Illustrirte Welt.
299
mit dein andern so weit als thunlich in die See hinaus. Dort
Mrd gewendet und ein Halbkreis beschrieben nach dem Ausgangs-
punkte, so daß mit langsamem Rudern das Boot nach zurück-
gelegtem Laufe von 1 Kilometer nach Ablauf einer Stunde das
Ziel erreicht.
Im Mai ist der Zerrolo, ein dort sehr häufiger Fisch, be-
sonders wohlschmeckend, weßhalb man sagt:
«Ouanäo jl pruno ö tiorito, II csrrolo ö oarorito.»
Wenn der Dornstrauch blübt, schmeckt der Zerrolo am besten.)
Die Industrie ist lohnend, da ein Boot mehrere Ausflüge im
Laufe des Tages macht. In Ajaccio finden die Fische guten
Absatz. Richard Oberländer.
Die 8omM>nbuIe.
(Bild S. 2S7.)
In südlichen Ländern, besonders in Italien, Spanien und Süd-
srankreich, spielt der Somnambulismus im Volksleben eine große
Rolle. Die Somnambule ist dort das Orakel, welches den Leuten
Auskunft gibt über alle möglichen Dinge; in Italien namentlich,
nelche Nummer man für die Lotterie zu wählen hat; außerdem
aber auch noch, wo das gestohlene Gut sich vorfindet. Diese Fragen
stellt das Publikum, zuerst jedoch führt die Hellseherin sich ein
dadurch, daß sie Anderen unbekannte Dinge den Männern und
Frauen sagt, von den Verstorbenen Beschreibungen gibt und von
Abwesenden berichtet. Solche Volkshelljeherinnen sind bald ganz
junge Mädchen, bald Frauen von reiferer Jugend, ältere nie. Stets
haben sie einen Herrn und Meister, einen Professor, der die Vor-
stellung leitet. Es ist sehr interessant, in den Straßen Neapels,
Venedigs und Marseilles einer solchen Produktion beizuwohneu.
Ta hat sich denn ein großer Kreis Zuschauer um die Somnam-
bule gebildet. Alles lauscht den mit klarer und deutlicher, aber
nicht zu lauter Stimme gegebenen Antworten des Mediums, und
dieses wird durch eine leise Handbewegung des Professors vor jeder
Auskunft tiefer in den Schlaf versenkl. Unumgänglich nöthig für
den Professor scheint ein Frack, wie für das Medium ein buntes
Umschlagetuch und ein Helles Kleid. Der Aberglaube der Süd-
länder Hilst den Armen — denn das sind Medium wie Professor —
ihr kärgliches Brod auf diese Weise verdienen. Zu anderen Zeiten
ist der Prosessor ein Taschenspieler und die Frau oder das Mäd-
chen seine Gehülfin; oft ergreifen heruntergekommene Schauspieler
diesen Beruf, der in den Ländern jenseits der Alpen und südlicher
als Lyon von der Polizei nicht gestört wird. Auf unserem Bilde
sehen wir solch' eine Vorstellung auf dem Lande jenseits der Vo-
gesen. Das Bild ist von überzeugender Lebenswahrheit und ohne
Zweifel nach der Wirklichkeit gezeichnet. Es zeigt ein charakteristisches
Stück südländischen Volkslebens.
Änekdotrn und Witze.
Aus dem Hofleben vor dreihundert Jahren.
Landgraf Georg i. von Hessen, der Stifter des regierenden
Hauses von Hessen-Darmstadt, war ein weiser Regent und ein
guter Haushalter, der bei Antritt seiner Regierung nur einige
tausend Gulden Einkünfte hatte, aber so trefflich zu wirthschaften
berstand, daß er ein reich gesegnetes Land und seinem Nachfolger
daar eine halbe Million hinterließ, was in jenen Tagen selbst für
einen größeren Fürsten eine Seltenheit war. Dieser gute Haus-
M^er schrieb vor dreihundert Jahren an den Kurfürsten Daniel
Mainz folgenden charakteristischen Brief:
i -Cranichstcin, l. Juli 1579. Ehrwürdigster in Gott, besonders
Herr und Freund! Wir wollen Euer Liebden freundlich
stuht verhalten, daß wir innerhalb wenigen Tagen etlicher Ball-
lpieler gewertig sind, so bei uns zu Darmbstadt ankommen und
x-'i'E besuchen werden. Weil wir aber jetzo mit Racketen nicht ge-
M find, so ersuchen wir demnach Euer Liebden, hiermit freundlich
Ntend, Euer Liebden wollen uns aus freundlich gutem Willen
Nn mit einem Paar oder womöglich vier guter Racketen aus
s. Ä?nr Ballspiel zu Mainz behülflich sein, auch mit einem Hundert
senken und dieselben uns durch gegenwärtigen unsern
, abgesertigten Boten zujchicken, damit wir dieselben zur
nkunst der Ballspieler bei der Hand haben und zu gebrauchen
mögen."
