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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

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Schmidt, Karl: Material-Veredelung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0402

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378

INNEN-DEKORATION

MATERIAL-VEREDELUNG.

Es ist bedauerlich, wie weit in Deutschland durch
schlechte Arbeit und schlechte Behandlung der
Materialien die Freude am Material selbst gesunken ist.
Der normale Deutsche, »der Gebildete«, empfindet, wenn
er ein Stück Holz betrachtet oder befühlt, einen Seiden-
stoff in die Hand nimmt, ein Stück Perlmutter, Elfen-
bein oder dergleichen sieht, selten, wie schön ein
Material rein als solches ist. Wollen wir aber ein Kunst-
gewerbe entwickeln und vor allen Dingen Verständnis
für Qualität und gediegene Arbeit, dann ist Freude
am Material und an edler Materialwirkung
eine unerläßliche Vorbedingung.

Mag sich der Marktpreis eines Materials nach dem
Gesetz von Angebot und Nachfrage richten, der Kultur-
wert eines Materials, ich meine: seine soziale Geltung
richtet sich nach dem Verständnis, das Produktion und
Konsum für die materialgemäße Bearbeitung besitzen.

Durch das Findringen von Wissenschaft und Chemie
in die Bearbeitung gewerblicher Rohprodukte ist die
vielhundertjährige Tradition und Erfahrung, auf der das
Gefühl der Materialwirkung beruhte, verloren gegangen.
An die Stelle der Kunst (d. h. des Könnens 1) des Hand-
werkers ist das Wissen des Technikers getrelen. Das
Materialgefühl ging dabei verloren. Dazu kam die Ab-
sicht des Unternehmers vor allen Dingen billiger zu

sein wie der andere. Dadurch sind alle Materialien
schlechter geworden, vom Leder bis zum Eisen. Die
deutsche Lederindustrie mag sagen was sie will und
ebenso die deutsche Farbindustrie. Sie wirkten zunächst
qualitätsmindernd. Ich erinnere an die sehr grund-
legende Arbeit des Britischen Museums über Ein-
bandleder seiner Bibliothek. Alles, was über vierzig
Jahre und mehrere Jahrhunderte alt ist, ist dauerhaft,
widerstandsfähig, behält die Farbe, ist einwandfrei,
Bücher, die nach dieser Zeit in die Bibliothek gekommen
sind, sind zumeist verschossen, brüchig, rissig. Der
gewissenhafte Hersteller von Möbeln kann Leder heute
nur noch mit allerhand Einschränkungen empfehlen.
Auch hier läßt sich sicher gutlohnende Arbeit in großem
Umfang gewinnen, wenn wieder versucht wird, auf Grund
unserer alten Gerbmethoden Leder zu schaffen oder
durch neue Methoden die Qualitäten der alten zu er-
reichen. Absatz dafür ist vorhanden. Es gibt heute
schon eine große Gemeinde erzogener Menschen in
Deutschland, die nicht auf billige, sondern auf gediegene,
rechtschaffene Arbeit Wert legen.

Die moderne Bewegung darf sich in dieser Beziehung
Verdienste zuschreiben. Durch sie wurde es ein Gebot
der allgemeinen Bildung, Material und Technik neu
verstehen zu lernen. Auch die Chemie wurde nun
 
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