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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

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Jaumann, Anton: Neue Arbeiten von Campbell & Pullich
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https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0202

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184

INNEN-DEKORATION

CAMPBELL & PULLICH—BERLIN.

Bleistift-Skizze: Wohn-Zimmer.

Weil sie zum Teil das gleiche anstreben, was die Vor-
eltern besaßen, geraten sie in dieselbe Formenwelt.
Aber, wer weiß, am Ende sind sie trotz ihrer schein-
baren Altertümlichkeit moderner als der prinzipien-
treueste Modernist.

Denn das ist doch nachgerade ein öffentliches
Geheimnis: Der geräuschvoll inszenierte Kreuzzug, der
mit den wunderbaren Kriegsrufen »Kunst im Alltag 1
Kunst im Leben des Volkes! Künstlerische KulturI«
ins neue Jahrhundert hereinschwoll, ist fast schon im
Sande verlaufen. Man zieht sich bereits auf Forderungen
zurück wie Zweckmäßigkeit, Hygiene, Billigkeit. Und
zwar sind es anerkannte Führerpersönlichkeiten, die
heute auf diesem Standpunkt angelangt sind und ihn
auch öffentlich vertreten. Aber auch das Publikum
fühlt sich den Früchten dieser Bewegung gegenüber,
wie sie in Innenarchitektur und Kunstgewerbe am er-
kennbarsten sind, nicht wohl. Die Begeisterung will
sich nicht einstellen. Rein statistisch genommen, hat
es ja wohl keinen Stil gegeben, der soviele formale
Neuerungen — und noch dazu in so wenigen Jährlein
— gezeitigt hat. Wir müssen die Fruchtbarkeit und
Betriebsamkeit unserer Kunstgewerbler staunend aner-
kennen. Aber im Grunde gewinnen wir doch kein
intimeres Verhältnis zu ihnen. Denn die Masse und
Virtuosität der Produktion vermögen uns nicht zu er-

wärmen. Wir erleben keine herzliche Freude. —
Es sei nicht geleugnet, daß, wie allem Neuen und
Eigenartigen gegenüber, ein erheblicher Teil des Pub-
likums auch zum modernen Stil aus Indolenz, Schwer-
fälligkeit oder Unverstand keine Stellung finden kann.
Daneben sind aber manche, die sich ehrlich bemühten,
sich in das Ungewohnte, Fremde hineinzufühlen und
hineinzuleben, und denen es je weniger glückte, je
mehr in ihrem Werten und Urteilen das Gemüt, das
Herz prävalierte. Das gilt in erster Linie von den
Frauen. Und selbst die feinsten Geister, die die
Qualitäten des modernen Kunstgewerbes nach jeder
Richtung zu würdigen wissen, haben Momente, wo sie
sich von dieser Formenwucherung abgestoßen fühlen.

Warum läßt das neue Kunstgewerbe meist kalt?
Warum erweckt es nicht tiefe, herzliche Freude ? Warum
rührt es nicht ans Gemüt? Warum stößt es manchen
ab ? Die Antwort lautet wohl einfach so: Weil die
Künstler nicht mit innerer Teilnahme geschaffen haben.
Sie haben eminent viel formale und koloristische Fan-
tasie und konstruktive Vernunft betätigt. Dazu noch
— wenigstens in den letzten Jahren — gewählten, treff-
sicheren Geschmack. Die Folge war, daß wir recht
interessante Gebilde aus Metall und Stein, Holz und
TextilstofTen bekamen, die durch ihre Neuheit und
eigenartige ästhetische Erscheinung immer wieder zu
 
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