zu gefallen ansängt."
können sich nach Auseinanderschrauben des Apparates
bau ^"Z?°rhandensein des Ventils überführen. Im klebrigen
Mgy, H ^>e, den Apparat in das nächste Faß, welches Sie aus-
ich schrauben, damit wir morgen einmal sehen können, nue
Bier gehalten. Für jeden Schaden an letzterem komme
'd" gern auf."
k läßt verzeihen, mein Herr!" wandte sich einer der Stanim-
dbr p" "er! Sprecher. „Sie werden gewiß ein Konkurrent von
" Uno sich hi^r etabliren wollen. Mcin Name ist Siegfried
b«rtich pjn Inhaber der Firma gleichen Namens, ich
sstr- ,wscn, der ersten am hiesigen Blatze in «reiner Branche,
Anians vuterie- und s. irre Mrtallwaareu; dieselbe wird Ihnen
"°cht unbekannt zcin."
bei meinem erst kurzen Verweilen an diesem
A fächt der Ehre der Bekanntschaft mit Ihrer geschätzten
geworden zu jein. Einen Konkurrenten haben
vn mix -u fürchten, Sie erblicken vielmehr in mir
nur einen Menschen, der eine ganz besondere Vorliebe, ja, ich darf
sagen Passion, für alle Neuheiten hat, die sich auf das Gebiet der
Hnuswirthschaftsgeräthc, Sportartikel, Bureau- und Reifeutensilien,
erstrecken. Wo ich nur von einer derartigen Novität höre oder
lese, — und wie Sie wisst», fehlt es ja in unserer Zeit dazu nicht
an Gelegenheit — lasse ich mir dieselbe kommen und reihe sie,
wenn sie gut ist, meinem in dieser Hinsicht schon sehr reichhaltigen
Inventar, ist sie wcrthlos, meiner gleichfalls schon recht umfang-
reich gewordenen Rumpelkammer ein. Wenn sich die Henen" —
der ganze Stammtisch war den Auseinanoersetzungen gefolgt —
„vielleicht für dergleichen interejsiren, fo gestatte ich mir, sie Alle
zur Besichtigung meiner permanenten Privatausstellung cinzuladen.
Mein Name ist Blessing und ich wohne auf der andern Seite des
Platzes, in dem Hause mit dem Erker, eine Treppe hoch."
Nachdem die Vorstellungen erfolgt, versprach man von allen
Seiten der freundlichen Einladung bald nachkommen zu lwollen,
und hob, da die übliche Aufbruchsstunde gekommen war, die
Sitzung auf, merkwürdigerweise ohne erheblichere Neste Les ge-
schmähten Trankes in Len Gläsern zurückzulajjen.
Akklimatisation.
Eine Skizze
von
vr. Hduard Ileich.
Klima ist die Gesammtheit der physischen und, setzen wir hinzu,
auch der moralischen Verhältnisse einer Gegend. Die Eingeborenen
eines Landes können als Produkte feines Klimas betrachtet werden;
seit Jahrzehnten, Jahrhunderten ist ihr Organismus an das be-
stimmte Klima gewöhnt. Kommt nun ein Mensch, eine ganze
Bevölkerung unter andere klimatische Verhältnisse, so muß er mit
denselben in Einklang sich setzen, er muß sich akklimatisiren, um
normal weiterleben zu können. Tic Akklimatisirung ist nicht bloß
physische, solidem auch moralische Anpassung an die neuen Lebens-
bedingungen uno geschieht bei einem Menschen, bei einem Volke
razcher, bei dem andern jedoch langsamer, bei dem dritten gar
nicht; denn es gibt Einzelwesen und Gesammtheiten, welche in
fernen Gegenden gar nicht sich akklimatisiren. Der Mensch ist
keineswegs ein Kosmopolit, wie ehedem geglaubt wurde, wenn
auch manche Rassen und Volksstämme in einer großen Zahl von
Gegenden beziehungsweise leicht den Dafeinsverhältnissen sich an-
passen; in gewissen Erdstrichen kann kein Mensch festen Fuß fassen,
ohne in die Gefahr frühzeitiger Vernichtung zu kommen. Im
Allgemeinen kann man aussprechen, es erfolge die Attlimatisirung
um so leichter, je gesunder, thatkräftigcr, elastischer, zäher, geistig
und sittlich trüftiger, vorsichtiger eine Persönlichkeit oder Bevölke-
rung ist, je mehr dieselbe die Lebensweise der Eingeborenen annimmt,
und je gewisser sie alle jene Ausschreitungen in Bezug auf Arbeit
und sinnlichen Genuß unterläßt, welche das Maß der Kräfte und
des Widerstandes herabsetzen. Mit Zunahme der Krankheitsanlagen
und Gebrechlichkeit vermindert sich die Fähigkeit der Akklimatisation,
ebenso mit Zunahme des höhern Alters. Wenn wir bedenken. Laß
