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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Westheim, Paul: Das Gesetz der ornamentalen Reihenbildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0224

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202

INNEN-DEKORATION

WASCHTISCH AUS DEM AHORN-SCHLAFZIMMER.

Das Geset3 der ornamentalen Reihenbildung.

Der Mathematiker fügt Glied an Glied; durch Ad-
dition gleichartiger Werte entwickelt er Reihen.
Und vermag sich so, wenn er mit spekulativer Phantasie
begabt ist, irrationale Größen in konkrete, bequem faß-
bare Begriffe zu zerlegen. Er deutet das Unendliche
durch das schlichte Einzelglied, er operiert ohne
Schwierigkeiten mit dem Irrationalen kraft der syste-
matischen Organisierung seiner Phantasie-
begabung. Die ornamentale Phantasie des Gewerblers
kann sich nicht auf eine so bequeme Methode stützen.
Und doch steckt hier der Keim zu einer Gesetzmäßig-
keit, die in unseren Tagen meist verkannt wird, die
so manchen Mißerfolg ersparen könnte.

Man denke an die Herstellung von fort-
laufenden Mustern. Etwa Kleiderstoffe, Möbelbezüge
oder Tapeten. Ein ornamentales Einzelglied, ein Motiv
gibt die Grundlage ab. In endloser Wiederkehr soll
es systematisch aneinandergereiht werden. Der Web-
stuhl oder die Druckerpresse vervielfältigen es hundert-
und tausendfach, bis der dekorative Keim aufgeht in
einer neuen größeren Einheit. Es verliert seinen Eigen-
wert, wird zu einer bescheidenen Zelle in dem ent-
stehenden Gesamtorganismus — oder sollte es vielmehr
werden. Denn nur zu oft begegnen einem Erscheinungen,
bei denen sich die harmonische Gesamtwirkung durch-

aus nicht einstellen will, wo irgend ein
nebensächliches Detail mit peinlicher Auf-
dringlichkeit herausstarrt, wo ungewollt
und am falschen Ort gähnende Löcher
entstehen, wo, wie der Textiliker sagt,
das »Muster streift«. Gerade die be-
kanntesten Künstler haben in diesem
Punkte versagt. Was an sogenannten
»Künstlerseiden« oder »Künstlertapeten«
herausgebracht worden ist, hat im allge-
meinen Ablehnung erfahren. Und die
ausgesprochene Vorliebe unserer Innen-
architekten für ungemusterte, einfarbige
Dekorationsstoffe ist in vielen Fällen nur
ein Notbehelf, weil die Leistungen der
Musterzeichner unbefriedigend, die der
Künstler verfehlt sind, — Der Fehler
liegt darin, daß, man sich zufrieden
gab, wenn man ein dekoratives
Motiv auf einer Fläche von einem
halben Quadratmeter geschickt in
eine rhythmische Folge gebracht
hatte. Das aber ist hier erst der Aus-
gangspunkt, noch nicht das Endziel.
Denn es soll ja gar nicht eine Fläche
von solch geringer Ausdehnung ornamental
diszipliniert werden. Eine fortlaufende
Musterung mit ganz anderen Wirkungs-
möglichkeiten, ganz anderer Struktur gilt
es zu ersinnen. Und zwar derart, daß
nicht eine Addition von beliebig vielen
Quadratmetern, sondern eine in sich
geschlossene Größe, eine neue dekorative
Einheit entsteht. — Dazu aber bedarf es
der ornamentalen Phantasie. Einer

ENTWURF: MAX PFEIFFER —MÜNCHEN. TOILETTE-TISCH IN RÜSTERNHOLZ.
 
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