Der Kursürst sandte umgehend, was er an Bällen und Raketen
Men vermochte, da er selbst keinen großen Vorrath davon in
? Ballspiel zu Mainz besaß. Bald darauf ging der Land-
Lam Besuche des Kurfürsten nach Mainz und unterlag im
, indem ihm der Letztere sieben Thaler abgewann, die
seiner Abreise schuldig blieb. Darauf schrieb er von Cranich-
fi> "un eben itzo einen Deich abgelassen, welcher uns
und sonderlich Karpfen gegeben, daß wir solche
Mc^^EN davon bezahlen können, und wir dann von Euer Liebden
^sstanden, daß Euer Liebden unter anderen Fischen die
tzg sonderlich gerne essen, so haben wir es dafür erachtet, es
Liebd? zu freundlichen: Gefallen geschehen, wenn wir Euer
anstatt angeregter Schulden etliche Karpfen zufchickten.
demnach anstatt solcher uns abgewonnenen 7 Thalei
werden 1" Lberschicken nicht unterlassen mögen. Euer Liebden
der r!-, damit freundlich zufrieden sein und uns nunmehr
-Schuldenlast dagegen quittiren."
*
M- Vorsichtige Kritik.
XIV. versuchte sich auch hin und wieder als Dichter,
l? hatte er wieder ein Poem verfertigt und verlangte von Boi-
: Urtheil darüber.
sübeV^r Majestät ist, wie ich sehe, Alles möglich!" versetzte der-
Lno „Sie wollten einmal ein schlechtes Gedicht machen,
M N das ist Ihnen gelungen."
Das Alter der Banken.
Zahlreiche Urkunden deuten darauf hin, daß es in Nom Bankiers
gegeben hat. Man braucht nur Demosthenes nachzulejen, um zu
wissen, daß dasselbe auch in Athen der Fall gewesen. Sogar
größere Banken bestanden in jener Zeit. Ebenso steht es fest, daß
es in Athen Bankhäuser gab, an denen mehrere, verschiedenen
Familien angehörige Associes betheiligt waren, die ihr Geld zu-
sammengeschosjen hatten. Die Annahme, daß diese Banken mit
dem Niedergang Griechenlands verschwunden seien, hat sich als
irrig erwiesen. Man hat vielmehr urkundlich nachgewiesen, daß
ein Theil der atheniensischen Bankiers sich nach Konstantinopel
flüchtete und dort die finanziellen Traditionen Griechenlands auf-
recht erhielt. Weitere Forschungen haben ergeben, daß die griechi-
schen Banken während der Kreuzzüge einen großen Einfluß aus-
geübt und daß zu jener Zeit zahlreiche griechische Bankiers sich
auf der Insel Kandia niedergelassen haben. Später mußten sie
diese verlassen und siedelten sich auf Chios an, von wo sic zahl-
reiche Comptoire in Europa gründeten. Sie zeigten sich überall
in Geldgeschäften allen anderen Völkern überlegen und errangen
glänzende Stellungen. Von wem aber haben die Griechen dgs
Bankgeschäft gelernt, da jetzt Niemand mehr an die Ureigenheit
der griechischen Gesittung glauben kann? Es hat sich herausgestellt,
daß die Griechen ihr Bankwesen von den Phöniziern übernahmen,
mit denen sie in regem Verkehr gestanden haben. Ebenso gewiß
ist, daß die Phönizier ihre Finanzwissenschaft und Bankeinrichtungen
den großen Reichen Ninive und Babylon entliehen hatten. Ninive
und Babylon haben uns ungeheure Massen Urkunden in ihren
Thontaseln hinterlassen, deren Kcilinschriften nunmehr großentheils
entziffert worden sind. In Liesen Schristensammlungen hat man
alle möglichen Aufzeichnungen entdeckt, darunter Rechnungsbllcher,
Kreditscheine und selbst Wechsel. Die Korrespondenzen verschiedener
Bankiers sind entziffert worden und liesern den Beweis, daß es
in Babylon Bankhäuser gegeben, welche Geld wechselten, Geld in
Depot nahmen, Darlehen gewährten und mit Wechselgeschäften
vertraut waren. Tie griechischen Banken sind also nur Fort-
setzungen der phönizischen und babylonischen. Bei der Eröffnung
des Instituts der Londoner Bankiers (1878) hielt der Präsident
Lubbock einen Vortrag über die Cseschichte der babylonischen Banken.
