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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Habich, Georg: Bruno Paul als Dekorativer Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0231

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XII. Jahrg. 1901.

Darmstadt.

Dezember-Heft.

Bruno Paul als pekoratiVer Künstler.

Von Dr. Georg Habich—München.

i nter den mancherlei merkwürdigen Plakaten,
die in diesem mit Kunst so reich gesegneten
Sommer allerorts die Eröffnung neuer Aus-
stellungen ankündigten, fiel besonders ein
originelles Blatt ins Auge, nicht weniger
durch seine schlagende Fernwirkung, als
durch die grosse Schlichtheit der Mittel, mit
der es inmitten seiner in allen Farben der Iris, namentlich
aber in Anilin und Goldbronze schillernden Nachbarschaft
seine Wirkung behauptete. Innerhalb eines straff gespannten
Rahmens standen da zwei seltsame Stelzvögel in grotesken
Silhouetten, den knapp bemessenen Raum zwanglos füllend.
Der Eine, offenbar die konservativere Natur von beiden, auf
einem Beine stehend, in philosophischer Betrachtung versunken,
der andere aufgeregten Flügelschlags sich über die Bildfläche
bewegend. Das Ganze, mit wenig Platten in grossen, an-
genehm verteilten Flecken in lichtem Grün und Rot auf
braunem Grund gedruckt, bewahrte einen ausgesprochen
flächenhaften Karakter. Die unten beigesetzte Schrift von einem,
wiewohl eigenwilligen, so doch sehr lesbaren Typus, wies auf die
von den München er »Vereinigten Werkstätten« veranstaltete
Ausstellung »Kunst im Handwerk« hin, und als Autor der
ebenso amüsanten wie geschmackvollen Affiche zeichnete eines
der regsten Mitglieder jener Vereinigung: Bruno Paul.

Für das genannte Ausstellungs - Unternehmen hat das
»Reiher-Plakat« eine grosse werbende Kraft bewiesen und
für den Künstler selbst ist es so karakter istisch, dass es aus-
reichen würde, dessen ganze Art und Kunst aufs klarste zu
kennzeichnen. Durch und durch modern, hat dieser Künstler
mit allem, was retrospektiv heisst, ganz und gar nichts zu
schaffen. Aller Archaismus, der ägyptisierende, wie der
hellenisierende, wie der etruskisierende ist ihm Hekuba. Gotik

und Renaissance aber ist ihm auch nur ein Archaismus in
anderer Form. Modern in dem gesunden, verjüngenden Sinne
des Wortes, ist er jedoch nicht minder weit entfernt von jenen
puerilen Spielereien eines allermodernsten Struwwelpeter-Stils
und gleichermassen belächelt er die billigen Linienspiele eines
von allem organischen Natur-Empfinden verlassenen Symbo-
lismus. Selbst in der linearen Schematisierung, wie in jenem
Plakat, sind seine Gebilde voll Natur und Leben. Zum
mindesten sind sie überzeugend in ihrer Bewegung, die hier
ihren natürlichsten Ausdruck im schattenlosen Umriss, in der
flächigen Silhouette fand.

Vor luministischen Experimenten im Plakat (wie etwa
jenes an sich sehr lehrreiche, dass ein menschlicher Leib vor
einer orangegelben Wand unter Umständen auch grün aus-
sieht) würde unseren Künstler sein sicheres in der Technik
wurzelndes und in ihr ausgebildetes Stil-Gefühl schützen. Und
damit ist ein Kardinalpunkt von Pauls Produktion, sowohl
auf dem Gebiete der dekorativen und zeichnenden Künste,
wie auf dem des eigentlichen Kunstgewerbes bezeichnet: sein
gesund-handwerklicher Sinn.

Seine Kunst ist einfach und seine Art gerade aus. Man
hat bei ihm immer das beruhigende Gefühl: der Künstler
weiss, was er will. Alles Getändel und Gethue, das gemacht
Naive und Primitive, wie das Damenhaft-Kokette und Kokotten-
haft-Raffinierte ist seinem gesunden Sinn ein Greuel. Mit
einem Wort: was er macht, ist männlich. So vielseitig sich
unser Künstler bethätigt: ich kann mir Schmucksachen,
Bijouterien, Nippes u. dergl. nicht von ihm denken, und ich
glaube auch nicht, dass er mit besonderem Vergnügen und
mit besonderem Erfolg eine Ball-Toilette entwerfen würde.
Dagegen möchte ich wetten, dass ein Jagd- oder Sport-Kostüm
von seiner Hand ebenso zweckmässig wie kleidsam ausfallen

1901. xii. 1.
 
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