Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 17.1906

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Der Neubau der "Münchener Neuesten Nachrichten"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12313#0129

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNENDEKORATION

XVII. 3HHRGHI1G. Dcirmlfadf 1006. IIlHI-HeST.

Der Neubau der »Münchener Neuesten Nachrichten«.

Am 17. Februar 1906 wurde das neue Heim der
JT\ Münchener Neuesten Nachrichten, eine Schöpf-
ung des Architekten Professor M. Littmann, ein-
geweiht. Es erhebt sich, nahe beim alten Hause,
im Herzen Münchens, am Anfang der Sendlinger-
strasse, zu den Seidl'schen Ruffinihäusern hinüber-
grüssend. Ohne in seinem Äussern seine Ent-
stehungszeit zu verleugnen, schliesst es sich pietät-
voll dem baulichen Charakter dieses Stadtteiles an.
Es nimmt die bürgerlich-solide Bauweise der Um-
gebung auf, erhebt sie aber zugleich zu einem
höheren künstlerischen Rang, entsprechend der
repräsentativeren Aufgabe, die ihm zugefallen ist.
Es versäumt auch nicht, den Barockformen der nur
wenig entfernten Kirche in der Sendlingerstrasse
ein diskretes Echo zu bieten und stellt sich somit
ganz auf den Standpunkt der Anpassung, der von
vielen Münchner Baukünstlern, nicht nur den »alt-
modischen«, geteilt wird. Theoretisch ist bekannt-
lich die Frage »Anpassung oder rücksichtslose
Neugestaltung?« noch nicht endgültig entschieden.
Das Prinzip der Anpassung hat gewichtige Gründe
für sich. Die »taktische« Einheit des Architekten
ist nicht das einzelne Bauwerk, sondern das Strassen-
bild. Ein Bau, der in allen Beziehungen dem archi-

tektonischen Charakter der Umgebung widerspricht,
zerreisst das Gesamtbild und tut damit auch seiner
eigenen Wirkung Abbruch. Auf der andern Seite
entbehrt aber auch das gegenteilige Prinzip nicht
einer gewissen Berechtigung. Von Seiten seiner
Anhänger wird vor allem das Erfordernis archi-
tektonischer Wahrheit ins Treffen geführt. Ausser-
dem wird gegen die Anpassung geltend gemacht,
dass sie das alte Strassenbild gewissermaßen fixiere
und den wünschenswerten Übergang zu einer von
Grund aus neuartigen Bauweise illusorisch mache
oder wenigstens auf unabsehbare Zeit hinausschiebe.
Zweifellos ist auf beiden Seiten gesündigt worden,
zweifellos eignet sich weder das eine noch das
andere Prinzip in seiner schärfsten Form zur all-
gemeinen Richtschnur. Die Anpassung darf nicht
zur sklavischen Nachahmung führen, denn Nach-
ahmung ist eine ästhetische Lüge. Das Streben
nach bedingungsloser Neugestaltung darf nicht zu
schrankenlosem Individualismus führen, denn das
ist eine Sünde wider den Geschmack, ganz abgesehen
davon, dass ungezügelter Individualismus auch für die
Folgezeit keine endliche Verschmelzung der einzelnen
Bauwerke zu einem geschlossenen modernen Städte-
bild verbürgt. Dass sich aber zwischen der Skylla

1906. v. 1.
 
Annotationen