Laut entzifferter Keilschriften steht nun fest, daß diese Banken fol-
gende Formen von Obligationen kannten: 1) einfache, gleich zahl-
bare Obligationen oder Schuldscheine, 2) Obligationen aus 72 Tage
mit Strafsanktion, 3) Obligationen mit Uebertragung auf eine
dritte Person, 4) Obligationen, dis einer achten Person zahlbar
waren, 5) Wechsel von einem Platz auf den andern mit Namen
des Inhabers, 6) Wechsel von einem Platz auf den andern ohne
Namen des Inhabers. Dagegen ist bis jetzt kein Wechsel mit
EnLossement aufgefunden worden, wohl weil die Thontafeln, nach-
dem sie einmal beschrieben und gebrannt, nicht nochmals beschrieben
und gebrannt werden konnten. Jedoch der Wechsel ohne Namen
des Inhabers ist ein wirklicher Wechsel ü orärs. Mas das Geld
betrifft, so gab es in Ninive, außer Silber- und Kupfermünzen,
auch Barren aus Edelmetall, wie jetzt noch in China. Unter
solchen Verhältnissen konnte sich das Bankgeschäft entwickeln. In
der That hat man auf den in Babylon aufgesundenen Thontafeln
Inschriften entziffert, welche sich auf die Geschäfte einer um 700
vor der christlichen Zeitrechnung blühenden Bank beziehen. Es ist
das Haus Egibi L Co., die älteste bis jetzt bekannte Bank. Frei-
lich ist aus den Keilinschriften nicht zu entnehmen, ob es eine
Privat-, öffentliche oder Staatsbank gewesen. Viel wichtiger aber
ist, daß die Thontafeln den Bestand Lieser Bank von 700 bis 550
vor Christi Geburt bezeugen. Man darf annehmen, Laß Egibi L Co.
durch die Einnahme Babylons Lurch Cycus gezwungen wurden,
ihre Geschäfte einzustellen; vielleicht haben sie dieselben in -Lusa
oder Ekbatana, wo damals Ruhe und Sicherheit herrschten, wieder
ausgenommen. Diese Forschungen über das Alter der Banken
gestatten auch noch andere Schlüffe. Wo anders haben die Kinder
Israels ihre Fähigkeiten für das Geldgeschäft ausgebildet, als bei
den Phöniziern und in Babylon, während ihrer dortigen Gefangen-
schaft? Von Egibi in Babylon bis Rothschild in Frankfurt und
Bleichröder in Berlin besteht demnach ein ununterbrochener Ent-
wicklungsgang.
Kosten der elektrischen Beleuchtung.
