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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Westheim, Paul: Das Vorlagen-Werk
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0092

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INNEN-DEKORATION

Empfangs - Zimmer. Schrank in
poliertem Birkenholz mit Intarsien.

ENTWURF: ARCHITEKT MATHIAS FELLER. AUS-
FÜHRUNG: HOF-MÖBELFABRIK BALLIN—MÜNCHEN.

DAS VORLAGEN-WERK.

los vom Vorlagenwerk! Los vom Musterzeichner-
*-* geschmackl lautet heute die Parole auf allen Ge-
bieten des kunstgewerblichen Schaffens. Das Vorlagen-
werk und vor allem seine geistlose »Ausschlachtung«
ist zu einer allgemeinen Gefahr geworden, aus der uns
nun die persönlichen Leistungen hervorragender Künstler
retten sollen. Es ist der Kampf mit der Schablone,
wo doch im Hintergrund die Hoffnung schlummert, den
guten, brauchbaren Typus zu finden.

Das Vorlagenwerk hat selbstverständlich keinen
Sinn für den schöpferischen Künstler. Er schafft aus
eigenem Vermögen persönliche und neue Werte. Sein
Werk ist eine Manifestation seiner ursprünglichen Bildner-
kraft, ist eine Tat und nicht die Widerspiegelung einer
Anregung aus zweiter oder dritter Hand. Er hat ja
das Vorzüglichste aller Vorlagenwerke: die
Natur, deren reichen Inhalt er in Gestaltungen eigener
Art umzusetzen, in seine persönliche Formensprache zu
übersetzen vermag. Er schöpft frei und frisch aus
diesem Urquell, den er sich selbstverständlich nicht
durch einen Mittler trüben lassen will. Lebendiges will
er formen; so berauscht er sich an dem Rhythmus des
Lebens und nicht an dem Nachguß der Vorlage.

Das gewerbliche Schaffen in seinem weitesten Um-
fang kann naturgemäß nicht von diesen wertvollsten,

ersten Kräften geleistet werden. Die gestellten An-
forderungen sind zu groß. Aber wenn wirklich nicht
nur einzelne Luxusstücke, sondern eine allgemeine
künstlerische Disziplinierung aller Gebrauchsgegenstände
angestrebt wird, ist ein Heer von Hilfskräften, von
Talenten zweiten oder dritten Grades notwendig, deren
Arbeitsweise natürlich ganz anders geartet ist. Der ge-
werbliche Zeichner, der irgend einem industriellen Unter-
nehmen verpflichtet ist, der die Tagesaufgaben mit ihren
vielen Sondererwägungen und Sonderwünschen schnell
zu erledigen hat, der immer wieder etwas Neues,
Originelles, Nichtdagewesenes erfinden soll, verbraucht
einen ungeheuren Schatz an Ideen und Formen, den
er nach der Lage der Dinge gar nicht besitzen kann.
Er lebt also auf Borg und muß sich nach Hilfsquellen
umsehen, die ihn vor der vollständigen Verflachung
behüten. Die Überzahl der gestellten Anforderungen
und die allzugroße Hast der Produktion zwingen ihn,
vorbildlichen Anregungen zu folgen, die ihm am be-
quemsten in den Vorlagenwerken geboten werden.

Wie sehr man sich auch innerlich gegen eine der-
artige Arbeitsweise sträuben mag, man wird diese Leute
nicht einfach unbeachtet lassen dürfen, wenn man auch
die kleinen und unwichtigen Formen der gewerblichen
Produktion auf ein erträgliches Geschmacksniveau bringen
 
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