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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 21.1910

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Bredt, Ernst Wilhelm: Künstler und Helden
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https://doi.org/10.11588/diglit.11378#0308

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290

INNEN-DEKORAT10N

KÜNSTLER UND HELDEN.

Wir sind als Künstler und als Betrachter in einen
Ästhetizismus hineingeraten, der Schaffende und
Genießende bereits sehr entfremdet hat. Die künst-
lerischen Schöpfungen werden von vornherein ganz
allein bald nach diesem, bald nach jenem ästhetischen
Formalismus beurteilt — der Maßstab schlichter Wir-
kung auf Unbefangene, oder der Erfüllung gestellter
Forderungen an praktische Zwecke gilt als verpönt.
Und die alle künstlerische Taten so ganz allein ästhe-
tisch bewerten zu müssen glauben, sind längst nicht
mehr die Rufer des Feldgeschreis »l'art pour l'art!«

Man glaubt offenbar in weiteren Kreisen, dem An-
sehen der Künstler sei damit erst recht gedient, — nur
derjenige Künstler sei verehrenswert, der nichts kennt
und berücksichtigt als bekannte künstlerische Gesetze
und Theorien. Mir kam erst kürzlich eine Art von
bürgerlichem Gesetzbuch der Ästhetik in die Hand, in
dem alle Kunstwerke aller Zeiten nach einer einzigen
ästhetischen Formel gutgeheißen oder verworfen wurden.
Der betreffende ästhetische Paragraphenmeister hat auch
nicht ein einziges Mal daran gedacht, daß der Wert
vieler Kunstwerke gerade deshalb so hoch ist, weil sie
praktischen Forderungen vortrefflich gerecht wurden.
Es ist nicht gerade erfreulich, daß man dagegen er-
innern muß, daß Tempel und Kirche auch als Kunst-
werk am wertvollsten, wenn am klarsten Zweck und

Idee des betreffenden Kultus in ihnen verbildlicht. Was
aber von der Kirche gilt, gilt von jedem Bau, jedem
Brunnen, jedem Raum usw. Das heißt: gerade der
größte, der tüchtigste Künstler kann gar nicht so jen-
seits aller Realitäten, aller Notwendigkeiten wandeln,
denen die Menschheit unterworfen ist und bleibt. Wer
die Künstler von früher und von heute nur aus ästhe-
tischen Rezepten und Formeln heraus schaffen läßt, der
wertet sie falsch als Führer. Wer Kunstwerke und
Künstler so einseitig einschätzt, der isoliert die Künstler,
er trennt sie von der Menschheit in ganz anderem
Sinne, als die Führerschaft der Künstler bedingt.

-Anstatt zum Segen der Kunst und des Genusses
darauf hinzuarbeiten, daß die Kluft zwischen Künstler-
tum und Publikum endlich wieder überbrückt werde
tragen wir durch unseren absoluten Ästhetizismus ent-
schieden nur bei, die Künstler von allen Anderen noch
mehr zu trennen. Wie aber die bloße ästhetische Be-
trachtung eines Kunstwerkes immer etwas geistig ärm-
liches hat, weil die ganze Freude am Werk immer aus
vielseitigen Erkenntnissen und Gaben sich uns erschließt
— so sollten wir Verarmten endlich wieder im großen
Kunstwerk und im großen Künstler den großen Men-
schen schätzen. Nur ein großes, volles, ganzes Men-
schentum macht den Künstler groß, macht ihn zum
Führer, läßt ihn wohnen auf den Höhen der Menschheit.
 
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