Eine interessante Vergleichung zwischen den Kosten des elek-
trischen und denjenigen des Gaslichtes bietet ein Artikel des in
Paris erscheinenden „Bulletin äe la compLAuie internationale
äeo tslspdons". indem er zur Grundlage der Berechnung die
Beleuchtungsweisen in Len LIuZasius äu Louvre nimmt. In
denselben benützt man gegenwärtig vier Regulatoren zum Berjot'-
schen Bogenlicht, 150 Jablochkow'jche Kerzen und 58 Edijon'sche
Glühlichtlampen. 132 Jablochkow'jche Kerzen, welche 1249 Gas-
brenner ersetzen, befinden sich in den 'Magazinen vertheilt; I Kerze
ist also an die Stelle von 9,61 Gasbrennern getreten. Man will
ausgerechnet haben, daß die gegenwärtig- Beleuchtungsweise im
Louvre per Stunde nur 8 Kubikmeter Luft verdirbt, während bei
der Gasbeleuchtung 5060 Kubikmeter verdorben wurden. Tie
Berechnung für die Kosten der verschiedenen Systeme wird wie
folgt ausgestellt. Im Lause des Jahres 1882 haben die Jabloch-
kow'schen Kerzen 204,578'/s Stunden Beleuchtung geliefert für
133 246 verbrauchte Kerzen. Ter Preis per Stunde und per
Kerze stellt sich auf 0,124 Franken, für Bewegkrast und Unter-
haltung 0,124 Franken, 10 Prozent Amortisation des Materials
0 145 Franken, zusammen 0,393 Franken. Die Bogenlicht-
reaulatoren haben während 2452 Stunden gebrannt, die Ausgabe
per Stunde stellt sich für Kohlen auf 0,221 Franken, für Beweg-
kraft und Unterhaltung 0,620 Franken, für Amortisation 1,001
Franken, zusammen 1,842 Franken. Tie Misonlampen haben
nur im November und Dezember funktionirt, und zwar während
26,205 Stunden. Es stellte sich der Preis per Stunde, die Lampe
auf eine durchschnittliche Dauer von 800 Stunden gerechnet, auf
0,0094 Franken, Unterhaltung 0,0248 Franken, Amortisation
0,0191 Franken, zusammen 0,0533 Franken. Der Kubikmeter
Gas, für welchen die Gasgesellschaft 0,3 Franken erhielt, kam für
den Louvre zuzüglich Unterhaltung und Amortisirung auf 0,394
Franken zu stehen. Nimmt man, um mit runden Zahlen zu
rechnen, an, daß 1 Jablochkow'jche Kerze 10 Gasbrenner ersetzt,
die Edisonlampe 1 Gasbrenner und der Regulator 50, so ergibt
sich Folgendes: 1) Die Jablochkow'sche Kerze kostet per Stunde
0,393 Franken und die 10 äquivalenten Gasbrenner kosten 0,7092
Franken; 2) die Edijonlampe kommt auf 0,0533 Franken, der
Gasbrenner auf 0,0709 Franken; 3) die Ausgabe für Len Bogen-
lichtregulator stellt sich auf 1,842 Franken und für 50 Gas-
brenner auf 3,5460 Franken.
Bilderrälhses.
Auslösung des Bilderrathsels Seite 275:
Die Narren halten Mahlzeiten und die Weisen essen sich satt.
N ä t h s e s.
I, 2, 3, 4:
Wiegt Kinder ein.
4. 3, 2, 1:
Ein Mägdelein.
1, 2 bis 5:
Ein Bogel klein.
Auflösung der Charade Seite 275:
Gesellschaft.
In der gleichzeitig mit dieser Nummer ausgegebenen
Nummer 16 unserer
„Deutschen Womanöiötiotßek"
Preis in wöchentlichen Nummern nur 2 Mark vierteljährlich,
in 14tägigen Heften 35 Pfennig pro Heft,
beginnt ein neuer Roman:
Dornenkronen
von
Jöcr Woy-Gö.
Wk"" In das Abonnement auf die „Deutsche Romanbibliothek'
kann noch jederzeit eingetreten werden, und zwar geschieht Ließ am
besten bei derselben Buchhandlung oder Postanstalt, von
welcher man die „Illustrirte Welt" bezieht.
Die bereits erschienenen Nummern oder Hefte des Jahrgangs
werden neu eintretenden Abonnenten auf Verlangen jäinmtlich zum
gewöhnlichen Preise nachgeliefert.
Stuttgart. Deutsche Werlags-Anstalt
vormals Eduard g Merger.
Mine Korrespondenz.
Merkur Temeswar. Versuchen Sie es mit Rothschild'? „Taschen-
buch für Kaufleute" ^Leipzig, Svamer).
Hrn. Adolph Pinkos in Berlin. Klapphornvers ist richtig.
Das Urbild lautet:
„Zwei Knaben gingen in das Korn,
Da sanden sie ein Klappenhorn,
Der Eine konnte gar nicht blasen,
Ter And're wenigstens ein'germasten."
Solche Verse sind durchaus nicht leicht zu machen, sie müssen drollig,
täppisch, dummhumoristisch sein. Ihr Wesen ist schwer zu erklären.
Frl. P. Pigenius in Halle. Tie Schneedecke wird ja als
Schutz gegen die Einwirkung der strengen Kälte betrachtet, dcsthalb ist das
Bild nicht richtig und die Pointe könnte angesochten werden.
Abonnentin in Speyer. Wir danken Ihnen sür den herzlichen
Neujahrsgrusi. Wären die Verse ohne Adresse, könnten wir sic als schönes
Gedicht veröffentlichen.
