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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910

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Scheffers, Otto: Die Vorherrschaft von Einem
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0183

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INNEN-DEKORATION

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DIE VORHERRSCHAFT VON EINEM.

VON OTTO SCHEFFERS—DESSAU.

Was ich heute zu sagen gedenke, ist nicht neu, aber
es ist eine Wahrheit, die man ihrer Bedeutung
wegen für unsere Architekten nicht oft genug wiederholen
kann. - - Mein Beruf führt mich täglich an einem Hause
vorüber, das sich früher von seiner Umgebung kaum
unterschied. Mit seinen Fensterumrahmungen aus Sohl-
bank, Lisenen, Fries, Kranz, Verdachung und Konsolen
gähnte es mich wie tausend ähnliche in der Stadt an.
Einestags wird ein Gerüst aufgestellt, werden alle vor-
springenden Gliederungen des Gebäudes abgeschlagen
und die ganze Wand mit einer sauberen Zementhaut
überzogen, in die hinein man zwischen den Fenstern
entlang vom Dach bis zum Keller tiefe, schnurgerade
Rillen zieht. Gab das eine Wirkung! Doch am vierten
Tage begann man den Eingang mit einer Jugendstil-
schnörkelei zu umgeben, allerlei nichtssagende Orna-
mente zwischen je zwei übereinanderliegende Fenster
einzuschieben, die Front rechts und links zu überhöhen
und das Dach mit einer Reihe von stelenartigen Ge-
bilden zu besetzen: und fort war natürlich die Wirkung.

Die Residenz will dem verstorbenen Landesvater
ein Denkmal setzen. Ein Preisausschreiben ergeht, und

man wählt einen Entwurf mit gut modellierter Figur,
ist jedoch mit der Architektur nicht zufrieden. Dem
schlichten Sockel werden Wappen, Inschriften und Stein-
kränze aufgekleckst, die das Denkmal hinten um-
schließende glatte Mauer an zwei Stellen mit halbkreis-
förmigen, sattelartigen Vertiefungen versehen, und diese
Vertiefungen just wie Gebirgstäler mit Steinplatten über-
brückt, welche auf kleinen Pfeilern ruhen. Kein Wunder,
daß der Gärtner mit seiner Kunst nicht im Rückstände
bleiben will und die das Denkmal flankierenden, bis
zum Boden reichenden, kegelförmig beschnittenen Eiben
mit einem weißen Drahtgeflecht umgibt. Ohne diese
Kinkerlitzchen hätte das Ganze gewiß einigermaßen
monumental gewirkt und sich dem im altfranzösischen
Gartenstil gehaltenen Platze immerhin gut eingefügt;
jetzt bietet es dem ästhetisch feiner Empfindenden
einen recht fraglichen Kunstgenuß.

Solche Beispiele, in denen sich Künstler oder Auf-
traggeber nicht genug darin tun können, durch allerlei
Kleinkram die Aufmerksamkeit des Beschauers vom
eigentlichen Brennpunkte des Werkes geradezu gewalt-
sam abzulenken und den Charakter des Ganzen zu ver-
 
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