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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 17.1906

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Diez, Hermann: Das Grand-Hotel "Vier Jahreszeiten" in Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.12313#0273

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INNENDEKORATION

XVII. 3HHRGHI1G. Dcirmltcidf 1906. OKTOBER-HOT.

Das Grand-Hotel „Vier Jahreszeiten" in Hamburg.

Mit wenigen Ausnahmen, die man leicht an
den Fingern herzählen konnte, hat das Hotel
bis vor kurzem als Inbegriff einer minderwertigen
und geschmacklosen Pseudo-Eleganz gegolten. Die
Pflege des inneren Hotelbetriebs, die sich von der
Schweiz aus über die europäischen Kulturländer,
vor allem über Deutschland verbreitete, hat das
Gebiet der intimeren künstlerischen Ausstattung
im allgemeinen unberührt gelassen; neben Küche
und Keller kam lediglich noch die Güte der
Betten in Betracht, mit dem übrigen gab man
sich zufrieden — es verstand sich von selbst, daß
man es im Gasthof nicht haben konnte wie zu
Hause. In den Ländern minderer Kultur mußte
man und muß man ja vielfach heute noch schon
zufrieden sein, wenn ein dürftiger Firnis eine Welt
des Schreckens woltätig verhüllt. Das war von
alters her so, denn auch in einer Zeit, wo das deutsche
Wohnungswesen an und für sich auf einer hohen
Stufe der Entwicklung stand und Kunstformen
gefunden hatte, von denen wir nachher noch lange
gezehrt haben, kam es niemand in den Sinn, an
die öffentlichen Gaststätten, die sich ihm auftaten,
ähnliche Anforderungen zu stellen. Als dann im
Lauf des vorigen Jahrhunderts im allgemeinen

bessere Zustände eintraten, blieb es doch mit den
schon erwähnten seltenen Ausnahmen dabei, daß
ein gewisses Maß von oberflächlicher Eleganz und
Bequemlichkeit als das höchste betrachtet wurde,
was vernünftigerweise verlangt und geleistet wer-
den konnte. Der künstlerische Geschmack, das
ästhetische Behagen an einer vornehm gestimmten
Umgebung, die Sehnsucht nach Schlichtheit und
Echtheit mochten anderswo ihre Rechte geltend
machen, im Gasthof hatten sie nichts zu sagen.
Hier mußte der Anstoß zum besseren aus Amerika
kommen. Soweit die neue Welt davon entfernt
ist, uns Vorbild in künstlerischen Dingen zu sein,
so schwer uns in den Häusern des amerikanischen
Mittelstandes der huoderttausendfach sich wieder-
holende charakterlose Typus der F"abrikmöbel, in
den Palästen des Reichtums aber der sichtliche
Mangel an selbständigem feinerem Geschmack und
Stil auf die Nerven fällt, so haben doch die ge-
steigerten Ansprüche, die der Amerikaner an das
Hotel stellt und die dort seit Jahrzehnten ohne
weiteres nach bestem Können und insbesondere
ohne Rücksicht auf die Kosten erfüllt werden,
schließlich reformierend auf unsere Verhältnisse
eingewirkt. Und selbstverständlich mußte das

1906. X. 1.
 
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