299
mit dein andern so weit als thunlich in die See hinaus. Dort
Mrd gewendet und ein Halbkreis beschrieben nach dem Ausgangs-
punkte, so daß mit langsamem Rudern das Boot nach zurück-
gelegtem Laufe von 1 Kilometer nach Ablauf einer Stunde das
Ziel erreicht.
Im Mai ist der Zerrolo, ein dort sehr häufiger Fisch, be-
sonders wohlschmeckend, weßhalb man sagt:
«Ouanäo jl pruno ö tiorito, II csrrolo ö oarorito.»
Wenn der Dornstrauch blübt, schmeckt der Zerrolo am besten.)
Die Industrie ist lohnend, da ein Boot mehrere Ausflüge im
Laufe des Tages macht. In Ajaccio finden die Fische guten
Absatz. Richard Oberländer.
Die 8omM>nbuIe.
(Bild S. 2S7.)
In südlichen Ländern, besonders in Italien, Spanien und Süd-
srankreich, spielt der Somnambulismus im Volksleben eine große
Rolle. Die Somnambule ist dort das Orakel, welches den Leuten
Auskunft gibt über alle möglichen Dinge; in Italien namentlich,
nelche Nummer man für die Lotterie zu wählen hat; außerdem
aber auch noch, wo das gestohlene Gut sich vorfindet. Diese Fragen
stellt das Publikum, zuerst jedoch führt die Hellseherin sich ein
dadurch, daß sie Anderen unbekannte Dinge den Männern und
Frauen sagt, von den Verstorbenen Beschreibungen gibt und von
Abwesenden berichtet. Solche Volkshelljeherinnen sind bald ganz
junge Mädchen, bald Frauen von reiferer Jugend, ältere nie. Stets
haben sie einen Herrn und Meister, einen Professor, der die Vor-
stellung leitet. Es ist sehr interessant, in den Straßen Neapels,
Venedigs und Marseilles einer solchen Produktion beizuwohneu.
Ta hat sich denn ein großer Kreis Zuschauer um die Somnam-
bule gebildet. Alles lauscht den mit klarer und deutlicher, aber
nicht zu lauter Stimme gegebenen Antworten des Mediums, und
dieses wird durch eine leise Handbewegung des Professors vor jeder
Auskunft tiefer in den Schlaf versenkl. Unumgänglich nöthig für
den Professor scheint ein Frack, wie für das Medium ein buntes
Umschlagetuch und ein Helles Kleid. Der Aberglaube der Süd-
länder Hilst den Armen — denn das sind Medium wie Professor —
ihr kärgliches Brod auf diese Weise verdienen. Zu anderen Zeiten
ist der Prosessor ein Taschenspieler und die Frau oder das Mäd-
chen seine Gehülfin; oft ergreifen heruntergekommene Schauspieler
diesen Beruf, der in den Ländern jenseits der Alpen und südlicher
als Lyon von der Polizei nicht gestört wird. Auf unserem Bilde
sehen wir solch' eine Vorstellung auf dem Lande jenseits der Vo-
gesen. Das Bild ist von überzeugender Lebenswahrheit und ohne
Zweifel nach der Wirklichkeit gezeichnet. Es zeigt ein charakteristisches
Stück südländischen Volkslebens.
Änekdotrn und Witze.
Aus dem Hofleben vor dreihundert Jahren.
Landgraf Georg i. von Hessen, der Stifter des regierenden
Hauses von Hessen-Darmstadt, war ein weiser Regent und ein
guter Haushalter, der bei Antritt seiner Regierung nur einige
tausend Gulden Einkünfte hatte, aber so trefflich zu wirthschaften
berstand, daß er ein reich gesegnetes Land und seinem Nachfolger
daar eine halbe Million hinterließ, was in jenen Tagen selbst für
einen größeren Fürsten eine Seltenheit war. Dieser gute Haus-
M^er schrieb vor dreihundert Jahren an den Kurfürsten Daniel
Mainz folgenden charakteristischen Brief:
i -Cranichstcin, l. Juli 1579. Ehrwürdigster in Gott, besonders
Herr und Freund! Wir wollen Euer Liebden freundlich
stuht verhalten, daß wir innerhalb wenigen Tagen etlicher Ball-
lpieler gewertig sind, so bei uns zu Darmbstadt ankommen und
x-'i'E besuchen werden. Weil wir aber jetzo mit Racketen nicht ge-
M find, so ersuchen wir demnach Euer Liebden, hiermit freundlich
Ntend, Euer Liebden wollen uns aus freundlich gutem Willen
Nn mit einem Paar oder womöglich vier guter Racketen aus
s. Ä?nr Ballspiel zu Mainz behülflich sein, auch mit einem Hundert
senken und dieselben uns durch gegenwärtigen unsern
, abgesertigten Boten zujchicken, damit wir dieselben zur
nkunst der Ballspieler bei der Hand haben und zu gebrauchen
mögen."
