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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Pabst, ...: Die Erziehung zur Gewerbetätigkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0356

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332

INNEN-DEKORATION

handgeschickten und gut durchgebildeten Arbeitern
sich steigert. Eine genauere Prüfung dieser Fragen
zeigt, daß selbst durch die besten Maschinen geschulte
und geübte Hände nicht entbehrlich gemacht werden,
im Gegenteil: je feiner und komplizierter die
Maschinen werden, desto geübter müssen auch
die Hände sein, welche diese Maschinen be-
dienen sollen. Ein Fortschritt in der Verwendung
von Maschinen ist überhaupt nur dann möglich, wenn
damit zugleich ein entsprechender Fortschritt in der
technischen Ausbildung der Arbeiter an der Maschine
verbunden ist. In einem Vortrage über »Technische
Arbeit einst und jetzt« machte W. v. Oechelhäuser die
sehr beachtenswerte Bemerkung, »daß mitunter kost-
bare Werkzeugmaschinen zeitweilig außer Betrieb bleiben
müssen, weil man nicht genügend tüchtige Arbeiter
dafür findet.« Mit anderen Worten also: unsere allge-
meine und unsere gewerbliche Erziehung leisten das nicht,
was im gegenwärtigen Maschinenzeitalter von der Er-
ziehung des Arbeiters gefordert werden muß, und noch
mehr werden sie in der Zukunft versagen, wenn wir
nicht bald an eine durchgreifende Änderung denken.

Diese Klage wiederholt sich mit einigen durch die
Verhältnisse bedingten Variationen auf den verschiedensten
Gebieten gewerblicher und industrieller Tätigkeit. Sie
wird sich umso lauter bemerklich machen, je mehr der
aus der alten, guten
Handwerkslehre hervor-
gehende Stamm geschul-
ter Arbeiter verschwindet
und den ungelernten Ar-
beitern Platz macht;
gestern waren sie viel-
leicht in der Landwirt-
schaft beschäftigt und
heute arbeiten sie in der
Fabrik, wo sie besser
bezahlt werden und nur
eine Maschine zu bedie-
nen haben, die keine
qualifizierte Leistung von
ihnen verlangt. Sobald
es sich aber um eine
qualifizierte Arbeit han-
delt, ist der ungelernte
Arbeiter unbrauchbar,
während der gelernte, aui
dem Boden des Hand-
werks erwachsene und
manuell ausgebildete Ar-
beiter in eine neue Kate-
gorie und damit gewöhn-
lich auch in bessere
Existenzbedingungen ein-
rückt. Fast alle Gebiete
der gewerblichen und
industriellen Produktion
zeigen uns derartige Ver-
schiebungen , die durch
die Verbesserungen im
Maschinenbetriebe und
durch Veränderungen im
Arbeitsprozesse eintreten
(der gelernte Schlosser

BILDHAUER RICHARD KUÖHL. BRUNNEN IN BETONEINLAGE-ARBEIT.

AUFGESTELLT IN DER HALLE VON J. GROSCHKUS, HOF-TISCHLERMEISTER — BERLIN.

z. B. findet in der Elektrotechnik oder im Fahrradbau
Verwendung, der Schreiner als Modelltischler usw.).
Überall zeigt sich eine erhöhte Nachfrage nach Präzi-
sionsarbeitern, die in der Feinmechanik, in der Metall-
warenfabrikation, im Maschinenbau, in der optischen
Industrie und in vielen anderen Gewerben ganz unent-
behrlich sind. Die Statistiken der Berufszählungen geben
die beste Auskunft über den bedeutenden Umfang der
Verwendung gelernter Arbeiter innerhalb der Industrie.

Noch andere Eigenschaften verlangt das Kunsthand-
werk, von dessen Wiederbelebung man vielfach in
gewissem Sinne eine Rettung des Handwerkerstandes
erwartet. Hier gelten andere Bedingungen für die
Produktion: weder die zur Arbeit erforderliche Zeit,
noch der Preis der Rohstoffe sind ausschlaggebend,
sondern allein der künstlerische, individuelle Wert des
Produktes. Der »Deutsche Werkbund« hat sich ein-
gehend mit der Frage beschäftigt, welche Bedingungen
für die Heranbildung des gewerblichen Nachwuchses
gelten, wenn derselbe Qualitätsarbeit liefern soll. Denn
das ist vollkommen klar, daß mit billiger Massenarbeit
Deutschland eine führende Rolle in der Volkswirtschaft
auf die Dauer nicht behaupten kann. Dazu ist bei
uns die Arbeitskraft zu teuer und die Rohprodukte
sind zu wertvoll, besonders wenn wir sie von anderen
Völkern kaufen müssen. Mit Recht hat eine auf dem

Gebiete der gewerblichen
Erziehung in Deutschland
vielgenannte Autorität, der
Münchner Schulrat Dr.
Kerschensteiner, darauf
hingewiesen, daß das Pro-
blem der gewerblichen
Erziehung nicht losgelöst
werden könne von dem
Problem der Gesamter-
ziehung unseres Volkes.
Es wird also, um einer
wirksamen gewerblichen
Erziehung die Vorbe-
dingungen zu schaffen,
darauf ankommen, schon
die Volksschule so zu
organisieren, daß die
produktiven Kräfte im
Kinde zur Entwicklung
kommen, weil nur diese
die Arbeitsfreudigkeit und
Schaffenslust erwecken
können. Dazu ist die
technische Arbeit, d. h.
die Arbeit mit Werk-
zeug und Material,
unentbehrlich. Diese Art
der Erziehung nennen wir
werktätige Erzieh-
ung. - DTR. DR. PAUST.

£

BERICHTIGUNG: Au-
tor der Vitrine und des
Damen - Schreibtisches.
Augustheft S.272—273,
ist Frau M. Mezger-Gel-
dern St. Cloud (Paris), r.
 
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