in jedem Klima die Verhältnisse von Luftdruck, Wind, Feuchtig-
keit, Bodenbcschaffenheit, Trinkwasscr, Sonnenlicht, Pflanzenwuchs,
Ernährung, Beschäftigung andere sind, und daß jede Raffe, jede
Klasse der Bevölkerung mit allen diesen gewöhnlichen Bedingungen
organisch verwachsen ist, so wird es leicht verständlich, daß bei
Plötzlicher Vertauschung des heimischen Klimas mit einem fremden
der Organismus in Schwankungen seines Haushalts gerathen und
dadurch in höherem Maße zu Leiden bcanlagt sein wird. Und
Liese Schwankungen der leiblichen Oekonomie, welche mit Störungen
in Verdauung, Anähnlichung, Umsatz und Ausscheidung beginnen,
gehen mrt Abweichungen innerhalb der Seelcnvorgünge einher und
werden durch diese gesteigert. Es muß also der Mensch durch
große Vorsicht und strenge Beobachtung der Normen leiblicher
und seelischer Gesundheitspflege an die neuen Verhältnisse sich ge-
wöhnen, in das neue Klima sich hincinleben. Nach den bisher
gemachten Erfahrungen vermögen Juden und Zigeuner am leichtesten
und an den meisten Orten sich zu akklimatisiren; weiter kommt
Südfranzosen, Italienern und Spaniern in hohem Grade Liese
Eigenschaft zu. Dagegen ist zum Beispiel der Lappländer jo wenig
akklimatftationsfähig, daß er selbst in Stockholm nicht mehr gedeiht.
Während der Neger in den Sumpfgegenden der heißen Zone sich
eingewöhnen kann, sind solche Erdstriche für den weihen Menschen
lebensgefährlich; der Letztere aber vermag sich in hohen Gebirgen
der heißen Zone zu akklimatisiren, wogegen der Schwarze dort zu
Grunde geht. Treibt der Europäer Ackerbau, so kann er in vielen
Gegenden des heißen Erdgürtels niemals sich eingewöhnen; will
er daselbst sich akklimatisiren, so muß er Gebirge aufsuchen und
den Bau des Bodens Len Eingeborenen überlassen. Auf der süd-
lichen Erdhälfle gewöhnt der Europäer auch in tropischen Gegenden
sich ein, ungleich besser, als in den heißen Gebieten der nördlich.»
Halbkugel. Plötzlicher Wechsel des Klimas wird selten ohne Nachtheil
sür die Gesundheit ertragen; man thut daher Wohl daran, zunächst
eine Gegend zu bewohnen, welche den Uebergang bildet von dec bisher
bewohnten zu der für die Zukunjt auserwählten. Ob Kreuzung
der Rassen die Akklimatisirung erleichtert, ist noch sehr fraglich;
für die Einwanderer selbst wird Vcrheirathung mit Eingeborenen
mehr mittelbar als unmittelbar die Anpassung des Organismus
an die neuen Verhältnisse begünstigen, für die Nachkommen aus
solchen Mischehen aber schon unmittelbar.
Durchlchnitlskrali der Ringarafälle.
Tie Turchschnittskrast der Niagarafälle veranschlagt Benjamin
Rhodes, ein amerikanischer Ingenieur, einschließlich der oberhalb
befindlichen Stromschnellen auf 7 Millionen Pstrdekraft. Tie
Gesammtkosten der zur Nutzbarmachung dieser Kraft erforderlichen
Vorrichtungen und Maschinen innerhalb eines Radius von 500
Meilen schätzt er auf 5000 Millionen Tollars. Tie Verwendung
dieser Kraft an Stelle von Tampf würde allein eine jährliche Er-
sparniß von 40 Dollars in der Erhaltung eines jeden elektrischen
Lichts in der Stadt Bugalo ausmachen.
Auge nm Auge.
Erzählung
von
Iriedrich Hart Petersen.
(Forlsetzung.)
In einem von einer Gasflamme erleuchteten, kleinen,
hohen Gemache im ersten Stocke, dem sich andere kleine
Eßzimmer anreihten, hatte der Traiteur der erhaltenen
Weisung gemäß den Tisch gedeckt. Und nicht lange, so
saßen die Gäste und ließen es sich munden. Raoul wurde
nicht müde im Fragen nach den Zuständen auf der Kanaken-
insel, während Moulinet ü la Brisebarre mit etlichen heiteren
und erheiternden Anekdoten sein Glück versuchte, um nur
den Freund in guter Laune zu erhalten.
„Sind diese Kanakcn denn wirklich Menschenfresser?"
fragte Raoul.
„Ich persönlich habe sie nicht am Werk gesehen," ver-
setzte Cottin. „Aber es sollen während meines Aufenthalts
in Numea wirklich in der Hinsicht ein paar Beweisfälle
vorgekommen sein."