Der Kursürst sandte umgehend, was er an Bällen und Raketen
Men vermochte, da er selbst keinen großen Vorrath davon in
? Ballspiel zu Mainz besaß. Bald darauf ging der Land-
Lam Besuche des Kurfürsten nach Mainz und unterlag im
, indem ihm der Letztere sieben Thaler abgewann, die
seiner Abreise schuldig blieb. Darauf schrieb er von Cranich-
fi> "un eben itzo einen Deich abgelassen, welcher uns
und sonderlich Karpfen gegeben, daß wir solche
Mc^^EN davon bezahlen können, und wir dann von Euer Liebden
^sstanden, daß Euer Liebden unter anderen Fischen die
tzg sonderlich gerne essen, so haben wir es dafür erachtet, es
Liebd? zu freundlichen: Gefallen geschehen, wenn wir Euer
anstatt angeregter Schulden etliche Karpfen zufchickten.
demnach anstatt solcher uns abgewonnenen 7 Thalei
werden 1" Lberschicken nicht unterlassen mögen. Euer Liebden
der r!-, damit freundlich zufrieden sein und uns nunmehr
-Schuldenlast dagegen quittiren."
*
M- Vorsichtige Kritik.
XIV. versuchte sich auch hin und wieder als Dichter,
l? hatte er wieder ein Poem verfertigt und verlangte von Boi-
: Urtheil darüber.
sübeV^r Majestät ist, wie ich sehe, Alles möglich!" versetzte der-
Lno „Sie wollten einmal ein schlechtes Gedicht machen,
M N das ist Ihnen gelungen."
Das Alter der Banken.
Zahlreiche Urkunden deuten darauf hin, daß es in Nom Bankiers
gegeben hat. Man braucht nur Demosthenes nachzulejen, um zu
wissen, daß dasselbe auch in Athen der Fall gewesen. Sogar
größere Banken bestanden in jener Zeit. Ebenso steht es fest, daß
es in Athen Bankhäuser gab, an denen mehrere, verschiedenen
Familien angehörige Associes betheiligt waren, die ihr Geld zu-
sammengeschosjen hatten. Die Annahme, daß diese Banken mit
dem Niedergang Griechenlands verschwunden seien, hat sich als
irrig erwiesen. Man hat vielmehr urkundlich nachgewiesen, daß
ein Theil der atheniensischen Bankiers sich nach Konstantinopel
flüchtete und dort die finanziellen Traditionen Griechenlands auf-
recht erhielt. Weitere Forschungen haben ergeben, daß die griechi-
schen Banken während der Kreuzzüge einen großen Einfluß aus-
geübt und daß zu jener Zeit zahlreiche griechische Bankiers sich
auf der Insel Kandia niedergelassen haben. Später mußten sie
diese verlassen und siedelten sich auf Chios an, von wo sic zahl-
reiche Comptoire in Europa gründeten. Sie zeigten sich überall
in Geldgeschäften allen anderen Völkern überlegen und errangen
glänzende Stellungen. Von wem aber haben die Griechen dgs
Bankgeschäft gelernt, da jetzt Niemand mehr an die Ureigenheit
der griechischen Gesittung glauben kann? Es hat sich herausgestellt,
daß die Griechen ihr Bankwesen von den Phöniziern übernahmen,
mit denen sie in regem Verkehr gestanden haben. Ebenso gewiß
ist, daß die Phönizier ihre Finanzwissenschaft und Bankeinrichtungen
den großen Reichen Ninive und Babylon entliehen hatten. Ninive
und Babylon haben uns ungeheure Massen Urkunden in ihren
Thontaseln hinterlassen, deren Kcilinschriften nunmehr großentheils
entziffert worden sind. In Liesen Schristensammlungen hat man
alle möglichen Aufzeichnungen entdeckt, darunter Rechnungsbllcher,
Kreditscheine und selbst Wechsel. Die Korrespondenzen verschiedener
Bankiers sind entziffert worden und liesern den Beweis, daß es
in Babylon Bankhäuser gegeben, welche Geld wechselten, Geld in
Depot nahmen, Darlehen gewährten und mit Wechselgeschäften
vertraut waren. Tie griechischen Banken sind also nur Fort-
setzungen der phönizischen und babylonischen. Bei der Eröffnung
des Instituts der Londoner Bankiers (1878) hielt der Präsident
Lubbock einen Vortrag über die Cseschichte der babylonischen Banken.
