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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Otto, K.H.: Zeichen der Zeit in der künstlerischen Produktion
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0393

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XX. JAHRGANG.

DARMSTADT.

NOVEMBER 1909.

ZEICHEN DER ZEIT IN DER KÜNSTLERISCHEN PRODUKTION.

Lange Friedenszeiten zeitigen auf allen Gebieten
_4 des wirtschaftlichen, industriellen und künst-
lerischen Schaffens eine Fülle von Leistungen und
Werken, die weit über den eigentlichen Bedarf der
täglichen Ansprüche und des normalen Verbrauchs
hinausgehen. Das Angebot übersteigt bei weitem
die Nachfrage. Der Erzeuger setzt sich dem Ver-
braucher gegenüber in einen gewissen Widerspruch,
weil es schließlich überall eine gewisse Befriedigung
und Sättigung, ein notwendiges »Genug« gibt, das
ein Mehr und Zuviel zurückweist. Auch ein sicht-
barer Wohlstand ändert darin nicht viel, weil eben Auf-
nahmefähigkeit und Verbrauch viel begrenzter sind
als die Produktion, der kaum normale Einschränkung
anders als zwangsweise auferlegt werden kann.

Es steht eben auf allen Gebieten eine ungeheuer
große Zahl produzierender Kräfte, namentlich in
Deutschland, in Tätigkeit. Ein durch bittere Not-
wendigkeit oder durch Selbsterkenntnis sich aus-
schaltender Überschuß wird durch Auswanderung
in andere Länder abgeleitet; auch ein Wechsel des
Berufes vermittelt Ausgleiche. In ganz schweren
Zeiten wirtschaftlichen Niederganges, der durch
große Produktionsvorräte herbeigeführt wird, sollen
Arbeiter-Entlassungen und verkürzte Arbeitszeiten
die vorhandenen Arbeitskräfte und Arbeitsmittel

vorübergehend brachlegen. Das sind harte Not-
behelfe, weil naturgemäß verdienstlose breitere
Volksschichten sehr schlechte Verbraucher sind.
Jemand die Gelegenheit zur Arbeit und Betätigung
nehmen, heißt noch lange nicht, ihn unter allen
Umständen zur Untätigkeit verurteilt zu haben; aus
einer bisher erzeugenden Kraft kann je nach den
Verhältnissen und einer damit zu weckenden Ver-
anlagung auch ebensogut eine zerstörende Wirkung
sich äußern. Wir haben das schon des öfteren gehabt.

Im allgemeinen Leben gibt es nun ja wohl eine
Menge von Dingen, die durch NichtVerbrauch zu-
grunde gehen oder neuen Verarbeitungsprozessen
unterworfen werden, andere wieder, die in einer
natürlichen Kurzlebigkeit ihre eigentliche Erfüllung
vollziehen. Ja, die überproduktive Industrie erzeugt
eine Unmenge von Artikeln, so namentlich Saison-
und Modeartikel, die auf Kurzfristigkeit berechnet
sind. An sich liegt den Erzeugern nichts an langer
Lebensdauer ihrer Erzeugnisse, weil eben Erzeugung
und Verbrauch einander bedingende Notwendigkeiten
sind. Für die Ewigkeit bestimmte Werte fallen
nur Auserwählten zu. Das gilt namentlich auf dem
von unserm Thema festgelegten Gebiete. Große,
mächtige Reiche samt ihren herrlichsten, schier
unvergänglich scheinenden Bauwerken sind in Trüm-

1909. XI. 1.
 
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