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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 17.1906

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Schulze, Otto: Wohnungs-Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12313#0084

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76

WOHNUNGS-KUNST. I.

Von Otto Schulze in Elberfeld.

(Fortsetzung aus dem Februar-Heft.)

Mit der Renaissance tritt eine offenbare Ab- es, psychologisch genommen, die unfassbare, über-
weichung von diesem Bau- und Bekleidungs- wältig ende Wirkung des Weltraumes auf den kleinen
prinzip ein. Die Decke z. B. wird zu einem rein Menschen, der von sich zu ihr keinen Maßstab,
dekorativen Moment, das die Verkleidung, d. h. die kein Einreihungsverhältnis finden konnte als durch
Maskierung der Balkenlage übernimmt und den den Raum im Raum. Und mit dem Wachsen
Raum darunter für sich abschliesst, also für sich des Menschengeschlechtes wachsen auch seine
dem Auge gegenüber selbständig die Raumbildung Bauten. Die Werke der Baukunst sind Dokumente
der Erscheinung nach bewirkt. Die Balkenlage, der Kultur; nicht der Körper: die Seele steigert
die für den Fussboden des darüber liegenden Raumes das Raumbedürfnis und Raumverlangen für den
unbedingt vorhanden sein muss, ist nur noch für Raum im Raum. Wo das Baumaterial vorhanden
Kräftefunktion da, die unsichtbar wirkt. Die und die örtlichen Verhältnisse einen guten Bau-
schreinermäßig recht kunstvoll gefügte Felder- oder grund verheissen, da wachsen die Bauten und der
Kassettendecke, die an der Balkenlage befestigt von ihnen umspannte Raum in den Himmel. Ich
ist, übernimmt die Schliessung des harmonischen erinnere hier an die Bauten Egyptens, Alt-Perus,
Dreiklanges, der sich aus Fussboden, Wand und Indiens, Griechenlands und Roms; denken wir
Decke zusammensetzt. Nicht unerwähnt will ich weiter an die gotischen Dome und an die Wolken-
lassen, dass der Sprung von der gotischen, resp. kratzer Neu-Amerikas. Niederer Sinn baut keine
schon von der romanischen, Balkendecke zur Felder- Bauten, die in den Himmel ragen. Alle Kultur-
und Kassettendecke der Renaissance sich nicht Völker haben den Maßstab für die Höhe ihrer
plötzlich vollzogen hat. Auch hier bestehen Kultur in ihren Bauten niedergelegt. Und wo
Zwischenstufen, die nach und nach weiter gebildet die Kunst nicht ausreicht, weite Räume zu über-
worden sind. In der Kunst vollziehen sich dieselben spannen, die die Ebene füllen, da steigt der Mensch
Vorgänge wie in der auf die Berge, um sein
Natur, eine Form ent- Werk zu höhen und den
wickelt sich logisch aus Weltraum zu meistern,
der voraufgegangenen. Der Baukünstler wird
So verschwindet auch die gross mit seinem grossen
Balkenlage erst nach und j Werke, der Mensch als
nach; ihre Tiefen wer- solcher wird kleiner da-
den durch leichteres vor und darin. Im kleinen

Zwischenwerk und Ein- ^__ ^^^^^flH Raum kann uns Poesie

schalung gemildert, die und Heimlichkeit um-
Untersicht der Balken 'rn^*^3 fangen, im grossen Raum
lässt dagegen immer noch überwältigt uns Tatkraft
die Aufgabe der tragen- , I JRS - und Unendlichkeit,
den Funktion erkennen. Wir wissen, dass
In diesen knappen j sich unsere Baukunst, so-
Hinweisen sind die Grund- weit sie sich bis in die
züge der Raumbildung H prähistorische Zeit zu-
an sich gegeben. Der HRfeS |^^^^^^5S5S;^^^^^^^ rückverfolgen lässt, aus
Raum in seiner ästhe- den allerkleinsten An-
tischen Wirkung ist noch fangen entwickelt hat,

kaum von mir gestreift j --' und dass die erste Woh-

worden. Machen wir uns nung des Urmenschen,

klar, was die Menschen wenn man hier über-

an sich getrieben hat zu * haupt das Wort Woh-

bauen, soweit dieses Be- nung gebrauchen darf,

ginnen über die Notdurft '----- ■-———----' kaum mehr gewesen sein

des Fleisches und des pR0F H VAN DE VELDE Tüchchen. Ausführung: dürfte als der allernot-

AlltagS hinausgeht, SO ist Weimar'sehe Korbkunst-Industrü, August Bosse— Weimar. wendigste Unterschlupf,
 
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