Laut entzifferter Keilschriften steht nun fest, daß diese Banken fol-
gende Formen von Obligationen kannten: 1) einfache, gleich zahl-
bare Obligationen oder Schuldscheine, 2) Obligationen aus 72 Tage
mit Strafsanktion, 3) Obligationen mit Uebertragung auf eine
dritte Person, 4) Obligationen, dis einer achten Person zahlbar
waren, 5) Wechsel von einem Platz auf den andern mit Namen
des Inhabers, 6) Wechsel von einem Platz auf den andern ohne
Namen des Inhabers. Dagegen ist bis jetzt kein Wechsel mit
EnLossement aufgefunden worden, wohl weil die Thontafeln, nach-
dem sie einmal beschrieben und gebrannt, nicht nochmals beschrieben
und gebrannt werden konnten. Jedoch der Wechsel ohne Namen
des Inhabers ist ein wirklicher Wechsel ü orärs. Mas das Geld
betrifft, so gab es in Ninive, außer Silber- und Kupfermünzen,
auch Barren aus Edelmetall, wie jetzt noch in China. Unter
solchen Verhältnissen konnte sich das Bankgeschäft entwickeln. In
der That hat man auf den in Babylon aufgesundenen Thontafeln
Inschriften entziffert, welche sich auf die Geschäfte einer um 700
vor der christlichen Zeitrechnung blühenden Bank beziehen. Es ist
das Haus Egibi L Co., die älteste bis jetzt bekannte Bank. Frei-
lich ist aus den Keilinschriften nicht zu entnehmen, ob es eine
Privat-, öffentliche oder Staatsbank gewesen. Viel wichtiger aber
ist, daß die Thontafeln den Bestand Lieser Bank von 700 bis 550
vor Christi Geburt bezeugen. Man darf annehmen, Laß Egibi L Co.
durch die Einnahme Babylons Lurch Cycus gezwungen wurden,
ihre Geschäfte einzustellen; vielleicht haben sie dieselben in -Lusa
oder Ekbatana, wo damals Ruhe und Sicherheit herrschten, wieder
ausgenommen. Diese Forschungen über das Alter der Banken
gestatten auch noch andere Schlüffe. Wo anders haben die Kinder
Israels ihre Fähigkeiten für das Geldgeschäft ausgebildet, als bei
den Phöniziern und in Babylon, während ihrer dortigen Gefangen-
schaft? Von Egibi in Babylon bis Rothschild in Frankfurt und
Bleichröder in Berlin besteht demnach ein ununterbrochener Ent-
wicklungsgang.
Kosten der elektrischen Beleuchtung.
