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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Widmer, Karl: Über den Wert der Originalität
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0142

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INNEN-DEKORATION

GEH. STADTBAU RAT LUDWIG HOH'MANN- BERLIN.

Blick in den großen Hof des Mark. Museums.

ÜBER DEN WERT DER ORIGINALITÄT.

Qo alt wie die Kunst, so alt ist auch der Konflikt
^ zwischen dem Wesen des Schöpferischen, das sich
in einer fortwährenden Neugestaltung der überlieferten
Werte betätigt, und der angeborenen Neigung der
Menschen, am Alten und Herkömmlichen festzuhalten.
In revolutionären Zeiten, wo dieser Gegensatz zum
treibenden Moment der Entwicklung wird, muß er sich
notwendigerweise verschärfen und die erhöhte Spannung
des Widerstands erzeugt dann Werke von besonders
ausgeprägter Eigenart und Originalität. Dafür ist die
moderne Bewegung in Architektur und Kunstgewerbe
ein schlagendes Beispiel. Sie war hervorgegangen aus
dem Kampf gegen die Konvention der historischen
Formenüberlieferung, und so mußten ihre ersten Lebens-
äußeruDgen naturgemäß den Stempel eines sich rück-
sichtslos durchsetzenden Künstler-Individualismus tragen.
Die Originalität war der Maßstab, mit dem ihre Schöpf-
ungen vor allem gemessen wurden. Die hohe Ein-
schätzung des Eigenen, in dem eine künstlerische Per-
sönlichkeit eine neue und selbständige Sprache redet,
führte aber schließlich zu einem einseitigen Persönlich-
keitskultus, der auch dem simpelsten Gegenstand des
alltäglichsten Gebrauchs einen übertriebenen Wert künst-
lerischer Wichtigkeit beilegte. Dazu kam noch der be-
sondere Umstand, daß die neue Kunst nicht aus der

Praxis des Lebens herausgewachsen war, wie die alte.
Künstler haben sie ins Dasein gerufen und mußten ihr
erst künstlich einen Boden schaffen, von dem aus sie
sich ihren Weg ins Leben erkämpfen konnte. Sie hat
in den ersten Jahren ihre Existenz fast ganz auf Aus-
stellungen fristen müssen: bekanntlich ein Feld, wo das
Auffallende sich leichter durchsetzt, als das Abgeklärte.
Das alles hat dazu beigetragen, die Ungebundenheit der
künstlerischen Phantasie zu entfesseln und den ausge-
sprochenen Zug von Originalitätssucht, an dem die
Bewegung im Anfang unzweifelhaft gekrankt hat, zu
verstärken. Das hat denn auch die Kritik in ihrer
Weise gefördert. Anstatt durch eine besonnene Ab-
schätzung des Echten und des Unechten das Urteil zu
leiten und zu klären, hat sie sich meistens selbst ver-
blüffen lassen und so der Originalitätssucht noch Re-
klamedienste geleistet. Und von dem Publikum, das
sich in die breite Masse der unbedingten Gegner und
das gedrängte Häufchen der unbedingten Parteigänger
schied, haben natürlich auch die radikalen Bewunderer
des Neuen zu den gewagtesten Phantasiesprüngen der
Originalgenies am lautesten bravo geschrieen. Jeden-
falls war die Zahl derjenigen, die mit kritischer Be-
sonnenheit die gesunden Keime beobachteten und daraus
die Richtungslinie einer gesetzmäßigen Entwicklung
 
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