Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

DOI Artikel:
Vogt, Adolf: Moderne Korb-Möbel
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0257

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ENTWURF : M. A. NICOLAI.
VERANDA-GARNITUR.

Ausführung: Derichs & Sauerteig.
Kunstgewerbe Werkstätten Coburg.

MODERNE KORB-MÖBEL.

Das moderne Kunstgewerbe hat in dem Artikel Korb-
möbel einen Befähigungsnachweis erbracht, der ebenso
überzeugend als lückenlos ist. Was waren die Korbmöbel
früher, ehe sie durch das Bad künstlerischer Läuterung ge-
gangen sind, und was für eine Rolle spielen sie jeßt. Auf
den Unterschied der Erscheinung will ich nicht einmal das
Hauptgewicht legen. Dag die Moderne aus dem Korbmöbel,
das vorher ein lackierter Haufen von Schnörkeln war, etwas
Sauberes, Klares, Schlicht-Gefälliges gemacht hat, das wenn
nicht stark künstlerisch, so immer von Grund aus sympathisch
ist, wird wohl kaum bestritten. Immerhin beweist schon
diese Popularität, diese Beliebtheit in allen Schichten, daß
unser modernes Kunstgewerbe nicht unbedingt so anspruchs-
volle und effekthascherische Dinge hervorbringen muß, wie
in weiten Kreisen geglaubt wird. In der Beliebtheit des
Korbmöbels ist keine Spur von Snobismus oder Mache, sie
kann darum ohne Frage als Vollbeweis gelten für die Be-
fähigung des modernen Kunstgewerbes zur Popularität.
Und dabei ist gerade im Korbmöbel das Prinzip der offenen
Konstruktion und der Materialwahrheit rücksichtslos durch-
geführt worden, ein Prinzip, das doch leicht zu theore-
tischer Starrheit, zu nüchternen und rohen Formen zu
führen scheint. Troß der Umflechtung liegt das tragende
Knochengerüst klar zutage. Aber diese scheinbare Bru-
talität stört nicht die Klarheit und Mannigfaltigkeit der

Konstruktion, bildet vielmehr einen besonderen Reiz des
Gegenstandes. Die Flechtarbeit bringt auch in den
kleinsten Fleck noch konstruktive Arbeit, die im Verein
mit der sehnigen Geschmeidigkeit des Weiden- und Rohr-
materials, dieses sympathisierende Interesse hervorruft,
das vor teuren Hölzern mehr dem Staunen weicht. Unsere
Kunstgewerbler, die sich mit Korbmöbeln befaßt haben,
erkannten sehr richtig, daß sie diese gegebenen Reize nicht
durch formalistischen Reichtum überschreiten durften. Sie
beschränkten sich auf einfache, große Formen, in deren
Erfindung sie freilich unerschöpfliche Phantasie bekundeten.
Das Publikum hat diese schlichten Formen gerne akzeptiert
und damit auch dem genannten Prinzip die Lebensfähigkeit
bestätigt.

Es wurde oft ausgesprochen, das neue Kunstgewerbe
sei nicht imstande, Marktware zu erzeugen. Es wende sich
nur an Liebhaberkreise. Die Korbmöbel beweisen das
Gegenteil. Sie sind tatsächlich Marktware geworden und
sie haben sogar auf den breiten Markt wie auf die Industrie
einen sehr wohltätigen Einfluß ausgeübt. Früher wurden
sie unter recht kümmerlichen Verhältnissen meist in Heim-
arbeit hergestellt; da die Gegenstände billig verkauft werden
mußten, und wegen ihrer vielen Schnörkel doch viel Arbeit
machten, war der Verdienst des Arbeiters leider sehr gering.
Auch der Kaufmann hatte keine Freude an ihnen. Sie

1»08. VI. 4.
 
Annotationen