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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Westheim, Paul: Mieter-Wünsche und Hausbesitzer-Sorgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0201

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INNEN-DEKORATION

179

Entwurf: m. a. Nicolai—Dresden.

Frühstücks - /Ammer einer Mietwohnung mit
Rohrmöbeln. Aus/.: Theod. Keimann—Dresden.

MIETER-WÜNSCHE UND HAUSBESITZER-SORGEN.

Vc Berliner Hausbesitzervereine haben eine Umzugs-
jyj - statistik aufgemacht. Das Material lieferten die
g> etsk°atrakte. Die Ziffern sind ebenso ersehreckend
für rre*cn und sollten amtliche statistische Erhebungen
, äfle Städte veranlassen. Seßhaft wird in der Reichs-
]cjUl)tsta(!t von allen, die kein eigenes Haus besitzen,
jähr^ °'n ',rozcnt- 1° einem Zeitraum von drei
j^^ren haben 90 Prozent aller Mieter wenigstens ein

,!nre Wohnung gewechselt. Allerdings durchwandern
s dleser kurzen Frist davon mehr als zwei Drittel etwa

«s Wohnungen, denn 65 von hundert Berliner Familien
6 ' Jen nicht länger als sechs Monate in einem Haus.
ein r°Zent zienen alle fünf- 3 Prozent alle zehn Jahre
Wp Mal um. Kinderreichtum macht die Leute keincs-
tj Ks seßhafter; ja man darf behaupten, daß gerade die

^bringung und Versorgung der Kinder die untersten

völkerungsschichten zum Wohnungswechsel zwingen.
r's ist i '

ch

zahl * seclls Monate umziehen, eine größere Kinder

eine sozialpolitisch und hygienisch nicht unbe-

^he Erscheinung, daß 81 Prozent jener Mieter,

dcnkli
alle

(3S* aufwiesen. Mehr als ein Drittel aller Berliner Mieter
zahl "Prozent) mußten auf dem Klageweg wegen Nicht

solch
sein

lng der Miete zum Verlassen der Wohnung ge-
gen werden. Was heißt das anderes, als daß ein
großer Bevölkerungsteil nicht in der Lage ist,
jyj- natürliches Wohnbedürfnis zu bestreiten. Der
letpreis steht in keinem Verhältnis zu dem Einkommen

dieser Massen, aus denen die Gewinne der Hypotheken-
wucherer, der Bau- und Terrainspekulanten heraus-
gewirtschaftet werden sollen. Wo bleibt da die sozial-
politische Fürsorge des Staates und der Kommune'.''
Oder will man im Ernst behaupten, die gesamte
Bevölkerung habe kein Interesse an der energischen
Beseitigung dieses unfreiwilligen Nomadenzustandes?
Kann es den Behörden wie der Allgemeinheit wirklich
gleichgültig sein, wenn nahezu ein Drittel der Groß-
stadtein wöhner innerhalb eines Zeitraumes von sechs
Monaten exmittiert werden muß? Die trostlose ökono-
mische Lage, die aus solchen Ziffern spricht, muß
selbstverständlich einen Rückschlag auf alle Schichten
ausüben. Vielleicht wird es schließlich auch einmal
eine Frage des guten Geschmackes werden, den Terrain-
spekulanten als rücksichtslosen Schädling gesellschaftlich
zu boykottieren, wie in früheren Zeiten der Henker, der
Schinder oder der Kornwucherer verrufen waren und
wie man es heute vermeidet, in einem Hause mit dem
Winkelkonsulenten oder dem Kurpfuscher zu verkehren.

Das ist nur eine Seite der Angelegenheit. Warum
verzieht die große Zahl der übrigen Familien so oft?
Niemand wechselt doch die Wohnung ohne triftigen
Grund. Bedenkt man die hohen Ziehkosten, die Un-
zuträglichkeiten und Unbequemlichkeiten, die Abnutzung
des Mobiliars usw., so muß man zu der Erkenntnis
gelangen, daß hier eine unerbittliche Notwendigkeit
 
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