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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schaukal, Richard: Der Salon: Eine Kultur-psychologische Glosse
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Vetterlein, Ernst: Zehn Jahre "Deutsche Kunst und Dekoration"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0365

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INNEN-DEKORATION

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organische Persönlichkeit, er-
schafft. Die individualitätslose
Masse zerstückelt, das ist: zer-
stört. Zerstörung der Kultur
ist die Marke unsrer an vergeu-
deten Zivilisations-Bedingungen
überreichen Gegenwart. Der
kleine Mann, der sich im kleinsten
Laden mit den Erzeugnissen einer
wüsten Surrogatwirtschaft be-
dient sieht, glaubt, sich dem auf
breitester Traditions-Grundlage
seinen Besitz erwerbenden Erben
um seine ganze Parvenü-Länge
zu nähern, wenn er die äußern
Zeichen (oft nur die letzten
Zieraten) seines sich nur als
Masse, als Ganzes bestätigenden
Besitztums kopierend usurpiert.
Und jedermann will, und sei es
auch auf die bescheidenste Art,
nach außen hin für den Nachbar
wirksam werden. Der Effekt ist
Barbarentum, auf der ganzen
Linie. Die ungelüftete »gute
Stube« aber, mit der Sorgfalt
ihrer den gepreßten Samt der
Möbel hütenden Uberzüge und
dem wandhohen Spiegel, vor dem
dieViktualienhändlers-Gattin ihre
neue »Toilette« seidenrauschend
spazieren führt, ist das grauen-
hafte Symbol eines Kultur-
debacles. richard schaukal-wien.

entwurf u. ausfuhrg.: hof-mobel-
fabrik j. glückert—darmstadt.

Salon im Hause G. 11. Strauss —
Darmstadt. Grau Ahorn poliert.

ZEHN JAHRE „DEUTSCHE KUNST UND DEKORATION".

Es ist jerjt etwa 10 Jahre her, da wehte durch die Künstler-
welt ein wundersamer Hauch. Wie ein schmelzender
Frühlingswind brauste es daher. Allerorten knisterte es im
Eise, köstliche Blumen sprossen hervor, zuerst noch vereinzelt,
mit Kopfschütteln ob ihrer Seltsamkeit begrüßt, später in
Mengen zu bunten Wiesen vereinigt, eine Augenweide für
sehende Augen. Das war die „Jugend" der neuen Kunst.
Es ist heute leicht, die Kraft und Schönheit dieser „Jugend"
zu preisen! Wer aber vor 10 Jahren solche Kraftentfaltung
vorauszusagen wagte, dem ward wohl mancher durch-
schlagende, volltönende Beweis entgegengeschleudert, auf
welch trügerischem Grunde sich sein Optimismus aufbaue!
„Eine Kunst, die die Tradition verleugnet, ist steuerlos". So
oder ähnlich wurden viele Warnungsrufe ausgestoßen, die
freilich vor den wagemutigen Künstlern ungehört verhallten.
Daneben gab es aber auch eine freilich kleine Zahl weit-
blickender Männer, die sofort die kulturelle Bedeutung der
neuen Bewegung erkannten. Ein Fürst schuf den revolutio-
nären Geistern eine Freistätte, auf daß sie mit voller Kraft die
Freiheit der neuen Kunst betätigen könnten! Allen voran aber
marschierte die „Deutsche Kunst und Dekoration",
die mit ihrem „Reformprogramm" sofort mit ihrer ersten,
nunmehr vor 10 Jahren erschienenen Nummer eine litera-
rische Freistätte für alle modernen Kunstbestrebungen be-

gründete. Man muß sich die ganze Zweifelsucht der damaligen
Zeit vergegenwärtigen, um den Wagemut richtig einzuschätzen,
der mit der Gründung dieser modern geleiteten Zeitschrift
verbunden war! Wer an der Demokratisierung der bis dahin
höchstens aristokratischen Kunstübung mitarbeiten wollte,
mußte natürlich an sich selbst beginnen und dürfte sich nur
mit den besten Leistungen genügen lassen. So ward die
vornehme Ausstattung in Verbindung mit einem gediegenen
Inhalt die wichtigste Forderung der Zeitschrift an sich selbst.
Es war vielleicht das Geheimnis für den vollen Erfolg des
kühnen Unternehmens! Denn einen solchen darf der Verlag
jerjt verzeichnen. Von Jahr zu Jahr ward der Inhalt reicher
und bedeutungsvoller. Eine Geschichte der modernen Kunst
läßt sich nicht mehr schreiben, ohne auf die „Deutsche Kunst
und Dekoration" Bezug zu nehmen. In ihr spiegeln sich die
Entwicklungen der deutschen Kunst wieder, aber andrerseits
hat sie selbst diese Entwicklung mit hervorgerufen oder ge-
fördert, indem sie den kühnen Neuerern einen festen Rückhalt
bot und ihr Wirkungsfeld durch vortreffliche Wiedergabe
ihrer Leistungen in Wort und Bild erweiterte. So entstand eine
Wechselbeziehung zwischen der Kunst und den Künstlern mit
der Zeitschrift. Zehn Jahre „Deutsche Kunst und Dekoration"
sind so wirklich zu zehn Jahren deutscher Kunst und deutscher
Kultur geworden.... prof. d"- vetterlein—darmstadt.
 
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