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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Schulze, Otto: Sollen wir in die Höhe oder in die Breite bauen?
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Utitz, Emil: Der Stilwandel
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0165

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INN EN-DEKORATION

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geh. stadtbaurat l. hoffmann—berlin. Berliner Zimmer a. d. J. 1830 im Mark. Museum.

Zweck hat, da soll er auch fortbleiben. Auch das
gesuchte Aufstaffeln einzelner Gebäudeteile mit sich so
oft verschneidenden Dächern, nur um interessante Bau-
silhouetten zu erhalten, widerspricht dem wohnlichen
Bauen nach künstlerischen Gesichtspunkten. Wo die
Häuser mit hohem Baumwuchs umgeben sind, sollte
überhaupt ein bedeutendes Überragen der Häuser ver-
mieden werden; es ist ästhetisch wertvoll, nur die
Dächer zwischen den Baumkronen aufleuchten zu lassen.

Nun schützen uns sowohl in den Städten wie auf
dem Lande baupolizeiliche Bestimmungen unter anderm
auch vor dem unbeschränkten in die Luft bauen.
Solchen Baugefahren wie in Amerika sind wir nicht
ausgesetzt. Dennoch sollten wir, wie das namentlich
auch in München der Fall ist, wenn es sich um die
Wahrung eines schönen Straßenbildes handelt, weniger
auf eine rationelle Bodenausnützung, als vielmehr auf
die künstlerisch-proportionale Eingliederung eines Baues
in seine Umgebung hinstrebea. Ein Bauwerk ist ein
Organismus, der sich wiederum größeren Einrichtungen
einfügen muß, mehr dienend als herrschend. Es zieht
ihn gleichsam zur Erde, nur ein Glied in Reihe und
Rhythmus mit künstlerischer Note. Und der Bauende
soll so Beziehung zum Nachbar und zum Gegenüber
finden, sich mit seinem Werke einfügen lernen; dieses
kann dabei doch die Persönlichkeit seines Urhebers
zeigen und zu einem vornehmen Gesicht werden.
Aber absichtlich der Riese und Starke unter not-
wendigen Zwergen sein wollen, ist hier ethisch und
ästhetisch verwerflich. — otto schulze—etberfeld.

DER STILWANDEL. Ebenso wie Kulturen unter-
gehen, gehen auch bestimmte künstlerische Aus-
drucksformen unter und weichen anderen, die den
jeweiligen Bedürfnissen mehr entsprechen. Und nicht
an sich beklagenswert ist dieses Sterben, dem neues
Leben entwächst. Denn was es an kräftigen Werten
barg, wirkt weiter. Der alten Kunst große Taten
erfreuen und erheben uns noch heute, ständig spenden
sie Lust und Wonne; und sie werden zu Lehrmeistern
kommenden Geschlechtern; zu Lehrmeistern, nicht
aber zu Vorbildern, die nachgeahmt werden müssen.
So verändert wirkt Vergangenes fort, es aber durch
sklavische Kopien künstlich einem neuen Leben zu-
führen zu wollen, heißt tote Gespenster an die Stätten
setzen, die einst voll blühender Kraft waren. Nichts
kann uns so den Geschmack und die Freude an alter
Kunst verekeln, als trauriges Epigonentum.

Wir können Vergangenem viel weihen, wir genießen
es in großen Stunden unseres Lebens, aber es löst
uns los von unserem Leben. Dessen können einige
Altertumsforscher entraten, nicht aber ein Volk und
seine Künstler. Sie trinken von den Quellen ihrer
Zeit, und berauschen sich an diesem Trank. Aus
diesem Rausche müssen sie schaffen, in ihm genießen,
durch ihn emporwachsen in künftige Zeiten. Weg-
weiser in die Zukunft wollen wir; der Führer in die
Vergangenheit haben wir genug. Und auch ver-
gangenes starkes Leben und seinen künstlerischen Aus-
druck kann nur der fühlend und erschauernd erfassen,
der selbst ein starkes, eigenes Leben lebt. e. utitz.
 
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