„Dabei fällt mir ein," bemerkte Moulinet, „daß heute
Mittag bei Tische in meinem Beisein eine Geschichte von
einem Franzosen, und zwar einem Verbannten, erzählt
wurde, der von Kanälen zwischen glühend gemachten Stei-
nen buchstäblich gebacken ward. Leider war ich gerade mit
dem Jmprovisiren eines Gedichtes beschäftigt, so daß mir
der Zusammenhang entging. Ich entsinne mich nur, daß
das Schlachtopfer der Kannibalen Deinen Pseudonamen
führte, was mich nicht befremden konnte, da der Name
gerade nicht selten verkommt."
„Es war kein angenehmes Leben drüben, das versichere
ich euch," sagte Eottin erregt. „Aber ich dachte nicht viel
an die Unannehmlichkeiten, welche mir der Aufenthalt bot,
an die Kanaken; wie oft ballte ich in schlaflosen Nächten
auf dem armseligen Lager in ohnmächtiger Wuth die
Hände und stieß Todesdrohungen wider den Elenden aus,
durch den ich ..."
„Ei, ich vergaß ganz," unterbrach ihn Moulinet, „wer
war denn der kleine blonde Dickkopf, Dein Begleiter, der
sich so lustig von unserem Freunde Grosjean entführen
ließ?"
„Ein Freund. Ich lernte ihn im Exil achten und lieben.
Er erwies mir einmal einen. .. Liebesdienst, für den ich
ihm vielleicht nie Dank wissen werde. .. Und doch ...
wie sollte ich es nicht?" fügte er, dem Sohne einen leuch-
tenden Blick schenkend, hinzu. „Vielleicht," fuhr er fort,
„vielleicht hört ihr bald mehr von ihm. Mit dem genann-
ten Grosjean hat er eine kleine Angelegenheit zu ordnen.
Es wird in diesen Tagen noch mancher Andere auf ein
solches Ordnen bedacht sein. Und auch ich ..."
„Ei, ei," fiel ihm Moulinet in die Rede; „sollte Freund
Grosjean ... Ich wüßte doch nicht..."
„Und auch ich," fuhr Eottin lauter fort, „will so bald
als möglich mir Recht zu verschaffen suchen. Reden wir
ein ernstes Wort zusammen, Francois! So lange der
Punkt nicht erledigt ist, finde ich keine Ruhe. Ich beab-
sichtige gleich morgen den ersten Schritt zu thun! Glaubst
Du, daß er einlenken wird?"
„Ich wage nicht, die Frage zu bejahen."
„Du glaubst es nicht? Nun denn, so schwöre ich Dir
beim allmächtigen Gott, daß ich den elenden Schurken..."
„Godard ist kein Schurke," unterbrach ihn Moulinet
in ernstem Tone; „er ist nur verblendet. Das Glück hat
ihn stolz gemacht, und er glaubt allen Ernstes, sein gutes
Recht zu wahren, indem er das Fabrikgeschäft für sich allein
beansprucht. Dein Eingebrachtes, daran zweifle ich nicht
im Geringsten, würde er Dir bei Heller und Pfennig zu-
rückerstatten."
„Die schöne Bescherung!" brauste Cottin auf. „Auf
meine Theilhaberschaft verzichte ich nun und nimmer, und
sollte ich. . ."
„Vater, Vater!" rief Raoul in bittendem Tone. „So
mach' Dir doch keine Sorgen! Wir gründen, geht es nicht
anders, ein neues Geschäft."
„Der Gesellschaftskontrakt war so gut wie geschlossen,"
fuhr Cottin, vor sich hinredend, fort; „das Original lag
beim Notar; es verbrannte mitsammt dem Verwahrer.
Ich hatte eine beglaubigte Abschrift, nebst einem andern
schriftlichen Beweis in der Tasche; sie wurden mir ent-
wendet . . ."
„Entwendet?" stutzte Moulinet. War nicht in jener
Erzählung auch von Papieren die Rede gewesen? Doch
nein, die Voraussetzung war gar zu thöricht. „Wo und
wann denn emwendet?" fragte er.
„Nun, zu Numea, ein paar Tage vor unserer Abfahrt.
Damit hätte ich im Weigerungsfall eine Klage anhängig
machen können... Er sei ein ehrlicher Mann, sagst Du?
Das werden wir morgen sehen, denn ein ehrlicher Mann
hält sein Wort in Ehren."
„Würdest Du Dich zu einem Abkommen bereit finden
lassen?" wandte Moulinet schüchtern ein.
„Ha, ich erratle," lachte Cottin ingrimmig. „Der
Biedermann ist unser Prinzipal, wir nehmen seine Inter-
essen wahr. . ."
„IaequcS, das ist Dein Ernst nicht!" rief Moulinet,
von seinem Sitze ausspringend. Er wollte weiter reden.