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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Michel, Wilhelm: Die Schicksale des Ornaments
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Widmer, Karl: Kleid und Wohnraum
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0259

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INNEN-DEKORATION

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ARCHITEKT ALBERT SCHIEBER—STUTTGART. WOHNHALLE. MÖBEL IN NUSSBAUMHOLZ. AUSF.: EPPLE & EGE—STUTTGART.

So gut wie nichts. Und so kam es, daß das Ornament
in Verruf und Verfall geriet, von dem es sich bis heute
bei uns noch nicht erholt hat. Für unser Auge bedeutet
jede Art von dreidimensionaler Ornamentierung, rund
gesagt, eine Hemmung, eine Störung, sogar eine Beun-
ruhigung des Auges. Wir sind darauf eingestellt, formen
und Linien zu sehen, die das Auge rasch und sicher
nachzeichnen kann, Formen, an denen unsere Gedanken
gleichsam abgleiten können. Übersichtlichkeit ist uns
alles. Daher dulden wir gerne jene Ornamentierung, die
die Fläche in ihrem ruhigen Gleiten nicht stört; die heutige
Vorliebe für die Intarsia stammt lediglich aus diesem
Streben nach Übersichtlichkeit. Es wird selten aus-
gesprochen, aber es ist zweifellos das allgemeine Gefühl,
daß das Ornament im Grunde genommen kein Lebens-
recht hat. Selbst solche Künstler, die manchmal eine
Kante mit einfachen Einschnitten etc. zu zieren wagen,
bestätigen die Regel, indem sie das Bedürfnis zeigen,
dieses Wagnis irgendwie als zweckmäßig zu begründen
und zu — entschuldigen.

Ich enthalte mich jeder Bewertung dieser gegenwär-
tigen Situation und jeder Prophezeihung für die Zukunft.
Worauf es hier ankam, das war nur ein kurzer historischer
Rückblick auf eine Entwicklung, die wir alle selbst mit-
erlebt haben, vom Zeitgeiste gedrängt, der uns immer zu
Dienern hat, der uns heute verwerfen läßt, was wir
gestern geschaffen haben, der uns heute schaffen läßt,
was wir morgen verwerfen werden. wilhelm michel.

KLEID UND WOHNRAUM.

Wie unsere Hauseinrichtungen in hunderterlei Dingen
des praktischen Gebrauchs von der Art der
Kleidung abhängen, dafür ist der Schrank das kultur-
geschichtlich interessanteste Beispiel. Solange das antike
Prinzip der Kleidung — Kleider, die aus losen, zu-
sammenlegbaren Tüchern bestanden und sich in Truhen
bequem aufbewahren ließen — vorherrschte, so lange
war der Schrank auch ein verhältnismäßig seltenes
Stück Möbel. Erst seit dem Ende des Mittelalters,
als sich die moderne, vom Schneider zugeschnittene
und genähte Tracht — Kleider, die aufgehängt werden
musSen — ausgebildet hatte, ist auch der Schrank in
seiner wichtigsten Funktion als Kleiderschrank das
Universalmöbel in allen Haushaltungen der Reichen
und Armen geworden.

Tiefer und universeller aber, als in solchen Äußer-
lichkeiten des praktischen Bedürfnisses äußert sich der
Zusammenhang zwischen Kleidung und Wohnung des
Menschen, — den schon die Sprache in der Parallele
»Wand« und »Gewand« ausdrückt, — in dem rein
künstlerischen Verhältnis zwischen Stil und Tracht. In
allen Zeiten einer lebendigen Stilentwicklung hat sich
die Wirkung der künstlerischen Kultur auch darin ge-
zeigt, daß sie eine Harmonie der äußeren Erscheinung
des Menschen mit dem Wohnraum und seiner Ein-
richtung geschaffen hat. Wir können uns einen Griechen
 
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