Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 3.1914

DOI Heft:
III.2
DOI Artikel:
Rank, Otto: Der Doppelgänger
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42096#0111

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Doppelgänger

101

hältnisses des Menschen zu seinem Ich ist, welches uns in seiner
Störung als Schicksal des Individuums versinnbildlicht wird.
Um die Bedeutung dieses Grundproblems für das Verständnis
des Stückes würdigen zu können, müssen wir die verwandten Motiv-
gestaltungen in den literarischen Vorbildern und Parallelen verfolgen
und mit den entsprechenden folkloristischen, ethnographischen und
mythischen Überlieferungen vergleichen,- es soll daran deutlich wer-
den, wie alle diese in die Urgeschichte der Menschheit, auf primi-
tive Vorstellungen zurückgehenden Motive in einzelnen besonders
disponierten Dichtern eine poetische Gestalt gewinnen, die sich in
hohem Grade mit ihrem ursprünglichen, später verwischten Sinne
deckt und in letzter Linie auf das Urproblem des Ich zurückführt,
das der moderne Bearbeiter, unterstützt oder genötigt durch die neue
Darstellungstechnik, so aufdringlich in den Vordergrund gerückt hat
und eine so anschauliche Sprache sprechen läßt.
II.

»Ich denke mir mein Ich durch ein Ver^
vielfältigungsglas,- alle Gestalten, die sich
um mich bewegen, sind Ichs und ich
ärgere mich über ihr Tun und Lassen.«
E. Th. A. Hoffmann.
Es ist kaum zweifelhaft, daß Ewers, der moderne E. Th.
A. Hoffmann, wie man ihn nennt, zu seiner Filmidee hauptsächlich
von seinem literarischen Ahn und Meister inspiriert wurde, wenn-
gleich noch andere Quellen und Einflüsse wirksam gewesen sind1.
Hoffmann ist der klassische Gestalter des Doppelgängertums, das
in der romantischen Dichtung zu den beliebtesten Motiven zählte.
Fast keines seiner zahlreichen Werke ist völlig frei von Anspielungen
auf dieses Thema, in vielen bedeutsamen Dichtungen von ihm do-
miniert es. Das nächste Vorbild der Ewersschen Gestaltung findet
sich im Abschnitt III. <»Die Abenteuer der Sylvesternacht«) des
zweiten Teils der »Phantasiestücke« und ist übersdirieben: »Die Ge-
schichte vom verlornen Spiegelbilde.« <1, 265 bis 279.)2 Sie erzählt
in seltsamer Verknüpfung mit dem Phantasie- und Traumleben des
»reisenden Enthusiasten« wie Erasmus Spikher, ein ehrsamer deut-
scher Ehemann und Familienvater, bei einem Aufenthalt in Florenz
in das Liebesnetz der dämonischen Giulietta gerät und bei seiner

1 Selbstverständlich soll damit die eigene dichterische Initiative, als die Haupt-
triebkraft der poetischen Produktion, nicht im mindesten unterschätzt werden. Daß
Ewers den absonderlichen und okkulten Phänomenen des Seelenlebens seit jeher
besonderes Interesse entgegenbracht hat, braucht Kennern seiner Werke nicht erst
gesagt zu werden. Zu verweisen wäre nur auf sein letztes Drama »Das Wunder^
mädchen von Berlin« <1912), das einzelne leise Beziehungen zu dem späteren »Stu-
dent von Prag« verrät.
2 Sämtliche Hinweise auf Hoffman ns Werke beziehen sich auf die fünfzehn-
bändige Ausgabe von Griesebach in Hesses Klassikern.
 
Annotationen