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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Osborn, Max: Von der Pariser Welt-Ausstellung 1900: Zu unseren Abbildungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0191

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September-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 143.

wienerischen, feierlich - heiteren Bronze-Weiberl hinauf zum
ersten Stockwerk, wo die eigentlichen arts decoratifs unter-
gebracht sind. Den Mittelpunkt bildet hier eine Ehrenhalle
mit der Kolossalbüste des Kaisers Franz Joseph, die ebenfalls
Baumann installirt hat. Hier herrscht ein überaus vornehmer
Geschmack. Die weissen Wände, die sich von dem violetten
Stoff des Paneel-Bezuges abheben, die gekuppelten Pilaster
mit den leichten, eigenartigen, aus durchbrochenen Ranken
und Blättern hergestellten Kapitellen, die feinen Erz-Reliefs,
die als Abschluss des Paneels den ganzen Saal umziehen, die
Velarien, die den Raum nach oben abschliessen — das alles
ist von so schöner Farbenwirkung und von so diskreter
Eleganz, dass Jedermann dieser Leistung Baumanns das
höchste Lob zusprechen wird.

An die Salle d'honneur schliessen sich zunächst mehrere
Interieurs an, die von den österreichischen Fachschulen her-
gestellt wurden. Da ist vor allem eine Kopie des sogen.
Maria Theresia-Zimmers im kaiserlichen Lustschlosse Schön-
brunn (ausgeführt von den staatlichen Fachschulen in Villach,
Bozen, Hallein, W.-Meseritsch und Gablonz, sowie der Gewerbe-
schule in Graz), und die Nachbildung eines Saales im Empire-
stil aus dem Palaste des österreichischen Kultus-Ministeriums
in Wien (ausgeführt von den Fachschulen in Grulich, Horic,
Gablonz und Königsberg). Sodann findet man, die Galerie
abschreitend: eine Ausstellung der Prager Kunstgewerbe-
schule, nach Plänen von Prof. Ohmann und Direktor Stibral,
sowie eine »Kollektiv-Ausstellung Prager Kunstgewerbe-
treibender« , von Architekt Fanto eingerichtet, in denen die
kleinen Kostbarkeiten unter dem Glasdeckel der Vitrinen
mehr imponiren als die grösseren Holz-Arbeiten; ein Interieur
des galizischen Kunstgewerbes, das Direktor Koväts zusammen-
gestellt hat; die Kopie eines Raumes auf der Veste Hohen-
salzburg, der unter der Leitung des Salzburger Museums-
Direktor Petter entstanden ist; sodann die von Prof. Joseph
Hoffmann installirte Ausstellung der Kunstgewerbeschule des
österreichischen Museums (von der bereits das Juni-Heft der
»Innen-Dekoration« durch Abbildungen Kunde gab), und das
»Wiener Interieur« von Prof. Joseph Olbrich, aus dem das
vorliegende Heft einige Theil-Ansichten wiedergibt.

Dies Interieur, das in der Oktober-Nummer der »Deutschen
Kunst und Dekoration« im Text und in den Abbildungen
eingehend gewürdigt werden soll, ist die Krone der ganzen
österreichischen Kunstgewerbe - Ausstellung. Es ist wohl
gedacht als der Prunkraum eines fürstlichen Lustschiffes.
Olbrich konnte es mit allem Reichthum seiner verschwende-
rischen Künstlerlaune ausstatten; denn das Komitee der
Wiener Kunstgewerbetreibenden, das, unter der Leitung des
Hof-Kunsttischlers Ludwig Schmitt, die Ausführung seiner
Pläne übernahm, hat dem Künstler die denkbar grösste
Bewegungsfreiheit eingeräumt. Sehr glücklich hat Olbrich
den stattlichen Raum in zwei ungleiche Theile zerschnitten.
Der grössere erscheint als ein Saal für sich, der trotz seiner
Ausdehnung und Höhe von liebenswürdigster Behaglichkeit
ist. Der kleinere Theil ist durch eine niedrige Holzwand,
die zugleich den bequemen Polstern als Rücklehne dient,
in zwei reizende intime Nachbar-Nischen umgewandelt worden.
In dem Holz-Paneel mit den dicht aneinander gedrängten
kreisförmigen Unterbrechungen der Schnitzerei am oberen
Rande, in den üppigen Blumenmassen der Applikations-
Stickerei an den Wänden, die in der Ofen-Ecke zu aufge-
nähten stilisirten Flammen wird, in den Perlmutter-Einlagen
der aparten Vitrine und den Metall - Dekors des Service-
Schrankes erkennt man unschwer den karakteristischen
Olbrich-Stil.