Eine interessante Vergleichung zwischen den Kosten des elek-
trischen und denjenigen des Gaslichtes bietet ein Artikel des in
Paris erscheinenden „Bulletin äe la compLAuie internationale
äeo tslspdons". indem er zur Grundlage der Berechnung die
Beleuchtungsweisen in Len LIuZasius äu Louvre nimmt. In
denselben benützt man gegenwärtig vier Regulatoren zum Berjot'-
schen Bogenlicht, 150 Jablochkow'jche Kerzen und 58 Edijon'sche
Glühlichtlampen. 132 Jablochkow'jche Kerzen, welche 1249 Gas-
brenner ersetzen, befinden sich in den 'Magazinen vertheilt; I Kerze
ist also an die Stelle von 9,61 Gasbrennern getreten. Man will
ausgerechnet haben, daß die gegenwärtig- Beleuchtungsweise im
Louvre per Stunde nur 8 Kubikmeter Luft verdirbt, während bei
der Gasbeleuchtung 5060 Kubikmeter verdorben wurden. Tie
Berechnung für die Kosten der verschiedenen Systeme wird wie
folgt ausgestellt. Im Lause des Jahres 1882 haben die Jabloch-
kow'schen Kerzen 204,578'/s Stunden Beleuchtung geliefert für
133 246 verbrauchte Kerzen. Ter Preis per Stunde und per
Kerze stellt sich auf 0,124 Franken, für Bewegkrast und Unter-
haltung 0,124 Franken, 10 Prozent Amortisation des Materials
0 145 Franken, zusammen 0,393 Franken. Die Bogenlicht-
reaulatoren haben während 2452 Stunden gebrannt, die Ausgabe
per Stunde stellt sich für Kohlen auf 0,221 Franken, für Beweg-
kraft und Unterhaltung 0,620 Franken, für Amortisation 1,001
Franken, zusammen 1,842 Franken. Tie Misonlampen haben
nur im November und Dezember funktionirt, und zwar während
26,205 Stunden. Es stellte sich der Preis per Stunde, die Lampe
auf eine durchschnittliche Dauer von 800 Stunden gerechnet, auf
0,0094 Franken, Unterhaltung 0,0248 Franken, Amortisation
0,0191 Franken, zusammen 0,0533 Franken. Der Kubikmeter
Gas, für welchen die Gasgesellschaft 0,3 Franken erhielt, kam für
den Louvre zuzüglich Unterhaltung und Amortisirung auf 0,394
Franken zu stehen. Nimmt man, um mit runden Zahlen zu
rechnen, an, daß 1 Jablochkow'jche Kerze 10 Gasbrenner ersetzt,
die Edisonlampe 1 Gasbrenner und der Regulator 50, so ergibt
sich Folgendes: 1) Die Jablochkow'sche Kerze kostet per Stunde
0,393 Franken und die 10 äquivalenten Gasbrenner kosten 0,7092
Franken; 2) die Edijonlampe kommt auf 0,0533 Franken, der
Gasbrenner auf 0,0709 Franken; 3) die Ausgabe für Len Bogen-
lichtregulator stellt sich auf 1,842 Franken und für 50 Gas-
brenner auf 3,5460 Franken.
Bilderrälhses.
Auslösung des Bilderrathsels Seite 275:
Die Narren halten Mahlzeiten und die Weisen essen sich satt.
N ä t h s e s.
I, 2, 3, 4:
Wiegt Kinder ein.
4. 3, 2, 1:
Ein Mägdelein.
1, 2 bis 5:
Ein Bogel klein.
Auflösung der Charade Seite 275:
Gesellschaft.
In der gleichzeitig mit dieser Nummer ausgegebenen
Nummer 16 unserer
„Deutschen Womanöiötiotßek"
Preis in wöchentlichen Nummern nur 2 Mark vierteljährlich,
in 14tägigen Heften 35 Pfennig pro Heft,
beginnt ein neuer Roman:
Dornenkronen
von
Jöcr Woy-Gö.
Wk"" In das Abonnement auf die „Deutsche Romanbibliothek'
kann noch jederzeit eingetreten werden, und zwar geschieht Ließ am
besten bei derselben Buchhandlung oder Postanstalt, von
welcher man die „Illustrirte Welt" bezieht.
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werden neu eintretenden Abonnenten auf Verlangen jäinmtlich zum
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vormals Eduard g Merger.
Mine Korrespondenz.
Merkur Temeswar. Versuchen Sie es mit Rothschild'? „Taschen-
buch für Kaufleute" ^Leipzig, Svamer).
Hrn. Adolph Pinkos in Berlin. Klapphornvers ist richtig.
Das Urbild lautet:
„Zwei Knaben gingen in das Korn,
Da sanden sie ein Klappenhorn,
Der Eine konnte gar nicht blasen,
Ter And're wenigstens ein'germasten."
Solche Verse sind durchaus nicht leicht zu machen, sie müssen drollig,
täppisch, dummhumoristisch sein. Ihr Wesen ist schwer zu erklären.
Frl. P. Pigenius in Halle. Tie Schneedecke wird ja als
Schutz gegen die Einwirkung der strengen Kälte betrachtet, dcsthalb ist das
Bild nicht richtig und die Pointe könnte angesochten werden.
Abonnentin in Speyer. Wir danken Ihnen sür den herzlichen
Neujahrsgrusi. Wären die Verse ohne Adresse, könnten wir sic als schönes
Gedicht veröffentlichen.