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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Utitz, Emil: STIL. Eine ästhetische Betrachtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0183

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INN EN-DEKORATION

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STIL. Eine ästhetische Betrachtung.

Man hört heute die Frage: »Haben wir einen neuen
Stil?« viel häufiger erörtern, als diejenige, deren
Beantwortung vor allem not tut: »Was ist Stil?«
Mangeln uns da Einsicht und Klarheit, stehen wir der
ersten Frage hilflos gegenüber. Ich bin nun nicht so
vermessen zu glauben, in einem kurzen Essay des
schwierigen Rätsels Lösung geben zu können. Aber
mir scheint es nicht unnütz, einige Bemerkungen zu
bieten, die vielleicht für den einen oder anderen An-
regungen bedeuten.

Eine beträchtliche Gefahr für klare Erkenntnis und
deutliche Verständigung liegt in der Vieldeutigkeit
mancher Worte. Solange der verschiedene Sinn hand-
greiflich zu Tage tritt, ergeben sich keine üblen Folgen.
Werden die Beziehungen aber reicher und verwickelter,
verwirren sich gar oft die Bilder; die einzelnen Be-
deutungen schillern dann durcheinander; nicht Zu-
sammengehöriges sucht sich zu paaren; enge Ketten-
glieder werden zerrissen, dafür häufig aber unhaltbare
Verbindungen geknüpft. . . . Und das traurige Ergebnis
ist, daß diese begrifflichen Unklarheiten überall sich
einschleichen und Schaden stiften. Man sage nicht:
das seien theoretische Gefahren. Wem alles sich nur
verschwommen malt, wird durch seine eigene Verworren-
heit andere verwirren. Wer aber die Erscheinungen

in richtiger Beleuchtung sieht und verständig deutet,
wird eher dazu berufen sein, durch sein Urteil andere
zu fördern. Wenn man mit Worten wie »Stil«, »Kultur«,
»Schönheit« wie mit Bällen spielt, verlieren sie alle
Bedeutung und sinken zu tönenden Phrasen herab. Und
darum tut ein wenig Selbstbesinnung dringend not!

»Stil« ist nun leider ein recht vieldeutiges Wort;
in mancherlei Bedeutungen wird von Stil gesprochen,
doch wird deren starke Unterschiedlichkeit häufig über-
sehen. Meiner Meinung nach liegen vier Gruppen
von Bedeutungstypen vor, die vorerst durch Beispiele
angedeutet werden sollen:

1. Stil-Kunst, 2. Plastischer, malerischer usw. Stil,
3. Rubens-Stil, Rembrandt-Stil usw., 4. Romanischer
gotischer usw. Stil. — Es gilt nun den wirklichen, zu-
treffenden Sinn dieser vier Bedeutungen wenigstens
annähernd festzustellen. Zu diesem Zwecke wollen wir
sie der Reihe nach einer kurzen Betrachtung unterziehen.

1. Wir sprechen angesichts der Kunst von stilisierten
Blumen im Gegensatz zu naturalistisch dargestellten;
wir reden von Stilisierungen der menschlichen Ge-
stalt usw. Wie bereits angedeutet, schwebt uns dabei
der Gegensatz zur naturalistischen Behandlung vor.
Zweifellos ist »Stil« in diesem Sinne etwas zeitloses:
ein Abrücken vom Naturvorbild, ein bewußtes Umge-
 
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