Das Bade-Zimmer von Volz und Wittmer in Strassburg i. E.
gehört zu den besten deutschen Interieurs der Ausstellung.
Armand Volz, der die Einrichtung des Raumes leitete, das
Material, die Farben und die dekorativen Einzelheiten bestimmte,
hat hier einen sehr sicheren Geschmack gezeigt. Alles athmet
appetitliche Sauberkeit. Die Wandverkleidung ist durchweg
aus Marmor und geflammten Kacheln, die von den eingebauten
Einrichtungsstücken, von dem Sophaarrangement, dem Wasch-
tisch, dem Spiegel unterbrochen werden. Sehr hübsch kontrastirt
mit den dunklen Tönen, die hier herrschen, das freundliche
Weiss der mit stilisirten Relief-Wasserblumen im belgischen
Linienschwung diskret verzierten, gewölbten Stuckdecke. Im
Metallbeschlage der Toiletten-Thüren kehren diese Blumen-
motive wieder. Sonst ist auf Ornamente und Verzierungen
Verzicht geleistet und die ganze Aufmerksamkeit auf die
Materialwirkung verwandt. Der Raum ist das Muster eines
praktischen Baderaumes, der ohne die für solche Zwecke oft
beliebte, aus barocken Kokotten-Schlössern entnommene und
darum in das deutsche Bürgerhaus so wenig passende Ueppig-
keit durchaus künstlerisch, bei aller streng beachteten Zweck-
mässigkeit von echter moderner Eleganz ist.

Die Ausstellung von Ferdinand Hubert Schmitz in Cöln
zeichnet sich durch den Geschmack aus, mit dem die kost-
baren Erzeugnisse dieser Firma aufgestapelt sind. Die Nische
ist ein idealer kleiner Juwelierladen. Ihre Holzarchitektur
lässt die Fabrikate, die Schalen und Schüsseln und Vasen,
die schönen Arbeiten aus Gold und Email, ganz besonders
bestechend hervortreten. Der Spiegel, dessen Holzumrahmung
einzelne Glieder über die Glasscheibe entsendet, die sich dann
in Tischhöhe zu einem kleinen Konsolbrett verdichten, die
Wanddekoration mit dem prächtigen Zimmerbrunnen, der
Tisch und der gut aufgebaute Silberschrank, das alles erscheint
wie Theile eines Wohnraumes und bewirkt, dass die aus-
gestellten Gegenstände ganz anders zur Geltung kommen als
in den, solche Gesichtspunkte meist ausser Acht lassenden,
landläufigen Laden-Arrangements. Dr. Max Osborn.

BINGS »ART NOUVEAU«, der berühmte Pariser Salon,
von welchem so manche hochbedeutende Anregung
für das neuzeitliche Kunstgewerbe, insbesondere auch für
die Gestaltung des modernen, eleganten Mobiiiares ausge-
gangen, ist auf der Welt-Ausstellung mit einem eigenen
Pavillon vertreten. Dieser Pavillon, eine der entzückendsten
Schöpfungen auf der ganzen riesigen Ausstellung, bietet sowohl
in seiner äusseren Gestaltung mit den wunderbaren gemalten
Füllungen von Georges de Feure sehr viel Interessantes, als
auch ganz besonders im Innern, wo mehrere komplette Zimmer
im Karakter der fortgeschrittensten Pariser Moderne ein-
gerichtet sind, nämlich ein Entre'e, ein Speise- und ein Schlaf-
Zimmer von Gaillard, ein Empfangs-Raum von Colonna und
ein Toilette-Zimmer von G. de Feure. — Die in unserem
Verlag erscheinende ^Deutsche Kunst und Dekoration«
widmet ihr soeben erschienenes September-Heft vollständig
diesen überaus beachtenswerthen Einrichtungen, die wie kaum
eine andere neuere Pariser Schöpfung den Stil des modernen
kunstgewerblichen Frankreich und des Pariser modernen
Möbelbaues zur Anschauung bringen. Dieses Heft — als
Schluss-Ueh des III. Jahrganges genannter Kunst-Zeitschrift —
ist, wie alle übrigen Sonder-Hefte, auch einzeln ä Mk. 2.—
erhältlich und dürfte bei seiner überaus reichen illustrativen
Ausstattung gewiss geeignet sein, derselben mit Beginn des
IV. Jahrganges (resp. 7. und 8. Bandes) wiederum zahlreiche
neue Abonnenten zuzuführen.
 
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