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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Meißner, Paul: Das neue Stadthaus in Berlin. Erbaut von Geh. Baurat Ludwig Hoffmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0455

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XXlll. JAHRGANG.

DARMSTADT.

DEZEMBER 1912.

DAS NEUE STADTHAUS IN BERLIN

ERBAUT VON GEH. BAURAT LUDWIG HOFFMANN

In der Vorrede seiner Unterweisung der Messung
mit Zirkel und Richtscheidt sagt Albrecht
Dürer: »Gar leychtiglich verlieren sich die Künst,
aber schwerlich und durch lange Zeyt werden
sie wieder erfunden«, und er glaubt deshalb die
Grundlagen des exakten architektonischen Wissens
seiner Zeit wieder vor Augen führen zu müssen,
seiner Zeit, die in einer Gährung begriffen war,
in der sich die Probleme verschoben, die sich
anschickte, die alten ererbten Formen und ihre
Fesseln abzustreifen, um auf einer neuen Basis
eine neue Kultur aufzubauen. Die Warnung, die
diesem großen Künstler damals notwendig er-
schien, könnten wir mit noch viel tieferem Ernst
auch unserer Zeit zurufen. Auch bei uns haben
sich in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahr-
hunderts die Probleme verschoben; eine neue
soziale Ordnung ist heraufgewachsen und mit ihr
sind Aufgaben entstanden, die unser ganzes Leben
von Grund auf umgestalten. Und von diesen
tiefgehenden Änderungen sind auch die Künstler
betroffen; sie sind ja nur Glieder der Gesamt-
heit und bedeuten nur etwas, wenn sie in dieser
Gesamtheit wirken. Vor allen andern ist der
Architekt in seiner Kunst von dem ihn umfluten-

den Leben abhängig. Seine Kunst hat sich nach
vielen Faktoren zu richten und nicht zum min-
desten ist der Auftraggeber, die vorhandenen
Geldmittel und die jeweilige Geschmacksrichtung
für sie bestimmend. In Zeiten einer gefestigten
Kultur bedeutet nun dieser Geschmack etwas
Konstantes, er ist dann der Ausdruck der ganzen
Kultur, das was man eben Stil nennt. Je un-
sicherer aber die Grundlagen werden, je mehr
an Stelle der Gesamtheit der Einzelne tritt, umso
größer ist die Gefahr, daß der Geschmack zur
Mode wird, daß sich Richtungen in schneller
Folge ablösen und daß man heute verurteilt, was
gestern noch in großem Ansehen stand; und diese
Unsicherheit hat das Streben nach Extravaganz
leicht im Gefolge; an die Stelle einer langsamen,
zielbewußten Entwicklung tritt eine Reihe von
individuellen Richtungen, die je nach den zeit-
weiligen Beschäftigungen alle Stile durchlaufen,
bald nach der Antike, der frühchristlichen Kunst,
der Zeit um 1800 greifen, den Gegenpolen un-
serer eigenen unruhigen Zeit. Bei allen diesen
Versuchen ist der ehrliche Wille vorhanden, das
Beste zu schaffen und aus dem Geist der Gegen-
wart heraus ebenfalls Werke erstehen zu lassen,

1912. XIL 1.
 
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