Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 24.1913

DOI Artikel:
Utitz, Emil: Über Kunst und Kunstwissenschaft
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7709#0409

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATION

381

nnn@or

ENTW.: ARCHITEKT ROBERT ADOLPH-STEGLITZ

BLICK ZUR SOFA-ECKE IN EINEM SPEISEZIMMER

UEBER KUNST UND KUNSTWISSENSCHAFT

Das Recht einer wissenschaftlichen Behandlung der
Kunst kann nicht ernstlich bestritten werden; es
wäre doch lächerlich, ein so weites, reiches und bedeu-
tungsvolles Tatsachengebiet dem Kreise der Wissen-
schaft entreißen zu wollen .... Die ernst zu nehmende
Meinungsverschiedenheit hebt erst da an, wo es sich um
die Frage handelt, ob die Wissenschaft dem prak-
tischen Kunstbetrieb förderlich sein kann, oder
ob sie ihn hemmt und stört. Eines darf man natürlich
nicht von der Wissenschaft verlangen: nämlich, daß sie
unmittelbar im Kunstleben schöpferisch wird. Ein Mensch
vermag alle logischen und ethischen Gesetze genau zu
kennen, ohne deswegen doch eine bedeutende wissen-
schaftliche Tat oder eine heroische Handlung vollführen
zu können. Und deswegen darf man natürlich auch von
Ästhetik und allgemeiner Kunstwissenschaft nichts Un-
mögliches verlangen: sie erzeugt keine genialen Persön-
lichkeiten. Aber mittelbar vermag sie in mancher
Richtung das Kunstschaffen zu beeinflussen, und viel-
leicht nicht in ungünstigem Sinne. Sie kann z. B. vor
manchen Sackgassen warnen, manche Fehler vermei-
den lehren; und damit spart sie dem Künstler unnütze
Arbeit, manche Entmutigung und Enttäuschung. Aber

welcher Künstler schafft denn nach ästhetischen Regeln?
und wenn er dies täte, so würde auch gleich der Fluch
nachfolgen: der glatte, langweilige Akademismus. Denn
die Ästhetik kann sich doch nur an der Kunst der Ver-
gangenheit oder der Gegenwart emporranken; denn da
findet sie ihre Tatsachen vor; der wahre Künstler
aber blickt in die Zukunft und gestaltet, prägt erst die
Tatsachen, welche dann die Ästhetik — und meist sehr
spät —in ihr System hineinverarbeitet. Sicherlich »macht«
die Ästhetik keinen neuen Stil, ebensowenig wie sie einen
Künstler »macht«. Aber eine solche Zumutung an sie zu
stellen, ist falsch. In anderer Hinsicht kann sie gar wohl
auch der Kunst der Zukunft dienen. Indem sie richtend
und sondernd ihre Gesetze entwickelt gibt sie da-
mit die großen, klassischen Traditionen der Kunst; gleich-
sam das Skelett, das Gerippe der Kunst, ohne das sie
nicht gedeihen, nicht blühen, ja nicht leben kann. — Aber
nicht in erster Linie für den schaff enden Künstler ist
die Ästhetik berechnet, sondern vor allem für den Kunst-
freund, der sich mit der naiven Hingabe an das Kunst-
werk nicht begnügt, sondern nach einem Wissen strebt
über die Bedingungen seines Genusses, über die Gesetz-
lichkeit der Kunst, über die Art des künstlerischen
 
Annotationen