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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Michel, Willhelm: Unser Verhältnis zum Hausgerät
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0389

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375

UNSER VERHÄLTNIS ZUM HAUSGERÄT.

Das Wort Hans Thoma's: »Ich für mein Teil
will nicht in einem Kunstwerk wohnen!«
machte vor einiger Zeit die Runde durch die Blätter
und wurde hie und da in einem Sinne kommentiert,
der den modernen kunstgewerblichen Bestrebungen
nicht günstig war. Der es aussprach, wollte ihm aller-
dings auch eine Spitze gegen diese Bestrebungen
geben. Die Zeit liegt noch nicht lange zurück, da
die Theoretiker des modernen Kunstgewerbes in
allzu hohen Tönen und mit allzu pathetischen Gesten
von der Tätigkeit des Innendekorateurs sprachen.
Während wir uns heute wieder zu der Erkenntnis
durchgerungen haben, daß beim kunstgewerblichen
Schaffen vor allem praktischer Sinn und Geschmack
vonnöten sind, wurde damals die Erfindung eines
schönen Stuhles allen Ernstes mit den höchsten
künstlerischen Produktionsweisen in eine Linie ge-
stellt. Zudem ward ein Teil unserer kunstgewerb-
lichen Produktion damals von einem hochgespannten,

kränklichen
Ästhetizismus

beherrscht,
der auf kräf-
tige Naturen
abstoßend wir-
ken mußte.
Es entstanden
auf diese Wei-
se anspruchs-
volle, nervöse
Raumgebilde,
die eine ganze
Menge von
Forderungen
an den Bewoh-
ner richteten,
ehe sie sich in
ihre dienende
Rolle beque-
men wollten.
Diesen Ver-
irrungen ge-
genüberkonn-
te einem deut-
schen Manne
wohl einmal
die Geduld
reißen, daß er
ihnen ein pol-
terndes »Quos

ego!« zurief.
Ein Möbel,

ARCHITEKT RUDOLPH ZAHN — BERLIN.

das allzuleise tut, das sich preziös gibt und wie ein
heruntergekommener Adliger immer nur von seiner
vornehmen Abstammung redet, ist in der Tat kein
angenehmer Hausinsasse. Und man kann weiter
gehen und sagen: Es ist überhaupt vom Übel, wenn
ein Raumgebilde eine allzu starre Individualität
an sich trägt, wenn es von vornherein als ein ge-
schlossenes, fertiges Kunstwerk vor den Bewohner
hintritt. Beide Individualitäten werden dann gar
zu leicht in Konflikt geraten, und Disharmonie
wird die Folge sein. Das Wort: Ich will in keinem
Kunstwerk wohnen, hat also seine volle Berech-
tigung. Aber es richtet sich nicht gegen das
moderne Kunstgewerbe überhaupt, sondern nur
gegen vereinzelte Auswüchse. Und es richtet sich
außerdem gegen alle Kopien älterer Dekorations-
stile, hat also durchaus keinen reaktionären Inhalt.
Denn auch die Möbel der Renaissance, des
Rokoko usw. kommen dem modernen Menschen

mit Anforde-
rungen , die
er nicht erfül-
len kann noch
mag; nicht
weniger die
heute so be-
liebte Bieder-
meierei.gegen
welche kürz-
lich Professor
ArthurKampf
als gegen das
»Form und
Farbe gewor-
dene Philister-
tum« so kräf-
tige Worte der
Mißbilligung
gefunden hat.
Heute ist es
lediglich das
gute moderne
Kunstgewer-
be, welches
dem Kultur-
menschen die
Möglichkeit
gibt, ge-
schmackvolle
Wohnräume
zu besitzen,
ohne daß ihn

Erker-Platz der Wandel-Halle auf Seite 374.
 
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